Regalien

Gerechtsame (Hoheitsrechte) eines Herrschers über den Besitz im Hoheitsgebiet im Mittelalter

Als Regalien (von mittellateinisch regale, Königsrecht, lateinisch iura majestatica ‚Majestätsrechte‘, sing. Regal) bezeichnete man im Mittelalter diejenigen Hoheitsrechte, deren Ausübung dem Inhaber der Staatsgewalt hinsichtlich der Regierung und Verwaltung des Staates entweder verfassungsmäßig oder kraft besonderer Rechtstitel zustanden.[1]

Historische Regalien

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Systematik

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Die Regalien erscheinen als einzelne Äußerungen der Staatsgewalt des seinem Begriff nach eigentlich unteilbaren Herrscherrechts. Hinsichtlich der verschiedenen Formen, in denen es ausgeübt wurde, sowie der einzelnen Regelungsgegenstände können unterschieden werden:[2]

  • Höhere oder wesentliche Hoheitsrechte (regalia essentialia, regalia immanentia, regalia majora), insbesondere die gesetzgebende, die richterliche und die vollziehende Gewalt, darunter
    • eigentliche Majestätsrechte (iura majestatica), welche dem Staatsherrscher als persönliche Prädikate wegen seiner ausgezeichneten Stellung an der Spitze des Staates zukommen und
    • materielle Hoheitsrechte (iura sublimia) als
      • innere Hoheitsrechte (iura sublimia interna), die Gegenstände des inneren Staatslebens, die Rechtsverhältnisse zwischen dem Staatsoberhaupt und den Untertanen betreffen wie die Gebiets-, Territorial- oder Landeshoheit, die Justizhoheit oder Gerichtsbarkeit (Jurisdictio, richterliche Gewalt), die Privilegienhoheit als die Befugnis, für gewisse Personen und Sachen oder ganze Klassen derselben durch Erteilung von Privilegien, Gnadenerweisungen etc. besondere Rechtszustände (iura singularia) zu schaffen, beispielsweise das Judenregal (Judenschutzrecht), die Finanz- oder Fiskalhoheit, die Landesdiensthoheit, die Lehenshoheit, aber auch die Kirchenhoheit als das Aufsichts-, Schutz- und Schirmrecht über die in dem Lande bestehenden religiösen Verbindungen sowie
      • äußere Hoheitsrechte (iura sublimia externa), die sich auf die Rechtsverhältnisse des äußeren Staatslebens, den Verkehr mit den auswärtigen Staaten beziehen, insbesondere das Gesandtschaftsrecht (ius legationum), das Kriegsrecht (ius armorum et belli) sowie das Recht der Bündnisse und Staatsverträge (ius foederum).
  • Niedere oder außerwesentliche Hoheitsrechte (regalia minora, regalia accidentalia, Regalien im engeren Sinne, nutzbare Hoheitsrechte, insbesondere Steuerrechte), im Einzelnen
    • grundherrschaftliche Regalien als ausschließliche Eigentumsrechte an ganzen Klassen von Gegenständen oder als ausschließliche Nutzungsrechte wie das Wasserregal, das Bergregal, bei welchem alle Bodenschätze als nicht zu dem Grundstück, unter dem sie liegen, sondern als ausschließlich dem Staate gehörig betrachtet werden, so dass nur dem Staat das Recht zusteht, dieselben entweder selbst aufzusuchen oder die Erlaubnis zur Aufsuchung an andere zu erteilen, das Jagd- und Fischereiregal oder das Regal an herrenlosen Sachen und Schätzen und schließlich
    • regale Gewerbe und Staatsmonopole, welche in dem Recht des Staates bestehen, gewisse Gewerbe ausschließlich zu betreiben und daraus Einnahmen zu erzielen (verhüllte Steuern), z. B. bei der Salzregie oder Salzschank, dem Tabaksregal, dem Lotterie- und Spielkartenregal, dem Postregal, dem Straßenregal und dem Regal, wonach Eisenbahnen, Telegraphenanstalten etc. nur vom Staate errichtet und betrieben werden dürfen.

