Rechtliche Stellung der deutschen Sprache in Südtirol

Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache in Südtirol

Die rechtliche Stellung der deutschen Sprache in Südtirol wird durch das Zweite Autonomiestatut geregelt. Die deutsche Sprache ist seit dessen Verabschiedung in der gesamten Region Trentino-Südtirol und somit auch in der Provinz Bozen bzw. Südtirol der italienischen Sprache gleichgestellt. Der Artikel 99 des Statuts (Dekret des Präsidenten der Republik vom 31. August 1972, Nr. 670) lautet:

In Südtirol ausgestellte Identitätskarten sind zusätzlich auf Deutsch beschriftet.

Die deutsche Sprache ist in der Region der italienischen Sprache, die die amtliche Staatssprache ist, gleichgestellt. In den Akten mit Gesetzeskraft und immer dann, wenn dieses Statut eine zweisprachige Fassung vorsieht, ist der italienische Wortlaut maßgebend.[1]

Damit ist Deutsch regionale amtliche Staatssprache Italiens. De facto wird Deutsch aber nur in Südtirol als Amtssprache verwendet, da die Durchführungsbestimmungen zum Sprachengebrauch nur für das Gebiet der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol gelten. Auf lokaler Ebene werden Deutsch und Italienisch in manchen Gemeinden durch Ladinisch als dritte Amtssprache ergänzt.

Sprachgebrauch in der Schule

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Eine deutschsprachige Schule in der Gemeinde Ahrntal

In Südtirol ist der deutschen Sprachgruppe muttersprachlicher Unterricht in den Kindergärten und Schulen garantiert. Das deutschsprachige Schulsystem besteht parallel neben den Schulen für die italienische Sprachgruppe und jenen für die ladinische Sprachgruppe. In Grundschulen, Mittelschulen und weiterführenden Schulen für die deutsche Sprachgruppe findet der Fachunterricht auf Deutsch statt. Auch die Staatliche Abschlussprüfung kann in deutscher Sprache abgelegt werden.

Sprachgebrauch im öffentlichen Dienst

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Die deutschsprachigen Bürger haben das Recht, im Verkehr mit allen öffentlichen Organen und Ämtern, die ihren Sitz in Südtirol haben oder regionale Zuständigkeit besitzen (letztere also auch, wenn sie im Trentino ihren Sitz haben) sowie mit den Konzessionsunternehmen, die in Südtirol öffentliche Dienste versehen, ihre Sprache zu gebrauchen. Mit anderen Worten können sich Südtiroler auf Deutsch an alle Gemeinden und Bezirksgemeinschaften, an die Autonome Provinz Bozen – Südtirol und die Autonome Region Trentino-Südtirol, an in Südtirol angesiedelte staatliche Stellen (etwa Gerichte, Steuerbehörde), sowie Dienstleister von zentraler Bedeutung (etwa Poste Italiane, Trenitalia) wenden.

Die Ämter, die Organe und Konzessionsunternehmen verwenden im schriftlichen und im mündlichen Verkehr die Sprache dessen, der sich an sie wendet, und antworten in der Sprache, in der der Vorgang von einem anderen Organ oder Amt eingeleitet worden ist; wird der Schriftverkehr von Amts wegen eröffnet, so wird er in der mutmaßlichen Sprache des Bürgers geführt, an den er gerichtet ist. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die Möglichkeit, die deutsche Sprache vor den Südtiroler Zivilgerichten zu gebrauchen, nicht allein den in dieser Region wohnhaften italienischen Bürgern vorbehalten werden darf; diese Möglichkeit muss vielmehr jeder Unionsbürger haben.[2]

In den Sitzungen der Kollegialorgane der Region, der Provinz Bozen und der örtlichen Körperschaften kann die italienische oder die deutsche Sprache benutzt werden. In den anderen Fällen wird der getrennte Gebrauch der italienischen oder der deutschen Sprache anerkannt.

Unberührt bleibt der alleinige Gebrauch der italienischen Sprache innerhalb der Einrichtungen des Militärs.

Verletzung des Rechts auf den Gebrauch der Muttersprache

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Die Durchführungsbestimmungen über den Sprachgebrauch, enthalten im Dekret des Präsidenten der Republik vom 15. Juli 1988, Nr. 574, sehen die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts vor, wenn dieser nicht in der Muttersprache des Betroffenen verfasst ist.

Der Bürger kann innerhalb von zehn Tagen den Einwand der Nichtigkeit geltend machen. Es reicht ein Brief, in dem die betroffene Person erklärt, nicht in ihrer Muttersprache behandelt worden zu sein, oder auch nur eine mündliche Beschwerde. Eingebracht wird der Einwand entweder bei der für den Akt zuständigen Behörde oder beim Gemeindeamt am Wohnsitz des Betroffenen. Der Einwand hat eine zeitweilige Unwirksamkeit des Verwaltungsakts zur Folge.

Die Behörde hat ihrerseits zehn Tage Zeit, um zu reagieren. Wenn sie den Einwand für begründet hält, erneuert sie den Akt in der jeweils anderen Sprache. Weist die Behörde den Rekurs ab, muss sie dies dem Betroffenen innerhalb von zehn Tagen mitteilen. Der Bürger kann dann das regionale Verwaltungsgericht anrufen. Lässt die Behörde die Zehntagesfrist ungenützt verstreichen, ist der vom Bürger beanstandete Verwaltungsakt endgültig unwirksam.

