SORMAS

Software zur Epidemiebekämpfung

SORMAS (Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System) ist eine vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickelte E-Health-Software zum Management für Maßnahmen zur Epidemiebekämpfung. Sie basiert auf separaten Web- und mobilen Apps.

SORMAS

SORMAS Software-Logo

SORMAS Startseite
Basisdaten

Hauptentwickler Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Entwickler Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Erscheinungsjahr 2014
Aktuelle Version 1.87.0[1]
(8. August 2023)
Aktuelle Vorabversion 1.70.2[2]
(13. April 2022)
Betriebssystem Server: Linux und Microsoft Windows, Client: Webbrowser und Android
Programmier­sprache Java
Lizenz GNU General Public License, Version 3[3]
deutschsprachig ja
https://sormas.org/

Die Version SORMAS-ÖGD ist eine um ein COVID-19-Modul erweiterte, spezialisierte Version für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in Deutschland zum Kontaktpersonenmanagement im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie. Sie unterstützt die Gesundheitsämter bei der Identifizierung und Überwachung von Kontaktpersonen.

Verbreitung

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Gegenwärtig (Ende 2021) wird SORMAS in Nigeria, Ghana, Frankreich, der Schweiz, Fidschi und in Deutschland eingesetzt. Einsätze in Afghanistan, Nepal, Burkina Faso und der Elfenbeinküste sind in Vorbereitung.[4]

Laut dem Helmholtz-Zentrum hatten am 26. Februar 2021 zwar 250 von 375 Gesundheitsämtern in Deutschland SORMAS installiert. Allerdings war laut einer Umfrage des ARD Magazins Kontraste SORMAS Ende Februar 2021 lediglich bei 90 Gesundheitsämtern in Betrieb. Bei den übrigen Gesundheitsämtern wurde es noch nicht aktiv genutzt und befand sich im „Testbetrieb“.[5] Als Pilot- und Best-Practice-Beispiele gelten die Gesundheitsämter in Vorpommern-Rügen und Reutlingen. Sie führten SORMAS als erste ein und erzielten nach eigenen Aussagen von Anfang März 2021 enorme Zeiteinsparungen bei der Datenerfassung und der Weitergabe an das RKI.[6]

Geschichte und Entwicklung

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SORMAS wurde ursprünglich 2014 im Zuge eines Ebola-Ausbruchs in Westafrika entwickelt, um alle relevanten Daten und Beteiligten einer Epidemie miteinander zu vernetzen, neben Fallzahlen, Kontakten und Symptomen auch Laborpersonal, Ärzte und Epidemiologen.[7] Die Prototyp-Entwicklung wurde vom BMBF über das DZIF gefördert und vom Hasso-Plattner-Institut und SAP unterstützt.[8] Nach einer Pilotphase in Nigeria wurden mit SORMAS weitere Daten zu Cholera, Masern und Geflügelpest erhoben sowie eine Simulation eines Ebola-Ausbruchs durchgeführt. Auch in Ghana wurde SORMAS eingeführt.[4]

2016 wurde SORMAS in eine Open-Source-Anwendung überführt. 2019 kamen als weitere Förderer unter anderem die Bill & Melinda Gates Foundation sowie die US-amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC hinzu.[9]

Im Jahr 2020 führten Frankreich, Fidschi, Schweiz[10] und Deutschland SORMAS zur Bewältigung der SARS-CoV-2-Pandemie ein. Im selben Jahr wurde ein Modul entwickelt, das in der Version SORMAS-ÖGD speziell für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in Deutschland zum Kontaktpersonenmanagement dient. Es soll die Gesundheitsämter bei der Identifizierung und Überwachung von Kontaktpersonen unterstützen. Durch die Förderung des Bundesgesundheitsministeriums steht die Software allen Gesundheitsämtern kostenlos zur Verfügung.[11] Entwicklung und Rollout liegen in der Verantwortung des HZI.[12] Das HZI bietet den Gesundheitsämtern die notwendigen Schulungen an.[13]

Im November 2020 legte die Bund-Länder-Konferenz das Ziel fest, SORMAS bis Mitte Januar 2021 in 90 % der 375 deutschen Gesundheitsämter zu installieren.[14] Gemäß Beschluss der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin vom 19. Januar 2021 sollte die Software bis Ende Februar in allen Gesundheitsämtern installiert werden.[15] Diese Ziele wurde jedoch nicht erreicht.[16] In Nordrhein-Westfalen war die aktive Nutzung von SORMAS ein Muss-Kriterium, um Modell-Region für Öffnungen zu werden.[17]

