Die Rede an die islamische Welt war eine Grundsatzrede, die US-Präsident Barack Obama am 4. Juni 2009 in Kairo hielt. Mit dieser Rede sollte ein neuer Abschnitt in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der islamischen Welt eingeläutet werden. Die Rede trug im englischen Original den Titel A New Beginning (deutsch: „Ein Neuanfang“). Obama sprach in der Universität Kairo und erfüllte damit eines der Versprechen, die er in seinem Wahlkampf gegeben hatte – innerhalb der ersten Monate seiner Präsidentschaft eine solche Rede in der Hauptstadt eines muslimischen Staates zu halten.[1]

Barack Obama am 4. Juni 2009 in Kairo

Themen und Inhalte

Bearbeiten

Die Rede Obamas war in sieben Abschnitte unterteilt und widmete sich, neben allgemeinen Ausführungen zu Geschichte und Politik, den Themen gewalttätiger Extremismus, Nahostkonflikt, Atomwaffen (mit einem Bezug auf den Iran), Demokratie, Religionsfreiheit, Frauenrechte und wirtschaftliche Entwicklung.

Eröffnung

Bearbeiten

Der Präsident bedankte sich bei den Ägyptern für ihre Gastfreundschaft und würdigte die Al-Ahzar Universität als einen „Leuchtturm islamischer Gelehrtheit“ und die Universität von Kairo als „Quelle von Ägyptens Fortschritt“, die zusammen die Verbindung von Tradition und Moderne repräsentierten. Mit der arabischen Grußformel as-salāmu ʿalaikum leitete er zur eigentlichen Rede über.

In der Einleitung zu seiner Rede verwies Obama auf geteilte Wertvorstellungen und zitierte Sure 33, Vers 70 des Koran: Fürchtet Gott und sagt, was recht ist.[2]

Nahostkonflikt

Bearbeiten

In der Rede bekräftigte Präsident Obama seine Unterstützung für eine Zweistaatenlösung zur Lösung des Nahostkonflikts. Obama bekannte sich zur Allianz der Vereinigten Staaten mit Israel und nannte das gegenseitige Bündnis „unzerbrechlich“, bezeichnete aber den staatenlosen Zustand des palästinensischen Volkes als nicht tolerierbar. Den Palästinensern stehe ebenso ein Existenzrecht zu, wie das israelische Existenzrecht legitim sei.[3] Obama forderte ein Ende des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland[4] und rief zum Frieden zwischen Palästinensern und Israelis auf.

Religionsfreiheit

Bearbeiten

Obama strich heraus, dass Toleranz in der islamischen Welt eine lange Tradition hat. Er nannte als Beispiel Andalusien während der Zeit der Spanischen Inquisition und Indonesien, wo er in seiner eigenen Kindheit die freie Religionsausübung von Christen in einem überwiegend muslimischen Land selbst erlebte. Menschen sollten frei ihren Glauben wählen und ausüben können, unabhängig davon, wo sie leben. Obama bezeichnete die Tendenz als beunruhigend, dass manche Muslimen den eigenen Glauben dadurch hochhalten, indem sie einen anderen Glauben ablehnen. Die religiöse Vielfalt müsse geschützt werden. Außerdem dürfe man die Abneigung gegen eine bestimmte Religion nicht hinter dem Deckmantel des Liberalismus verbergen.[5]

Frauenrechte

Bearbeiten

Der Präsident tritt für die Gleichheit von Mann und Frau ein, sieht dies aber nicht als rein islamisches Problem, sondern es erstrecke sich auch auf Bereiche des täglichen Lebens in Amerika und anderen Staaten der Welt. Für Obama ist die Gleichberechtigung keine Frage des Verbots der Verschleierung, vielmehr sei das Recht auf Bildung auch für Mädchen eine Grundvoraussetzung für die Gleichstellung von Mann und Frau.[6]