Kodifikation

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“Regalia sunt: arimannie, vie publice, flumina navigabilia, et ex quibus fiunt navigabilia, portus, ripatica, vectigalia que vulgo dicuntur tholonea, monete, mulctarum penarumque compendia, bona vacantia, et que indignis legibus auferuntur, nisi que specialiter quibusdam conceduntur, et bona contrahentium incestas nuptias, et dampnatorum et proscriptorum, secundum quod in novis constitutionibus cavetur: angariarum et parangariarum et plaustrorum et navium prestationes, et extraordinaria collatio ad felicissimam regalis numinis expeditionem, potestas constituendorum magistratuum ad iustitiam expediendam, argentarie, et palatia in civitatibus consuetis, piscationum redditus et salinarum, et bona committentium crimen maiestatis, et dimidium thesauri inventi in loco cesaris, non data opera, vel loco religioso; si data opera, totum ad eum pertinet.
Omnis jurisdictio et omnis districtus apud principem est et omnes iudices a principe administrationem accipere debent et iusiurandum prestare, quale a lege constitutum est.
Palacia et pretoria habere debet princeps in his locis in quibus ei placuerit.
Tributum dabatur pro capite, tributum dabatur pro agro […]”

„Königliche Gerechtsame sind: die Arimannien, die öffentlichen Wege, die schiffbaren Flüsse und ihre Quellflüsse, die Hafengelder, die Uferzölle, die Abgaben, die gemeinhin Zölle genannt werden, die Münzen, die Erlöse aus Bußen und Strafen, verlassene Güter und solche, die Unwürdigen aufgrund der Gesetze genommen werden, wenn sie nicht eigens gewissen Personen überlassen werden, und die Güter derjenigen, die eine blutschänderische Ehe eingehen, der Verurteilten und der Geächteten, gemäß dem, was in neuen Verordnungen vorgesehen wird; die Leistungen der Frondienste und ähnlicher Dienste, der Wagen und Schiffe, und die außerordentliche Beisteuer zur glücklichsten Heerfahrt der königlichen Hoheit, die Befugnis, Beamte einzusetzen zur Ausübung der Gerichtsbarkeit, die Wechselstuben, und die Pfalzen in den gewohnten Städten, die Erträge der Fischereien und Salinen, und die Güter der Majestätsverbrecher, und die Hälfte eines auf kaiserlichem oder kirchlichem Grund gefundenen Schatzes; wenn mit Absicht, gehört er ihm ganz.
Alle Gerichtsgewalt und alle Gebotsgewalt liegt beim Kaiser, und alle Richter müssen ihr Amt vom Kaiser empfangen und den Eid leisten, welcher vom Gesetz vorgeschrieben ist.
Pfalzen und Paläste kann der Kaiser haben an den Orten, an denen es ihm beliebt.
Steuern wurden gegeben als Kopfsteuer, Steuern wurden gegeben als Grundsteuer […]“

Mit diesen Worten wurden 1158 die königlichen Sonderrechte in der Constitutio de regalibus schriftlich festgehalten, die teils dem deutschen, teils dem römischen Recht entnommen waren. Diese Vereinbarung war von Kaiser Friedrich I. Barbarossa für den Reichstag von Roncaglia bei Rechtsgelehrten aus Bologna in Auftrag gegeben worden. Es handelte sich dabei um die alten kaiserlichen Vorrechte, die die lombardischen Städte in Zeiten der Schwäche des Reiches an sich gebracht hatten und die Barbarossa jetzt wiederherstellen und festigen wollte. Die constitutio betraf zunächst nur die Regalrechte in Italien, wurde aber später als Bestandteil des Corpus iuris civilis auch in Deutschland übernommen.

