Richard Vallentin

deutscher Schauspieler und Theaterregisseur

Richard Vallentin (* 3. Februar 1874 in Berlin; † 14. Januar 1908 in Deutsch-Wilmersdorf bei Berlin[1]) war ein Schauspieler und Theaterregisseur in Berlin und Wien.

Herkunft und Ausbildung

Bearbeiten

Richard Vallentin stammte aus einer jüdischen Familie. Die Eltern waren der Kaufmann Gustav Vallentin aus Filehne und Sara, geborene Heymann, aus Berlin. Der Bruder Franz Vallentin wurde später Schauspieler und Publizist, eine Schwester Eva Mendel (1870–1942) nahm sich 1942 wegen ihrer jüdischen Familienzugehörigkeit das Leben. Richard Vallentin besuchte das Gymnasium in Luzern, dieses brach er dann ab und begann eine kaufmännische Lehre in einem Seidengeschäft.[2]

Erste Schauspielertätigkeiten

Bearbeiten

Seit 1892 war er am Ostend-Theater in Berlin als Statist, dann als Schauspieler tätig. 1893 ging er an ein Theater nach St. Gallen, 1894 nach Hanau, 1895 nach Elbing und im Sommer nach Karlsruhe.

Seit 1896 war Richard Vallentin am Deutschen Theater in Berlin unter Otto Brahm. Dort begegnete er dem jungen Max Reinhardt, mit dem er seitdem eng zusammenarbeitete. 1900 waren beide beim Sommergastspiel der Secessionsbühne in Budapest und Wien beteiligt. Seit 1901 war Vallentin kurzzeitig am Lessing-Theater in Berlin angestellt.

Kleines Theater und Neues Theater in Berlin

Bearbeiten

Seit diesem Jahr war er auch im neuen Kabarett Schall und Rauch, zusammen mit Max Reinhardt und weiteren Schauspielerkollegen tätig. Daraus entstand 1902 das Kleine Theater Unter den Linden. Dort wurde er der wichtigste Regisseur neben Reinhardt. Seine Inszenierung von Gorkis Nachtasyl 1903 wurde der größte Erfolg des jungen Ensembles mit über 500 Aufführungen. In diesem Jahr holte ihn Max Reinhardt auch an sein Neues Theater am Schiffbauerdamm als Regisseur.

1905 wurde er aber nicht Reinhardts Nachfolger als Direktor am Kleinen Theater, was ihn sehr enttäuschte.[3]

Deutsches Volkstheater und Freie Volksbühne in Wien

Bearbeiten

Er ging daraufhin an das Volkstheater in Wien als Regisseur. Dort inszenierte er Stücke zeitgenössischer Autoren auf hohem künstlerischen Niveau. 1906 gründete er mit Stefan Großmann und anderen außerdem die Wiener Freie Volksbühne. Seine dortigen Regietätigkeiten wurden ihm aber bald vom Deutschen Volkstheater als seinem eigentlichen Arbeitgeber untersagt.[4]

Im Frühsommer 1907 beendete Vallentin seine Theatertätigkeiten in Wien.[5]

Hebbel-Theater in Berlin

Bearbeiten

Eugen Robert holte ihn als Oberregisseur für das wiederzueröffnende Hebbel-Theater nach Berlin zurück. Dort inszenierte er noch eine Aufführung, war aber gesundheitlich schon sehr geschwächt. Am 14. Januar 1908 starb er während Theaterproben im Alter von nicht einmal 34 Jahren an Krebs. Seine Asche wurde nach Hamburg überführt.[6]

Bedeutung

Bearbeiten

Richard Vallentin war ein exzellenter junger Theaterregisseur, der von Theaterkritikern für seine Inszenierungen viel gelobt wurde.[7] Seine stimmungsvollen Inszenierungen und das realistische Bühnenbild wurden sehr geschätzt.[8] Richard Vallentin galt einigen als der eigentliche Begründer des Erfolgs der frühen Reinhardt-Bühnen in Berlin und seine Inszenierungsweise als Abkehr von der etwas langweiligen rein naturalistischen Aufführungspraxis von Otto Brahm.

