Reading Lolita in Tehran (Film)

Film von Eran Riklis (2024)

Reading Lolita in Tehran ist ein Filmdrama von Eran Riklis. Es erzählt die Geschichte einer Literaturdozentin im postrevolutionären Teheran, gespielt von Golshifteh Farahani, die sieben ihrer Studentinnen zusammentrommelt und eine Art Buchclub gründet, in dem sie im Iran verbotene westliche Klassiker lesen. Die israelisch-italienische Koproduktion basiert auf den gleichnamigen Momoiren von Azar Nafisi und feierte im November 2024 beim Tallinn Black Nights Film Festival ihre internationale Premiere. Der Kinostart des Films in Italien war am 21. November 2024. In Israel ist er am 20. Februar 2025 geplant.

Film
Titel Reading Lolita in Tehran
Produktionsland Italien, Israel
Originalsprache Persisch, Englisch
Erscheinungsjahr 2024
Länge 108 Minuten
Stab
Regie Eran Riklis
Drehbuch Marjorie David
Produktion Eran Riklis, Gianluca Curti,
Moshe Edery, Marica Stocchi,
Michael Sharfstein,
Santo Versace
Musik Jonathan Riklis
Kamera Hélène Louvart
Schnitt Arik Lahav-Leibovich
Besetzung

Handlung

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Nachdem Azar Nafisi in Oklahoma englische und amerikanische Literatur studiert und einen Bachelor- und Masterabschluss gemacht hat, kehrt sie im Sommer 1979 gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann Bijan Naderi kurz vor Beginn der Islamischen Revolution zurück in den Iran. Nafisi hatte sich in den USA in der iranischen Studentenbewegung engagiert und ist überzeugt, dass sie einen Beitrag zur Revolution leisten kann, die bisher den Schah gestürzt hat. Sie entscheidet sich für eine Lehrtätigkeit an der Universität, weil sie glaubt, sich so den von Tag zu Tag härter werdenden Auflagen der Regierung widersetzen zu können. Nafisi erkennt, dass sie irrt, als eines Tages nach Studentenprotesten eine ihrer 17-jährigen Studentinnen verhaftet, eingesperrt und anschließend hingerichtet wird.

Im Jahr 1995 gibt Nafisi ihre Lehrtätigkeit auf, unter anderem weil sie an der Universität den vorgeschriebenen Hijab nicht tragen wollte. Sie lädt sieben ihrer besten Studentinnen zu Vorlesungen und Debatten ein, die jeden Donnerstagmorgen in ihrem eigenen Haus stattfinden. Gemeinsam analysieren und studieren sie westliche Klassiker, die vom Regime verboten wurden, darunter Daisy Miller von Henry James, Der große Gatsby von F. Scott Fitzgerald und Lolita von Vladimir Nabokov.[1][2]

Produktion

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Literarische Vorlage

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Der Film basiert auf den Memoiren von Azar Nafisi

Der Film basiert auf den Memoiren der iranisch-US-amerikanischen Schriftstellerin Azar Nafisi mit dem Titel Reading Lolita in Tehran.[3] Der titelgebende Roman Lolita von Vladimir Nabokov erzählt die Geschichte von einem Mann mittleren Alters, der eine sexuelle Beziehung mit einem 12-jährigen pubertierenden Mädchen eingeht. In ihrem Buch geht Nafisi der Frage nach, welche Literatur heroisch und welche böse ist. Sie erlebte zwischen 1978 und 1981 die Kulturrevolution im Iran, erzählt in ihren Memoiren von ihrer Lehrtätigkeit an der Universität Teheran, wo sie sich weigerte, sich zu verschleiern, was ihren Ausschluss von der Universität zufolge hatte.

Im Jahr 1997 verließ Nafisi das Land und emigrierte mit ihrer Familie in die USA. Im selben Jahr nahm sie eine Professur an der School of Advanced International Studies an, wo sie bis heute unterrichtet.

Regie, Drehbuch und Filmförderung

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„Obwohl diese Geschichte in den 1980er und 1990er Jahren im Teheran spielt, ist ihr Wesen zeitlos. Sie könnte überall und jederzeit spielen; deshalb fühlte ich mich so damit verbunden.“

Regisseur Eran Riklis über die Memoiren von Azar Nafisi[4]
 
Regisseur Eran Riklis

Regie führte Eran Riklis. Der israelische Regisseur wurde besonders für Filme wie Die syrische Braut, Lemon Tree und Mein Herz tanzt bekannt.[5] Für letzteren Film adaptierte er zwei autobiografische Romane von Sayed Kashua, Tanzende Araber und Zweite Person Singular.[6] Riklis hatte Nafisis Memoiren im Jahr 2009 gelesen und einige Jahre später zwecks deren Verfilmung mit ihr Kontakt aufgenommen.[5][4] Als er sie fragte, ob er als israelischer Regisseur ihre Geschichte erzählen könne, sagte sie ja.[4] Zu dem Umstand, dass er als Mann bei einem Film, in dem es um starke Frauen geht, Regie führte, sagte Riklis: „Letztendlich geht es nicht darum, dass ich die Geschichte einer Frau erzähle; es geht darum, dass Frauen ihre eigene Geschichte erzählen, und ich bin nur da, um dabei zu helfen, diese einzufangen.“[4]