In der im langobardischen Lehnsrecht ausgebildeten Regalienlehre wurde stets zwischen regalia maiora und minora unterschieden, also zwischen den eigentlichen Majestätsrechten und solchen Monopolen, die nur oder doch vorwiegend der Speisung der Reichskasse dienten (regalia fisci): zu diesen gehören das Bergregal, das Zollregal und das Recht des Kaisers auf gefundene Schätze. Das Münzregal gehörte je nach Blickwinkel zu den Majestätsrechten oder den fiskalischen Rechten: das ius cudendi monetam, der Münzgewinn, der aus dem Unterschied zwischen Metallwert und Kaufwert herrührte, wurde jedenfalls stets von der Reichsgewalt beansprucht und ausgebeutet.

Seit dem 13. Jahrhundert gingen die meisten dieser Rechtsansprüche durch Verleihung auf geistliche (Confoederatio cum principibus ecclesiasticis 1220) und weltliche (Statutum in favorem principum 1231/32) Fürsten über. Auch viele Städte gelangten durch eine einmalige Ablöse oder jährliche Pachtzahlungen in den Besitz von Regalien, wie zum Beispiel Zoll-, Geleit- oder Münzrechte. Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356 weist die Salz-, Juden-, Zoll- und Münzregalien den Kurfürsten zu und bestätigt damit eine de facto bereits bestehende Ordnung. Dadurch wurde die staatliche Einheit faktisch aufgelöst und es fand eine Territorialisierung statt, bei der es zur Bildung zahlreicher Territorialstaaten kam.

Weitere einzelne Regalien

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Weitere Regalien waren:

Regalrechte im modernen Staat (Schweiz)

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Im schweizerischen Staats- und Verwaltungsrecht versteht man unter Regalrechten noch heute das ausschließliche Nutzungsrecht durch den Staat, somit ein wirtschaftliches Hoheitsrecht oder Monopol des Staates.[4]

Auf Bundesebene ist dies (infolge von Teilprivatisierungen nur noch stark eingeschränkt) das Postregal, auf kantonaler Ebene sind es in der Regel das Bergregal, das Fischereiregal, das Jagdregal und das Salzregal. In einigen Kantonen (etwa Bern und Aargau) spricht man auch vom Wasserregal (das Recht, Wasser zu fassen und nutzen) und vom Gebäudeversicherungsregal (etwa Aargau; in anderen Kantonen als Monopol bezeichnet).

Der Kanton kann das Regalrecht selbst wahrnehmen, an die politischen Gemeinden delegieren (so in Basel-Landschaft das Jagd- und Fischereiregal, in Graubünden das Bergregal) oder auf Dritte übertragen (so haben alle Kantone das Salzregal an die Vereinigten Schweizerischen Rheinsalinen abgetreten). Bestehende Privatrechte oder Rechte von Korporationen bleiben dabei unberührt.

Literatur

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Commons: Regalien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Regal – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Hoheitsrechte Pierer’s Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 452–454. zeno.org., abgerufen am 14. Juni 2020.
  2. vgl. Hoheitsrechte Pierer’s Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 452–454. zeno.org., abgerufen am 14. Juni 2020.
  3. Dietmar Schanbacher: 8. Aus den Gesetzen von Roncaglia (1158). In: Europäische Rechtsgeschichte – Texte. 8. Mai 2009, III. Mittelalter, S. 4 (tu-dresden.de (Memento vom 2. September 2014 im Internet Archive) [PDF; 2,0 MB; abgerufen am 10. Dezember 2015] Die von Schanbacher benutzte Textvorlage wird nicht angegeben, die Absätze 2 bis 4 gehören zwar zu den in Roncaglia verkündeten Bestimmungen, aber nicht zum eigentlichen Regaliengesetz. Der lateinische Text des Regaliengesetzes wurde nach der Fassung in D F.I. Nr. 237 verbessert.).
  4. Tobias Jaag, Markus Rüssli: Staats- und Verwaltungsrecht des Kantons Zürich. 5. Auflage. Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2019, S. 356 f.