Umso schmerzlicher war es für ihn und viele andere, dass ihn Max Reinhardt 1905 nicht zu seinem Nachfolger als Direktor des Kleinen Theaters machte, sondern den weniger talentierten Victor Barnowsky. Einige vermuteten, dass er wahrscheinlich aus Rivalitätsgründen aus Berlin verdrängt wurde.[9][10][11]

Ehe und Nachkommen

Bearbeiten

Richard Vallentin war seit 1899[12] mit der Schauspielerin Elise Zachow-Vallentin verheiratet. Ihr Sohn Maxim Vallentin wurde ebenfalls Schauspieler und später Leiter des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin.

Schriftliche Unterlagen von Richard Vallentin aus seiner Theatertätigkeit befinden sich im Nachlass des Sohnes Maxim Vallentin im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.

Regietätigkeiten

Bearbeiten

Berlin 1902–1905

Bearbeiten

Richard Vallentin inszenierte am Kleinen Theater und dem Neuen Theater in Berlin etwa 20 Theaterstücke.[13] Angegeben sind die Premierentage, es gab meist weitere Aufführungen.

Kleines Theater

Bearbeiten

Neues Theater

Bearbeiten

Tourneetheater 1903/04

Bearbeiten

Im Winter 1903/04 wurde auf einer Tournee durch Deutschland und das Baltikum unter der Leitung von Gustav Lindemann mindestens ein Theaterstück in der Regie von Vallentin aufgeführt.[15]

Wien 1905–1907

Bearbeiten

In Wien inszenierte Richard Vallentin für das Deutsche Volkstheater und die Freie Volksbühne einige Theaterstücke, von denen er vier schon in Berlin zur Aufführung gebracht hatte.[16]

Deutsches Volkstheater

Bearbeiten

Freie Volksbühne

Bearbeiten

Berlin 1907/08

Bearbeiten

Seit Ende 1907 inszenierte Richard Vallentin für das neue Hebbel-Theater. Eine Aufführung konnte er noch selber leiten, bei der offiziellen Eröffnung des Theaters am 28. Januar 1908 war er dann bereits gestorben.

Richard Vallentin verfasste auch einige Texte, teilweise für Kindertheater

  • Kasperle-Theater, 1901, Theaterstück für Schall und Rauch
  • Salve Servator (Heil dir, o Retter, eine römische Märchen-Pantomime), 1901, Manuskript, für Schall und Rauch
  • Neues Kinder-Theater, Tierspiele für Musik und Tanz, Berlin, Harmonie, 1902, mit Alice Berend und Bogumil Zepler, für Kindertheater des Künstlerhauses Bellevuestraße
  • Bunbury, eine triviale Komödie von Oscar Wilde, Bearbeitung der Übersetzung von Teschenberg, 1905, für Deutsches Volkstheater Wien