Im April 2021 kritisierte der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums „eklatante Rückstände“ bei der Digitalisierung der Gesundheitsämter. Daten würden allzu oft noch manuell geschrieben oder ausgedruckt und dann per Fax übermittelt und eingetippt.[18] Ohne flächendeckende SORMAS-Einführung kommen Corona-Infektionsmeldungen im Durchschnitt mit 4 Tagen Verzögerung beim RKI an.[19] Die Schwächen hätten eine wirksame Antwort der Politik in der Pandemie „massiv behindert“.[20]

Die Einführung in Deutschland unterlag dennoch zahlreicher Kritik. So war zu Beginn nur eine Person als Beratung via Telefon eingestellt.[5] IT-Experten schätzen die Kosten einer effektiven, flächendeckenden Einführung mit allen notwendigen Unterstützungen, wie Beratung bei der Installation, Schulungen etc. auf ca. 8 Mio. Euro.[5] Der Deutsche Landkreistag wehrte sich in einem Brief vom 28. Januar 2021 an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gegen die Einführung der Software und sprach von „unnötigem Aufwand“.[21][22] Die Kommunen forderten darin, stattdessen Schnittstellen für die bestehenden, teilweise sehr unterschiedlichen Softwareanwendungen einzurichten.[15][22] Der Deutsche Beamtenbund (DBB) kritisierte, die Anwendung von SORMAS habe „nichts mit smarter Digitalisierung zu tun“: Wer dort eine infizierte Person eintragen wolle, müsse „an 16 verschiedenen Stellen den Namen eingeben“.[23] Bundesgesundheitsminister Spahn sprach in einem Interview von „Blockaden, weil einige für ihre Insellösungen kämpfen“.[24] Noch Ende März 2021 bestanden größere Anwendungsprobleme, die erst mit dem Update vom 1. April 2021[25] behoben wurden.

Funktionen

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Zentrale Funktionen

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Laut einer Vergleichsstudie der Johns Hopkins University[26] enthält SORMAS Funktionen für:

SORMAS unterstützt die Terminplanung und To-do-Listen, enthält eingebaute Analysefunktionen mit Visualisierung von Übertragungsketten und bietet Schnittstellen zur Statistik-Programmiersprache R für Datenanalysen und -präsentation an.

Schnittstellen

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In einem System für den öffentlichen Gesundheitsdienst sollen mehrere digitale Systeme, darunter SORMAS, das Infektionsschutzgesetz-Meldesystem SurvNet, das Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) und das Climedo Symptomtagebuch miteinander vernetzt werden, um eine Doppeldokumentation zum Kontaktpersonenmanagement und Meldepflicht zu vermeiden, um tägliche Anrufe bei Kontaktpersonen durch deren Selbsteinträge überflüssig zu machen und um mit SORMAS@DEMIS über Landesgrenzen hinweg Fälle und Kontakte zu verknüpfen.[27][28]

SORMAS hat eine offene Schnittstelle, die es Drittanbietern wie zum Beispiel der Luca-App ermöglicht, Teilnehmerdaten von Veranstaltungen direkt einzuspielen.[29] Der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG) entwickelte hierfür die offene Schnittstelle IRIS.[30]

Die Übertragung der Daten aus SORMAS sollte in Deutschland über eine Schnittstelle automatisch an die RKI-Software SurvNet erfolgen. SurvNet ist eine Entwicklung aus den 1990er Jahren und wird vom RKI ständig geändert. Dies erschwert die Programmierung einer funktionsfähigen Schnittstelle und führt dazu, dass die Daten von vielen Gesundheitsämtern weiterhin per Hand übertragen werden.[5]

Prozessmodelle für Krankheiten

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SORMAS unterstützt spezifische Prozessmodelle für die folgenden Krankheiten:[31]