Zudem wurde im Jahr 2020 vom Südtiroler Landtag das Amt für Landessprachen und Bürgerrechte eingerichtet. Bei Verletzungen von Rechten zum Gebrauch der Muttersprache können sich Bürger und Bürgerinnen dort melden.[3]

Zugang zum öffentlichen Dienst

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Die Anwärter für den öffentlichen Dienst müssen Kenntnisse in Deutsch und Italienisch nachweisen. Dies gilt auch bei Versetzungen aus rein italienischen Sprachgebieten.

Um eine Anstellung im öffentlichen Dienst zu erhalten, muss ein Zweisprachigkeitsnachweis vorgelegt werden. Dafür werden von einer eigenen amtlichen Dienststelle gemäß Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 752/1976 Zweisprachigkeitsprüfungen angeboten. Seit 2010 bestehen aber auch andere behördlich anerkannte Möglichkeiten zum Nachweis sprachlicher Qualifikationen: Man kann ein äquivalentes Zertifikat international anerkannter Körperschaften vorlegen oder Sprachkenntnisse durch die persönliche Bildungsbiographie nachweisen. Je nach angestrebter Laufbahn innerhalb des öffentlichen Dienstes gibt es vier verschiedene Prüfungniveaus: C1 (für die höhere Laufbahn), B2 (für die gehobene), B1 (für die mittlere) und A2 (für die einfache Laufbahn). Ein erworbener Zweisprachigkeitsnachweis hat unbegrenzte Gültigkeit.

Eine Ausnahme von dieser Regel gilt für Anwärter auf den Lehrberuf. Da die Schulen nach Muttersprachen getrennt geführt werden, müssen Lehrer z. B. deutscher Muttersprache in deutschen Schulen nicht notwendig über einen Zweisprachigkeitsnachweis verfügen. Verfügen sie über den Nachweis, kommt ihnen eine Gehaltssteigerung in Form einer Zweisprachigkeitszulage zugute.

Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung bzw. Sprachgruppenzuordnungserklärung

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Um festzustellen, in welchem Größenverhältnis die drei anerkannten Sprachgruppen Südtirols (deutsch, italienisch, ladinisch) zueinander stehen, werden alle Bürger in regelmäßig stattfindenden Erhebungen aufgerufen, ihre Sprachgruppenzugehörigkeit bzw. Sprachgruppenzuordnung zu erklären. Dies ist rechtlich relevant, weil in demselben Verhältnis öffentliche Stellen vergeben werden sowie Sozialwohnungen und andere fördernde Maßnahmen. Für eine Bewerbung oder Inanspruchnahme derartiger öffentlicher Mittel durch den Bürger ist dann eine persönliche Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung bzw. Sprachgruppenzuordnungserklärung gesetzlich vorgeschrieben.

Deutschsprachige Ortsnamen

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Zweisprachige Straßenschilder bei Kardaun

In Südtirol gilt offiziell flächendeckende deutsch-italienische Zweisprachigkeit und regionale ladinisch-deutsch-italienische Dreisprachigkeit (im Südtiroler Anteil Ladiniens).[4] Die bei Ortsnamen im Normalfall mehrsprachige Anwendungspraxis befindet sich allerdings in einem rechtlichen Graubereich. Das Autonomiestatut sieht zwar vor, dass die öffentliche Verwaltung gegenüber den deutschsprachigen Bürgern die deutschen Ortsnamen verwenden muss, wenn ein Landesgesetz ihr Vorhandensein festgestellt und die Bezeichnung genehmigt hat, allerdings ist ein solches Gesetz noch nicht verabschiedet worden.

Vor diesem Hintergrund stellt die Südtiroler Ortsnamensgebung immer wieder einen ethnopolitischen Streitpunkt dar.[4] De jure existieren allein die weitgehend von Ettore Tolomei geschaffenen italienischen Orts- und Flurnamen, die unter Benito Mussolinis faschistischem Regime per Dekret verbindlich wurden. Die Verwendung der deutschen und ladinischen Bezeichnungen in der öffentlichen Verwaltung ist daher in Ermangelung einer präzisen Rechtsquelle als „halbamtlich“ einzuordnen. Verschiedene Versuche zur Verabschiedung eines Landesgesetzes scheiterten an politischen Diskrepanzen über die inhaltlichen Details.

De facto hat die juristische Streitfrage kaum Auswirkungen: Deutsche und ladinische Namen sind systematisch in allen Kontexten in aktiver Verwendung. So sind beispielsweise sämtliche Ortstafeln und Verkehrsschilder heutzutage zweisprachig (in ladinischsprachigen Landesteilen sogar dreisprachig). Die Reihung der Ortsnamen auf der Beschilderung ist dabei nicht einheitlich geregelt, orientiert sich aber mit wenigen Ausnahmen an der örtlich mehrheitlich in Gebrauch stehenden Sprache.

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Sonderstatut für Trentino-Südtirol (Memento vom 26. November 2018 im Internet Archive) (PDF; 627 kB)
  2. Pressemitteilung des EuGH Nr. 40/14 vom 27. März 2014 betreffend Urteil in der Rechtssache C-322/13 Ulrike Elfriede Grauel Rüffer / Katerina Pokorná
  3. Amt für Landessprachen und Bürgerrechte
  4. a b Francesco Palermo: Riflessioni giuridiche sulla disciplina della toponomastica nella Provincia autonoma di Bolzano. In: Hannes Obermair u. a. (Hrsg.): Regionale Zivilgesellschaft in Bewegung. Festschrift für Hans Heiss (= Cittadini innanzi tutto). Folio Verlag, Wien-Bozen 2012, ISBN 978-3-85256-618-4, S. 341–352.