Hintergrund

Bearbeiten

Nach Angaben des Pressesprechers des Weißen Hauses Robert Gibbs wurde Ägypten deswegen ausgewählt, weil „es ein Land ist, das in vielerlei Hinsicht das Herz der arabischen Welt repräsentiert“.[7] Es gab zuvor Spekulationen über den Ort, an dem die Rede gehalten würde. Auch Jakarta, Rabat, Amman und Istanbul wurden im Vorfeld in Erwägung gezogen.[8]

Vorbereitung der Rede

Bearbeiten

Seine ersten Reden in einem mehrheitlich muslimischen Land hielt Obama Anfang April in der Türkei – am 6. April 2009 vor dem türkischen Parlament[9] und am 7. April 2009 vor Studenten im Tophane-Kulturzentrum.[10] Im Vorfeld der Rede traf Obama am 21. April mit dem jordanischen König Abdullah II.[11] und dann 5. Mai mit dem israelischen Präsidenten Schimon Peres zusammen.[12]

 
Barack Obama am 28. Mai 2009 mit Mahmud Abbas im Oval Office

Am 19. Mai 2009 sprach der amerikanische Präsident im Weißen Haus mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Bei diesem Treffen kam keine gemeinsame Erklärung zustande. Während Obama eine Zwei-Staaten-Lösung als Priorität bezeichnete und zu einem Ende der israelischen Besiedlung des Westjordanlandes aufforderte, verweigerte Netanjahu die Bildung eines unabhängigen Staates der Palästinenser und bestand darauf, Israel habe das Recht zu weiteren Gründungen von Siedlungen. Obama verlangte von Netanjahu, keine militärischen Operationen gegen Iran durchzuführen,[13] da er zuvor bekanntgegeben hatte, mit der Regierung in Teheran Gespräche aufnehmen zu wollen.

Obama traf am 28. Mai mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zusammen. Auch ihm gegenüber erklärte Obama seine Unterstützung zugunsten eines eigenständigen Palästinenserstaates. Der palästinensische Präsident machte Obama mit seinem Ideen für den erwarten Nahostplan Obamas vertraut.[14]

Mohammed Habib, der stellvertretende Vorsitzende der Muslimbrüder, die damals in Ägypten die größte Oppositionsgruppe waren, lehnte die Reise Obamas nach Kairo ab und bezeichnete sie als „nutzlos, außer ihr geht eine wirkliche Änderung der Politik der Regierung der Vereinigten Staaten gegenüber der arabischen und islamischen Welt voraus“.[15]

Reaktionen

Bearbeiten

Aus der Europäischen Union, dem Vatikan und von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kamen durchweg positive Reaktionen auf die Rede Obamas, die als wegweisend für die zukünftigen Beziehungen zur islamischen Welt aufgefasst wurde.[16][17][18]

Auch im arabischen Raum und im Mittleren Osten wurde die Rede von offiziellen Stellen überwiegend positiv aufgenommen. Dabei wurde auch die Hoffnung ausgedrückt, dass sich aus ihr auch konkrete Handlungen ergeben werden.[19]

Pakistans Außenministerium ließ verlautbaren, man bewerte die Rede als „sehr positiven Schritt“ um den sprichwörtlichen Spalt zwischen der islamischen und der westlichen Welt zu überwinden.[20]

Der Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, nannte die Rede „frei und offen … einen innovativen politischen Schritt“. Ein Sprecher der Palästinenserorganisation Hamas begrüßte die Rede, die zwar zahlreiche Widersprüche enthalte, aber dennoch „einen fühlbaren Umbruch“ darstelle.[17] Der Vorsitzende der Arabischen Liga, Amr Musa, sagte, die Rede sei „ausgewogen und biete eine neue Vision der Annäherung in den Beziehungen zu den islamischen Staaten“.[16]

