Saint-Pierre (Reims)

ehemaliges Kloster in Reims, Frankreich

In Reims existierten im Mittelalter zwei Frauenklöster gleichzeitig, die den Namen Saint-Pierre trugen. Sie lagen nicht weit voneinander entfernt und wurden durch die zusätzliche Bezeichnung d’en-Bas und d’en-Haut unterschieden. Während die eine Abtei zumindest vom Ende des 6. Jahrhunderts bis zur Revolution existierte, verschwand die andere, spätestens Anfang des 9. Jahrhunderts gegründete, noch vor dem Ende des Mittelalters.

Kirch, Saint-Pierre.

Quellenlage

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Die Nachrichten über die Existenz von zwei gleichnamigen Abteien in Reims verdanken wir Flodoard von Reims und seiner um 948 verfassten Reimser Kirchengeschichte[1]. Über Flodoards Informationen hinaus sind die Daten über die beiden Abteien jedoch so spärlich und unpräzise, dass es bis in die heutige Zeit zu Verwechslungen zwischen den beiden Klöstern kommt[2]. Darüber hinaus war bereits zu Flodoards Zeit eine Reihe von Angaben reine Überlieferung, die zum Teil aus der Konkurrenzsituation in der Stadt und dem Streben nach einer Führungsrolle erwuchs, und die auch heute noch als historische Wahrheiten weitergegeben[3].

Saint-Pierre d’en-Haut

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Flodoard berichtet über eine Klostergemeinschaft, die unter der Führung einer Äbtissin Susanna und der Vormundschaft des Bischofs Remigius, der von 459 bis 533 der Diözese vorstand, stand, doch ohne Bezug auf Petrus zu nehmen[4]; dennoch wird diese Gemeinschaft oft als Ursprung und dann auch Remigius als Gründer des Klosters genannt.

Das Testament des Bischofs Romulfus (590 – vor 613), das Flodoard vorlag, erwähnt ein Frauenkloster in Reims zu Ehren des heiligen Petrus[5], so dass das Ende des 6. Jahrhunderts als spätester Zeitpunkt für die Gründung eines Petrus geweihten Frauenklosters gesichert ist. Das Testament seines Nachfolgers Sonnatius (vor 613 – nach 624) berichtet von einem Frauenkloster, das innerhalb der Stadtmauern bei der Basilika Sankt Peter lag[6]. Dessen Nachfolger Lando (um 634/656) wiederum unterscheidet in einem Dokument sancti Petri ad cortem und sancti Petri ad monasterium puellarum, also beim Frauenkloster[7]. Der Bischof Reolus (673/689) wiederum berücksichtigt als Testamentsvollstrecker von Landos Nachfolger Nivardus (657/673) ein Frauenkloster (ohne Hinweis auf Petrus), das Bova zur Äbtissin hatte[8]. Die Äbtissin Doda erhielt vom Fürsten Pippin ein Dokument zur Immunität der Abtei, das ihm (Flodoard) vorlag[9].

Die weiteren Angaben Flodoards basieren nun nicht mehr auf Dokumenten, sondern auf Überlieferungen, die zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Historia in Reims im Umlauf waren. Danach war ein höher gelegenes Frauenkloster in honore sanctae Mariae vel Sancti Petri vom Priester Balderich (Baudry), einem Sohn des Königs Sigibert, und seiner Schwester Bova gegründet wurde, der späteren Äbtissin. Ihre Nichte sei jene Doda gewesen, die vom Fürsten Pippin ein Dokument zur Immunität der Abtei erhalten habe.

Eine Vita Bovae et Dodae, die erst nach Flodoard verfasst wurde, weiß darüber hinaus, dass die Äbtissinnen Bova und Doda in einer Kirche Sainte-Marie außerhalb der Stadtmauern begraben waren, und dass hier auch der erste Standort des Klosters gewesen sei. Ein Feuer habe die Kirche (zu einem nicht genannten Zeitpunkt) zerstört[10]. Kurz darauf wird im Widerspruch dazu berichtet, Balderich und Bova hätten das Kloster an der Porte Basée innerhalb der Stadtmauern gegründet (siehe unten). Da Flodoard selbst diese Angaben nicht erwähnt, muss in Betracht gezogen werden, dass es sich hierbei um eine Legende handelt.