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Sterberegister Standesamt Deutsch-Wilmersdorf, Nr. 34/1908
  2. Ludwig Eisenberg's Großes Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig 1903. S. 1063 archive.org; mit detaillierten Angaben zu den ersten Jahrzehnten
  3. Rainer Kohlmayer: Oscar Wilde in Deutschland und Österreich, 1996, S. 151
  4. Stefan Großmann: Ich war begeistert. Lebenserinnerungen, S. Fischer, 1930, S. 128f.
  5. Willi Handl: Richard Vallentin. In: Die Schaubühne, Nr. 3/20 vom 16. Mai 1907, S. 502f., mit einer Bilanz von Vallentins Tätigkeit in Wien. Handl bemängelt, dass seine künstlerischen Qualitäten im Theater nicht genügend gewürdigt worden seien
  6. Berliner Tageblatt vom 16. Januar 1908, Abendausgabe, S. 2
  7. Julius Bab: Richard Vallentin, in Die Schaubühne, Nr. 4/4, vom 23. Januar 1908, S. 93f., ein hinreißend genialer Regisseur
  8. Vossische Zeitung vom 14. Januar 1908, Abendausgabe, S. 2f., Nachruf
  9. Alfred Kerr: Richard Vallentin, in Der Tag vom 16. Januar 1908, Nachruf; zitiert in Günther Rühle: Theater in Deutschland 1887–1945. Seine Ereignisse – seine Menschen. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2007 S. 1355, Anm. 165
  10. Fritz Engel Richard Vallentin, in Berliner Tageblatt vom 14. Januar 1908, Abendausgabe, S. 2
  11. Rainer Kohlmayer: Oscar Wilde in Deutschland und Österreich, 1996, S. 151, 167
  12. Heiratsregister Standesamt Charlottenburg 1, Nr. 122/1899
  13. Siehe Berichte über die Premieren in Berliner Tageszeitungen und Theaterzeitschriften, wie Berliner Tageblatt, Vossische Zeitung , Der Tag, Tägliche Rundschau, Die Schaubühne und weitere in den Tagen nach den Premieren; Übersicht der Inszenierungen in 32 Max Reinhardt directed plays (PDF)
  14. Michael Robinson: An International Annotated Bibliography of Strindberg Studies 1870–2005 Volume 2, 2008, S. 884f., mit Angaben von Rezensionen zum Stück
  15. Richard Vallentin Ibsen Page, mit allen bekannten Ibsen-Inszenierungen von Vallentin, auf der Gastspielreise gab es möglicherweise weitere Theaterstücke von anderen Autoren, die auch von ihm inszeniert wurden
  16. Willi Handl: Richard Vallentin. In: Die Schaubühne, Nr. 3/20 vom 16. Mai 1907, S. 502f., mit Erwähnung einiger Inszenierungen in Wien; es ist möglich, dass Richard Vallentin auch bei weiteren Aufführungen des Deutschen Volkstheaters zwischen 1905 und 1907 Regie geführt hat, zum Beispiel in Erich Schlaikjer: Des Pastors Rieke (das das Kleine Theater in Berlin bereits 1904 gespielt hatte, allerdings nicht unter Vallentins Regie)
  17. Rosmersholm, Ibsen Page, mit Schauspielerbesetzung und Zeitungen
  18. Hermann Bahr: Wiener Glossen (1903–1906), 1907, S. 222–228, Besprechung der Aufführungen, ohne Erwähnung von Vallentin
  19. Rainer Kohlmayer: Oscar Wilde in Deutschland und Österreich, 1996, S. 150–167, besonders S. 150f., zur bearbeiteten Übersetzung
  20. Hermann Bahr: Der König Candaules. Drama in drei Akten von André Gide. Deutsche Umdichtung von Franz Blei. Zum ersten Mal aufgeführt im Deutschen Volkstheater am 27. Jänner 1906, in Neues Wiener Tagblatt Nr. 12, vom 28. Januar 1906; auch in Hermann Bahr: Wiener Glossen (1903–1906), 1907, S. 228–235; (vgl. auch André Gide. Ein Gespräch mit dem Dichter des „König Kandaules“, in Neues Wiener Tagblatt, Nr. 40/25, 6, vom 26. Januar 1906)
  21. Russkie Wedomosti vom 20. (?) Oktober 1906: Diese Aufführung gehört zu den stärksten Erlebnissen im Theater und wird lange in den Gedächtnissen derer bleiben, die sie erlebt haben. zitiert in Hinauf zu den Sternen von Frank Jankowski (unten)
  22. Stefan Großmann: Ich war begeistert. Lebenserinnerungen, S. Fischer, 1930, S. 128f.; das Deutsche Volkstheater war der Arbeitgeber Vallentins und untersagte diese weitere Tätigkeit
  23. Baumeister Solneß Ibsen Stage, mit Schauspielerbesetzung und Zeitungsnachweisen
  24. Fritz Engel: Frau Warrens Gewerbe, in Berliner Tageblatt vom 17. November 1907, Morgenausgabe, S. 2f., sehr gute Bewertung
  25. Die Schaubühne vom 26. November 1907, S. 518, Besprechung der Aufführung ohne Namensnennung Vallentins (es war eine Gast-Vorstellung des Ensembles des Hebbel-Theaters vor der Eröffnung des eigenen Hauses)
  26. Rezensionen in der Vossischen Zeitung und dem Berliner Tageblatt vom 29. Januar 1908, die Regievorlage sei gut gewesen, die Umsetzung nicht