In den Augen von Israels Verteidigungsminister Ehud Barak war die Rede ein „mutiger Appell“ und eine Darstellung der universellen Prinzipien Obamas, die dieser der mit der muslimischen Welt teilen wolle. Schimon Peres, der israelische Präsident, pries Obamas Aussagen als „voll von Visionen, eine mutige Rede, die eine Verpflichtung aller beteiligten Seiten an der Fortführung des Friedensprozesses im Nahen Osten verlangt“.[21]

Die Zeit veröffentlichte einen Kommentar von Michael Thumann. Dieser schrieb unter anderem:

"Er traf genau den richtigen Ton. Doch bei den entscheidenden Fragen blieb er vage. … Barack Obama war stark in den weichen Fragen des westlichen Verhältnisses zur muslimischen Welt. Schwächer indes war sein Auftritt bei den harten Fragen, die im Nahen und Mittleren Osten die Konflikte anheizen."[22]

Einbettung der Rede in Obamas Reise

Bearbeiten
 
US-Präsident Barack Obama bei seiner Rede

Obama traf vor der Rede außerhalb von Riad in Saudi-Arabien mit König Abdullah zusammen. Er übernachtete auf dessen Gestüt, bevor er nach Kairo weiterflog.[23]

Unmittelbar vor der Rede führte Barack Obama Gespräche mit dem ägyptischen Präsident Hosni Mubarak, wo beide über die Situation zwischen Israel und den Palästinenser diskutierten.[24]

Nach seiner Rede flog der US-amerikanische Präsident nach Dresden, wo er am 5. Juni Bundeskanzlerin Angela Merkel traf. Es stand ein gemeinsamer Besuch der Dresdner Frauenkirche und des Konzentrationslagers Buchenwald auf dem Programm.

Bearbeiten
Commons: A New Beginning – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Barack Obama speech at Cairo University – Quellen und Volltexte (englisch)

