Satz von Girsanow

mathematischer Satz

Der Satz von Girsanow ist ein Satz aus der Stochastik, der zeigt, wie man aus einem lokalen Martingal bezüglich eines Wahrscheinlichkeitsmaßes ein neues lokales Martingal bezüglich eines Wahrscheinlichkeitsmaßes kreiert.

Der Satz hat eine besondere Bedeutung in der Finanzmathematik, da unter dem äquivalenten Martingalmaß die diskontierten Preise eines Underlying, wie einer Aktie, Martingale sind. Im Bereich stochastischer Prozesse ist der Maßwechsel wichtig, da dann folgende Aussage getroffen werden kann: Wenn Q ein bezüglich P absolut stetiges Wahrscheinlichkeitsmaß ist, dann ist jedes P-Semimartingal ein Q-Semimartingal.

Geschichte

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Der Satz wurde 1945 zuerst von Cameron und Martin[1] und danach 1960 von Igor Wladimirowitsch Girsanow bewiesen. Der Satz wurde durch Lenglart 1977 verallgemeinert.

Sei   ein messbarer Raum und   zwei Wahrscheinlichkeitsmaße darauf. Weiter definieren wir eine Filtration   die  -vollständig und rechtsstetig ist, d. h. die üblichen Bedingungen gelten.

Sei   ein stetiger Prozess, so dass für die zwei Wahrscheinlichkeitsmaße

 

auf   gilt. Dann gilt für jedes stetige lokale  -Martingal  , dass

 

ein lokales  -Martingal ist.[2]

Spezialfall: Wiener-Prozess

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Sei   ein Wahrscheinlichkeitsraum, versehen mit der natürlichen Filtrierung des standardisierten Wiener-Prozesses  . Sei   ein adaptierter Prozess, so dass gilt   P-fast-sicher und der Prozess   definiert durch

 

sei ein Martingal.

Dann gilt unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß   mit der Dichte   bezüglich  , dass der Prozess   definiert durch   ein standardisierter Wiener-Prozess ist.[3]

Bemerkungen

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Der Prozess   ist das stochastische Exponential des Prozesses   mit  , das heißt, er löst die stochastische Differentialgleichung  ,  . Er ist stets ein nichtnegatives lokales Martingal, also auch ein Supermartingal. Der im Allgemeinen schwierigste Teil in der Anwendung des obigen Satzes ist die Voraussetzung, dass   tatsächlich ein Martingal ist. Eine hinreichende Bedingung, so dass   ein Martingal ist, lautet:

 

Diese Bedingung nennt man auch die Novikov-Bedingung.

  • C. Dellacherie, P.-A. