Reichsdorf
Ein Reichsdorf war im Heiligen Römischen Reich ein reichsunmittelbarer Ort, der aber keine Reichsstandschaft besaß. Die Reichsdörfer wurden 1648 im Westfälischen Frieden neben den Reichsständen und der Reichsritterschaft formal anerkannt.
Funktion und Geschichte
BearbeitenReichsdörfer waren die Überreste der im 15. Jahrhundert aufgelösten alten Krongüter. Bewohner von Reichsdörfern waren keiner Leibeigenschaft unterworfen und mussten auch keine Frondienste leisten. Diese Rechte blieben auch bei den nicht selten vorkommenden Verpfändungen an lokale Fürsten stets gewahrt. Mit gewissen Einschränkungen übten die Reichsdörfer das Hoheitsrecht in Kirchen- und Schulangelegenheiten aus. Seit der Reformation besaßen sie ebenfalls die Religionsfreiheit. Reichsdörfer wählten ihre Schultheiße (Bürgermeister) und Richter, mit niederer, zum Teil auch hoher Gerichtsbarkeit, selbst und setzten Dorfordnungen fest. Sie zahlten nur Reichssteuern.
Im 14. Jahrhundert gab es mehr als 100 Reichsdörfer, deren Zahl nach und nach durch Verpfändung, Schenkung und Unterwerfung abnahm. Die 40 ehemaligen Reichsdörfer und Reichsweiler im Elsass verloren diese Rechte mit der Angliederung an das Königreich Frankreich zwischen 1633 und 1681.
Zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (Reichsdeputationshauptschluss 1803) wurden die wenigen verbliebenen Reichsdörfer mediatisiert. Dies waren:
- Die Freien auf Leutkircher Heide (im Gebiet der heutigen Ortsteile Reichenhofen, Herlazhofen und Wuchzenhofen der Stadt Leutkirch im Allgäu)
- Die Taunus-Dörfer Sulzbach, Holzhausen (heute als Burgholzhausen Stadtteil von Friedrichsdorf) und Soden (heute: Bad Soden am Taunus)
- Die unterfränkischen Dörfer Gochsheim und Sennfeld bei Schweinfurt
- Das freie Reichstal Harmersbach
Liste von Reichsdörfern
BearbeitenLage der Reichsdörfer (rot) und Reichsweiler (grün) auf einer Karte des heutigen Département Bas-Rhin im Elsass |
Die 40 ehemaligen Reichsdörfer und -weiler im Elsass
BearbeitenLage der Reichsdörfer (rot) auf einer Karte des heutigen Deutschlands |
Reichsdörfer
- Dangolsheim
- Grassendorf
- Gunstett
- Hegeney
- Hochstett
- Hüttendorf
- Kindweiler
- Kriegsheim
- Kuttolsheim
- Lixhausen
- Minversheim
- Mittelschäffolsheim
- Mommenheim
- Morschweiler
- Mutzenhausen
- Niederschäffolsheim
- Ohlungen
- Ringeldorf
- Rottelsheim
- Scherlenheim
- Sufflenheim
- Surburg
- Überach
- Wahlenheim
- Walk
- Wingersheim
- Wintershausen
- Wittersheim
Reichsweiler
- Gebolsheim (zu Wittersheim)
- Keffendorf (zu Ohlungen)
- Rumersheim (zu Berstett)
Weitere Reichsdörfer
Bearbeiten- Althausen (Tauberfranken)
- Birkweiler
- Bubenheim
- Daxweiler
- Dexheim
- Elsheim (heute: Stadecken-Elsheim)
- Freisbach
- Gebsattel
- Ginsheim
- Gochsheim (Unterfranken)
- Gommersheim
- Hohenstaufen (Göppingen)
- Horrheim
- Ingelheimer Grund
- Nieder-Ingelheim mit Sporkenheim
- Ober-Ingelheim
- Kinheim
- Kirchheim am Neckar
- Melbach
- Michelbach (Schmelz)
- Mühlhausen an der Enz
- Oberdachstetten (Mittelfranken)
- Ockstadt
- Pfändhausen (1730 als Reichsdorf erwähnt)
- Sauer-Schwabenheim (Schwabenheim an der Selz)
- Sennfeld Unterfranken
- Frei-Weinheim (heute zu Ingelheim)
- Groß-Winternheim (heute zu Ingelheim)
- Wackernheim
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Helmut Neuhaus: Das Reich in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte 42). 2. Auflage. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-56729-2.
- Erhard Nietzschmann: Die Freien auf dem Lande. Ehemalige deutsche Reichsdörfer und ihre Wappen. Melchior, Wolfenbüttel 2013, ISBN 978-3-944289-16-8.
- Friedrich Weber: Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld. Verlag von Ernst Stoer's Buchhandlung, Schweinfurt 1913.