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Ross Colvin: Obama to reach out to Muslims in Egypt speech, 8. Mai 2009. Abgerufen am 5. Juni 2009 (englisch). 
  2. nach Paret, englischer Originaltext: Be conscious of God and always speak the truth. Remarks by the President on a new Beginning, Transkript der Rede vom 4. Juni 2009 (Memento vom 11. März 2010 im Internet Archive) Whitehouse.gov; abgerufen am 8. Juni 2009
  3. Barack Obamas Rede an die Muslime, Die Welt, 4. Mai 2009. Abgerufen am 5. Mai 2009 „Amerikas starke Verbindung mit Israel ist altbekannt. Diese Verbindung ist unzerbrechlich. (…) Die Lage der Palästinenser ist nicht zu tolerieren. Amerika wird der legitimen palästinensischen Hoffnung auf Würde, Chancen und einen eigenen Staat nicht den Rücken zuwenden. (…) Die einzige Lösung ist die Erfüllung der Erwartungen beider Seiten, mit zwei Staaten, wo Israelis und Palästinenser jeweils in Frieden und Sicherheit leben. Das ist in Israels Interesse, im palästinensischen Interesse, im amerikanischen Interesse und im Interesse der Welt.“ 
  4. Barack Obamas Rede an die Muslime, Die Welt, 4. Mai 2009. Abgerufen am 5. Mai 2009 „Es ist Zeit, diesen Siedlungsbau zu stoppen.“ 
  5. Barack Obama: Remarks by the President on a new Beginning. Weißes Haus, 4. Juni 2009, archiviert vom Original am 11. März 2010; abgerufen am 8. Juni 2009 (englisch): „Islam has a proud tradition of tolerance. We see it in the history of Andalusia and Cordoba during the Inquisition. I saw it firsthand as a child in Indonesia, where devout Christians worshiped freely in an overwhelmingly Muslim country. That is the spirit we need today. People in every country should be free to choose and live their faith based upon the persuasion of the mind, heart, and soul. (…) Among some Muslims, there is a disturbing tendency to measure one’s own faith by the rejection of another’s. The richness of religious diversity must be upheld whether it is for Maronites in Lebanon or the Copts in Egypt. And fault lines must be closed among Muslims as well, as the divisions between Sunni and Shia have led to tragic violence, particularly in Iraq. (…) Freedom of religion is central to the ability of peoples to live together. (…) We cannot disguise hostility towards any religion behind the pretence of liberalism.
  6. Barack Obama: Remarks by the President on a new Beginning. Weißes Haus, 4. Juni 2009, archiviert vom Original am 11. März 2010; abgerufen am 8. Juni 2009 (englisch): „I reject the view of some in the West that a woman who chooses to cover her hair is somehow less equal, but I do believe that a woman who is denied an education is denied equality. (…) issues of women’s equality are by no means simply an issue for Islam. (…) Meanwhile, the struggle for women’s equality continues in many aspects of American life, and in countries around the world.
  7. Briefing by White House Press Secretary Robert Gibbs. Weißes Haus, Office of the Press Secretary, 8. Mai 2009, archiviert vom Original am 13. Mai 2009; abgerufen am 10. Mai 2009 (englisch): „…it is a country that in many ways represents the heart of the Arab world
  8. Bobby Ghosh: Behind Obama’s Speech to the Muslim World. In: Time. 24. März 2009 (englisch, time.com [abgerufen am 5. Juni 2009]).
  9. Große Nationalversammlung der Türkei. (Memento vom 10. März 2017 im Internet Archive) blogs.usembassy.gov, Amerika Dienst
  10. Obama trifft sich mit türkischen Studenten. (Memento vom 18. März 2017 im Internet Archive) blogs.usembassy.gov, Amerika Dienst
  11. The President and King Abdullah on Peace in the Middle East. Weißes Haus, Office of the Press Secretary, 21. April 2009, archiviert vom Original am 10. Juni 2009; abgerufen am 6. Juni 2009 (englisch).
  12. Readout on President Obama’s Meeting with President Shimon Peres of Israel. Weißes Haus, Office of the Press Secretary, 5. Mai 2009, archiviert vom Original am 16. Juni 2009; abgerufen am 6. Juni 2009 (englisch).
  13. Remarks by President Obama and Prime Minister Netanyahu of Israel. Office of the Press Secretary, 18. Mai 2009, archiviert vom Original am 3. Juni 2009; abgerufen am 6. Juni 2009 (englisch).
  14. Jesse Lee: Meeting with Abbas. Weißes Haus, 28. Mai 2009, archiviert vom Original am 30. Mai 2009; abgerufen am 6. Juni 2009 (englisch).
  15. dailystar.com.lb
  16. a b Reaction: Obama’s Cairo speech. BBC News, 4. Juni 2009
  17. a b Obama speech widely hailed but foes still sceptical. AFP, 5. Juni 2009. Abgerufen von Yahoo News, 6. Juni 2009
  18. Vatican media welcome Obama’s speech in Cairo as step toward peace (Memento vom 10. Juni 2009 im Internet Archive). Catholic News Service, 4. Juni 2009
  19. Barack Obama’s speech to Muslim world welcomed by the press. Telegraph, 5. Juni 2009
  20. Pakistan backs Obama’s Middle East approach@1@2Vorlage:Toter Link/thenews.jang.com.pk (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.. The News, 6. Juni 2009
  21. Israel says shares Obama’s hopes for peace, Ynet News, 4. Juni 2009. Abgerufen am 6. Juni 2009.
  22. Eine Rede mit Lücke
  23. Christi Parsons, Mark Silva: Apparent Osama bin Laden tape coincides with Obama visit. Los Angeles Times, 5. Juni 2009, abgerufen am 5. Juni 2009 (englisch).
  24. Barack Obama begins key Egypt speech. BBC News, 4. Juni 2009, abgerufen am 5. Juni 2009 (englisch).