Tatsächlich stand die Abtei, die nach dem Ende der Abtei Saint-Pierre-d’en-Bas auch einfacher Saint-Pierre-les-Dames oder auch Saint-Pierre-aux-Nonnains genannt wurde, dort, wo es die Straßennamen auch heute noch vermuten lassen, an der Rue Saint-Pierre-les-Dames, die auf die Place Godinot führt, die frühere Place Saint-Pierre-les-Dames, und damit etwa 250 Meter südöstlich der Kathedrale von Reims.

Aus der weiteren Geschichte des Klosters ist noch zu bemerken, dass nach dem Tod des Königs Franz II. († 1560) seine Witwe Maria Stuart sich mehrfach in der Abtei aufhielt, in der ihre Tante, Renée de Lorraine († 1602), Äbtissin war. Von hier aus reiste sie nach Calais ab, wo sie am 15. August 1561 ein Schiff nach Schottland bestieg und damit Frankreich endgültig verließ[11]. Sie hatte verfügt, dass sie in Saint-Pierre-les-Dames bestattet werden wollte, fand aber ihre letzte Ruhestätte in Westminster Abbey.

Das Kloster wurde während der Revolution zerstört, die letzten Reste der Ruine wurden 1919 beseitigt.

Saint-Pierre d’en-Bas

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Die Abtei Saint-Pierre d’en-Bas wurde der von Flodoard festgehaltenen Überlieferung nach von Guntbertus gegründet, dem in Friesland als Märtyrer gestorbenen Ehemann der Bertha von Avenay, der Gründerin der Abtei Avenay[12].

Dass Guntbertus ein Bruder des Erzbischofs Nivard gewesen sei, wird erst im 16. Jahrhundert durch Gleichsetzung ins Spiel gebracht[13], und geht auf einen Brief des Erzbischofs Hinkmar von Reims († 882) zurück, mit dem er die Rechte der Reimser Kirche am Kloster Avenay zu belegen versucht, indem er behauptet, Unterlagen zu besitzen, dass das Kloster Avenay von einem nicht namentlich genannten Bruder Nivards gegründet worden sei[14]. Flodoard, der den Brief erwähnt, sind die genannten Unterlagen offenbar nicht bekannt. Die Vita Nivardi, die zu Lebzeiten Hinkmars verfasst wurde, erwähnt Guntbertus nicht als Bruder Nivards, obwohl sie ausführlich auf Nivards Familie eingeht.[15]

Die erste sichere Nachricht über das Kloster stammt aus den Jahren 814/816, da dieses Kloster gemeint ist, wenn davon gesprochen wird, dass Kaiser Ludwig der Fromme es seiner Tochter Alpheid († wohl nach 852) gab, noch bevor ihr Ehemann Graf Beggo I. gestorben war[16]. In der Lebensbeschreibung des Bischofs Rigobert von Reims aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, die keine Aussagen zu Gründer oder Gründungszeit macht, wird das Petrus-Kloster der Alpheid als tiefer gelegen gegenüber dem benachbarten höheren gelegenen bezeichnet[17]. Flodoard ergänzt, dass bereits Karl der Große dem Kloster Immunität gewährt habe[18].

Weitere Informationen zur Abtei liegen nur aus zweiter Hand vor. Jahrhunderte später werden eine Äbtissin Odile und je ein Dokument aus dem Jahr 1033 und 1035 erwähnt, die heute beide verloren sind[19]. Das Dokument von 1033 lässt dabei – ohne Beweis – den Schluss zu, dass der Standort der Abtei die unmittelbare Umgebung der Porte Basée war, das südöstliche Tor des frühmittelalterlichen Reims[20], etwa 150 Meter südwestlich der Abtei Sainte-Pierre-d’en-Haut.

