Riemannscher Hebbarkeitssatz

Satz über holomorphe Funktionen

Der Riemannsche Hebbarkeitssatz (nach Bernhard Riemann) ist ein grundlegendes Ergebnis des mathematischen Teilgebietes der Funktionentheorie. Der Satz besagt, dass eine isolierte Singularität einer holomorphen Funktion genau dann entfernt („behoben“) werden kann, wenn die Funktion in einer Umgebung der Singularität beschränkt ist. Eine solche Singularität heißt hebbar.

Es sei   ein Gebiet und  , weiter sei   eine holomorphe Funktion.

Existiert eine Umgebung   von   in  , sodass   auf   beschränkt ist, dann gibt es eine auf ganz   holomorphe Funktion   mit  .

Die Existenz von   besagt, dass sich   durch   holomorph auf   fortsetzen lässt. Dadurch wird die „Lücke“ im Definitionsbereich von   gewissermaßen „aufgehoben“. Nach dem Identitätssatz für holomorphe Funktionen kann es nur ein solches   geben.

Der riemannsche Hebbarkeitssatz lässt sich aus der Cauchy-Abschätzung der Laurentreihenkoeffizienten folgern:

Nach Voraussetzung gibt es ein   klein genug, sodass die punktierte Umgebung   noch ganz in   liegt und   für ein   und alle   gilt. Da   auf   holomorph ist, lässt es sich dort in eine konvergente Laurentreihe entwickeln. Mit anderen Worten: Es gibt (genau) eine Folge   komplexer Zahlen, sodass für alle   gilt:

 

Die Funktion   ist natürlich auch auf jeder Teilmenge von   durch   (betragsmäßig) beschränkt, nach der Cauchy-Abschätzung gilt also für   und jedes  :

 

Ist  , so lässt sich dies als   schreiben, nach dem Grenzübergang   ergibt sich  . Der Hauptteil der Laurentreihe verschwindet also identisch  , weshalb die Singularität von   in   hebbar sein muss. Diese Hebung erfolgt dann gerade durch den Wert  .

Verallgemeinerungen

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Eine einfache Verallgemeinerung besteht darin, die Voraussetzung der Beschränktheit aufzugeben und lediglich zu fordern, dass

 

Die Fortsetzbarkeit von   folgt nun leicht aus der obigen Formulierung durch Anwendung auf die in einer Umgebung von   beschränkte Funktion  .

Umkehrung

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Die Aussage des Hebbarkeitssatzes lässt sich auch umkehren, das heißt, es gilt:

Hat eine holomorphe Funktion   in   eine hebbare Singularität, so ist sie in einer Umgebung von   beschränkt.

Dies ist eine einfache Folge der Stetigkeit der holomorphen Fortsetzung   an der Stelle  . Durch diese lokale Beschränktheit unterscheiden sich hebbare Singularitäten fundamental von Polstellen und wesentlichen Singularitäten.

Nichtexistenz einer holomorphen Wurzelfunktion

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Der Hebbarkeitssatz dient in der Funktionentheorie auch als Hilfssatz in anderen Beweisen. Beispielsweise lässt sich dadurch die Nichtexistenz einer holomorphen Wurzelfunktion beweisen.

Es gibt keine auf   holomorphe Funktion  , die   für alle   erfüllt.

Angenommen doch, für ihren Betrag muss dann   gelten. Demnach ist   ist in einer Umgebung von   beschränkt und also nach dem riemannschen Hebbarkeitssatz sogar auf ganz   holomorph. Insbesondere ist   stetig differenzierbar in   mit der Ableitung  . Nach dem Identitätssatz müssen   und ihre Ableitungsfunktion   auf   jeweils mit der reellen Wurzelfunktion und deren Ableitung übereinstimmen. Für positive reelle Argumente   wächst aber die Ableitung bei Annäherung an 0 über alle Grenzen, sodass ein (eigentlicher) Grenzwert nicht existiert:

 

Mehrere Veränderliche

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In der Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher nennt man eine Teilmenge   eines Gebietes   dünn, wenn sie lokal in nicht-trivialen Nullstellenmengen enthalten ist, das heißt genauer, wenn es zu jedem Punkt   einen offenen Polykreis   und eine von 0 verschiedene holomorphe Funktion   gibt, so dass  .

Ist weiter   ein Gebiet,  , so nennt man eine Funktion   lokal beschränkt, wenn es zu jedem Punkt   einen offenen Polykreis   gibt, so dass  .

Der riemannsche Hebbarkeitssatz hat folgende Verallgemeinerung auf mehrere Dimensionen:[1]

  • Es sei   eine dünne Menge eines Gebietes   und   eine holomorphe Funktion, die in   lokal beschränkt ist. Dann gibt es eine holomorphe Funktion  , die auf   mit   übereinstimmt.

Für den eindimensionalen Fall   erhält man obige klassische Version des riemannschen Hebbarkeitssatzes zurück, denn im eindimensionalen Fall sind dünne Mengen wegen des Identitätssatzes diskret. Anders formuliert heißt das, Singularitäten in   sind stets isoliert. Für mehrere Variable   sind diese Situationen stets trivial, denn es gilt:[2]

  • Jede isolierte Singularität einer holomorphen Funktion mit mehr als einer Variable ist hebbar.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Gunning-Rossi: Analytic functions of several complex variables, Prentice-Hall 1965, Kap. I.C, Theorem 3
  2. Gunning-Rossi: Analytic functions of several complex variables, Prentice-Hall 1965, Kap. I.C, Corollary 6