Technologie

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SORMAS basiert auf verschiedenen Open-Source-Anwendungen und -Daten, darunter:[9]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Release 1.87.0. 8. August 2023 (abgerufen am 19. September 2023).
  2. github.com. (abgerufen am 16. April 2022).
  3. github.com.
  4. a b FAQ. In: sormas.org. Abgerufen am 18. April 2021 (englisch): „Several countries are using SORMAS to monitor diseases. Nigeria and Ghana implemented SORMAS before the corona-virus pandemic. Switzerland, France, Germany and Fiji implemented SORMAS during the pandemic and in Afghanistan, Nepal, Burkina Faso and Ivory Coast implementation is currently in preparation.“
  5. a b c d Corona: Massive Software-Probleme in Gesundheitsämtern. In: tagesschau.de. 10. Dezember 2021, abgerufen am 29. Dezember 2021.
  6. Landrat will Einzelhandel schnellstmöglich öffnen. In: nordkurier.de. 1. März 2021, abgerufen am 29. Dezember 2021.
  7. Isabell Spilker: Kontaktpersonen digital und effizient nachverfolgen. Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 14. Dezember 2020, abgerufen am 25. Dezember 2020.
  8. SORMAS – A Management Tool for Containing Infectious Disease Outbreaks. Hasso-Plattner-Institut, 13. November 2015, abgerufen am 29. Dezember 2020 (englisch).
  9. a b Gérard Krause: SORMAS – How it may contribute to EIOS. (PDF) Abgerufen am 25. Dezember 2020 (englisch).
  10. SORMAS in der Schweiz bald bundesweit im Einsatz. 23. September 2020, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  11. Susanne Thiele: SORMAS entlastet Gesundheitsämter. 23. Dezember 2020, abgerufen am 26. Dezember 2020.
  12. Digitale Anwendungen zur Kontaktnachverfolgung in der Corona-Pandemie und zur Entlastung des Personals im öffentlichen Gesundheitsdienst: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Konstantin von Notz, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 11. März 2021, BT-Drs. 19/27503, S. 6.
  13. Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützen die Gesundheitsämter bei der Einführung von SORMAS. Abgerufen am 2. März 2021.
  14. Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 16. November 2020: Beschluss. In: bundesregierung.de. 16. November 2020, abgerufen am 25. April 2021.
  15. a b Timo Steppat: Landkreise kritisieren Spahns Corona-Software. In: faz.de. 1. Februar 2021, abgerufen am 25. April 2021.
  16. Georg Ismar, Benjamin Reuter, Albert Funk, Julia Bernewasser, Michael Schmidt: Corona-Beschlüsse: Was dicht bleibt, wer öffnen darf – ein Überblick. In: tagesspiegel.de. 11. Februar 2021, abgerufen am 11. Februar 2021.
  17. Modellregionen für Öffnungen: Münsterland darf auf Café-Besuch hoffen. Abgerufen am 13. April 2021.
  18. Martin Greive, Till Hoppe: Altmaier-Berater attestieren deutscher Verwaltung „archaische“ Zustände. In: handelsblatt.com. 13. April 2021, abgerufen am 9. Mai 2021.
  19. Jakob Simmank: Corona-Maßnahmen: Zu wenig gelernt. In: Die Zeit. 4. März 2021, abgerufen am 6. März 2021.
  20. Wie der Staat digitaler werden kann. In: it-daily.net. 26. April 2021, abgerufen am 9. Mai 2021.
  21. Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Öffentlicher Gesundheitsdienst: Debatte um neue Software. 26. Februar 2021, abgerufen am 2. März 2021.
  22. a b Digitale Ausstattung der Gesundheitsämter, insbesondere Einführung von SORMAS. In: „Brief des Landkreistages zu SORMAS“, fragdenstaat.de. 28. Januar 2021, abgerufen am 25. April 2021.
  23. Öffentliche Verwaltung: Kritik an schleppender Digitalisierung. In: br.de. 26. April 2021, abgerufen am 9. Mai 2021.
  24. Spahn: „Wir mussten reagieren“. In: bundesgesundheitsministerium.de. 15. Februar 2021, abgerufen am 25. April 2021.
  25. Software – SORMAS-ÖGD-COVID-19 – Kontaktpersonen-Management im ÖGD. Abgerufen am 13. April 2021.
  26. Digital Solutions for COVID-19 Response: An assessment of digital tools for rapid scale-up for case management and contact tracing. Johns Hopkins University, 30. Juli 2020, abgerufen am 29. Dezember 2020 (englisch).
  27. Entwicklung eines integrierten und vernetzten Fall- und Personenmanagements für COVID-19 (SORMAS@DEMIS). In: bundesgesundheitsministerium.de. 11. Januar 2021, abgerufen am 25. April 2021.
  28. SORMAS@DEMIS. In: sormas-demis.de. Abgerufen am 22. April 2021.
  29. Nach Kritik vom Chaos Computer Club ‒ Luca-App-Quellcode zur Corona-Kontaktnachverfolgung komplett online. 15. April 2021, abgerufen am 19. April 2021.
  30. Henrik Matthies: Einen SORMAS-Adapter für Luca – und alle anderen bereits genutzten Corona-Lösungen. In: hih-2025.de. Abgerufen am 22. April 2021.
  31. About SORMAS – The real-time software for outbreak and epidemic surveillance. Abgerufen am 25. Dezember 2020 (englisch).