Aus dem Jahr 1125 wird ein letztes – heute ebenfalls verlorenes – Dokument aus der Abtei zitiert und eine Äbtissin Elisabeth genannt[21], danach herrscht Schweigen, so dass angenommen wird, dass das Kloster Saint-Pierre-d’en-Bas einige Zeit danach verschwand. Offenbar wurde es wenigstens zum Teil von Saint-Pierre-d’en-Haut beerbt, da dieses noch bis zur Revolution Besitz auf beiden Seiten der Porte Basée hatte.

Literatur

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  • Flodoard von Reims: Historia Remensis ecclesiae, hg. von Johannes Heller und Georg Waitz, MGH Scriptores XIII, 1881, S. 405–599
  • Michèle Gaillard: Les monastères féminins de Reims pendant le Haut Moyen Âge : histoire et historiographie, in: Revue belge de philologie et d’histoire, Band 71.4 (1993), S. 825–840 online

Anmerkungen

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  1. Liber IV, Caput 38
  2. so auch Coutansais, die nur das Kloster Saint-Pierre-les-Dames erwähnt und es (fälschlich) als Besitz von Alpais, der Tochter Ludwigs des Frommen, bezeichnet (Françoise Poirier-Coutansais: Les abbayes bénédictines du diocèse de Reims, in: Jean-François Lemariginier (Hg.): Gallia monastica I, 1974, S. 483)
  3. z. B. Michel Bur, S. 98 und 101, in Maurice Crubellier, Histoire de la Champagne, 1988, und Pierre Desportes, Histoire de Reims, S. 67–68
  4. Liber I, Caput 24, S. 443
  5. Liber II, Caput 4, S. 451
  6. Liber II, Caput 5, S. 454
  7. Liber II, Caput 6, S. 455
  8. Liber II, Caput 10, S. 457–458
  9. Liber IV, Caput 38, S. 591; Gaillard identifiziert Fürst Pippin mit Pippin dem Jüngeren als einzigem Pippin, der als princeps erwähnt wird, und setzt den Zeitraum der Verleihung mit den Jahren 741/743 an, da nur in dieser Zeit ein Pippin aus eigener Macht (d. h. ohne Merowinger-König), aber auch ohne Königstitel handelte.
  10. Vita Bovae et Dodae, Acta Sanctorum, Aprilis, III, S. 283–290, G. Henschenius (Hg.), Antwerpen 1675, S. 284
  11. "Les trésors de la bibliothèque de Reims", (online) (Memento des Originals vom 14. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bm-reims.fr
  12. Liber IV, Caput 46
  13. De sancto Gondberto martyre, Acta Sanctorum, Aprilis, Band 3, S. 620–625; De sancta Bertha martyre, Acta Sanctorum, Maii, Band 1, S. 112–117; Dom Jacques Hourlier, Les origines du monastère Saint-Pierre de Reims, in: Mémoires de la société de l’agriculture de la Marne, Nr. 89, 1974, S. 22
  14. MGH SS XIII, S. 549, 1.15-18
  15. Vita Nivardi episcopi Remensis auctore Almanno monacho Altivillarenso, W. Levison (Hg.), MGH SRM V, S. 160–171
  16. Liber IV, Caput 46
  17. monasterium sancti Petri (…) de situ loci inferius propter alterum huic vicinium, quod eadem ex causa dicitus Superius, Vita Rigoberti, hg. von W. Levison, MGH SRM 7, 1920, Caput 12, S. 68
  18. Liber IV, Caput 46
  19. Dom Marlot, Histoire de la ville de Reims (Manuskript aus dem 17. Jahrhundert), 4 Bände, 1843-45, Band 4, Kapitel XL, S. 231; Gallia Christiana in provincias ecclesiasticas distributa, Band 9, 1751, Spalte 269; L. Bidet, Mémoires pour servir à l’histoire ecclésiastique de la ville et cité du diocèse de Reims, 1758, Manuskript, Bibliothèque municipale de Reims, Nfonds 1654, S. 165–166
  20. an der Kreuzung Rue de l’Université – Rue du Barbâtre mit der Rue de Contral – Rue des Murs
  21. Dom Marlot, S. 231

Koordinaten: 49° 15′ 10,2″ N, 4° 2′ 15,7″ O