Das auf Nafisis Memoiren basierende Drehbuch schrieb letztlich Marjorie David.[5] Zu früheren Arbeiten der US-Amerikanerin gehören Shy People – Bedrohliches Schweigen von Andrei Kontschalowski aus dem Jahr 1987 und eine Reihe von Fernsehfilmen und -serien. Anders als im Buch beginnt Reading Lolita in Tehran im Sommer 1979, als Azar Nafisi mit ihrem Ehemann nach Teheran zurückkehrt.[1] Der Film ist in Kapitel unterteilt, beginnend mit „Der große Gatsby“, das nach Nafisis Rückkehr nach Teheran spielt, gefolgt von „Lolita“, nachdem sie die Universität verlassen hat, und „Daisy Miller“ und „Stolz und Vorurteil“.[2]

Der Film wurde mit über 2 Millionen Euro von der Direzione Generale Cinema e Audiovisivo des italienischen Kulturministeriums gefördert.

Besetzung und Dreharbeiten

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Die Iranerin Golshifteh Farahani spielt Azar Nafisi

Die Besetzung des Films besteht aus Schauspielern, die alle im Exil leben und im Iran „non grata“ sind.[1] In den Hauptrollen sind Golshifteh Farahani, bekannt aus Paterson, als die gerade in den Iran zurückgekehrte Azar Nafisi und Zar Amir Ebrahimi, bekannt aus Holy Spider, als Sanaz, die den Protest der Frauen wie sie unterstützt, zu sehen.[3] Reza Diako spielt Nafisis Studenten Bahri.[2] Zu ihnen gesellen sich Raha Rahbari, Isabella Nefar, Bahar Beihaghi, Mina Kavani, Lara Wolf und Catayoune Ahmadi.[1]

Die Dreharbeiten fanden in Italien statt. Als Kamerafrau fungierte Hélène Louvart. Der Regisseur und Louvart hatten sich gemeinsam dafür entschieden, dass die Kamera wie eine weitere Figur im Raum sein sollte, insbesondere in den Szenen mit den Frauen: „Sie war Teil ihrer Welt“, so Riklis. Sie nutzten die so entstandenen Nahaufnahmen, um das Publikum in die Geschichte hineinzuziehen und eine Intimität mit den Figuren herzustellen.[4]

Filmmusik und Veröffentlichung

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Die Filmmusik komponierte Jonathan Riklis, der Sohn des Regisseurs. Mit ihm arbeitete er bereits für Mein Herz tanzt zusammen.

Die Premiere war am 19. Oktober 2024 beim Rome Film Fest.[4][7] Die internationale Premiere des Films fand am 16. November 2024 beim Tallinn Black Nights Film Festival statt.[8] Der Kinostart in Italien war am 21. November 2024. Im Januar 2025 wird Reading beim Palm Springs International Film Festival gezeigt.[9] In Israel ist der Kinostart am 20. Februar 2025 geplant.

Auszeichnungen

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Festa del Cinema di Roma 2024

  • Auszeichnung mit dem Publikumspreis
  • Auszeichnung mit dem Sonderpreis der Jury für die weibliche Besetzung[7][10]

Tallinn Black Nights Film Festival 2024

  • Nominierung im Wettbewerb[8]

Literatur

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  • Azar Nafisi: Reading Lolita in Tehran: A Memoir in Books. Random House Publishing Group, 2003. ISBN 978-0-8129-7106-4
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Einzelnachweise

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  1. a b c d Camillo De Marco: Review: 'Reading Lolita in Tehran'. In: cineuropa.org, 21. November 2024.
  2. a b c Wendy Ide: 'Reading Lolita In Tehran': Tallinn Review. In: screendaily.com, 13. November 2024.
  3. a b Melanie Goodfellow, Andreas Wiseman, Zac Ntim und Max Goldbart: From 'Megalopolis' To 'Maria', 'Furiosa: A Mad Max Saga' To 'Joker: Folie A Deux': 63 Movies From Around The World That Could Light Up Film Festivals In 2024. In: deadline.com, 2. Januar 2024.
  4. a b c d e f Milani Perera: Tallinn Black Nights 2024 interview: Eran Riklis (Reading Lolita in Tehran). In: icsfilm.org, 19. November 2024.
  5. a b c Nick Vivarelli: 'Reading Lolita in Tehran' Sees Israel-Iran Filmmaking Collaboration Bear Fruit Amid Escalating Conflict: 'Hate Will Not Work'. In: Variety, 28. Oktober 2024.
  6. https://www.kunstinfo.net/damfiles/default/kunstinfo/film/kirche_und_kino/staffel_2016_2017/Materialien/mein-herz-tanzt-6ade461075de6bd7f29e4362205b990f.pdf
  7. a b Rome Film Fest, FS Audience Award to 'Reading Lolita in Tehran'. In: fsitaliane.it, 26. Oktober 2024.
  8. a b Paul Heath: First four competition titles announced for the 2024 Tallinn Black Nights Film Festival (PÖFF). In: thehollywoodnews.com, 26. September 2024.
  9. Reading Lolita in Tehran. In: psfilmfest.org. Abgerufen am 30. November 2024.
  10. Winners of the 19th Rome Film Festival Announced. In: ilmessaggero.it, 26. Oktober 2024.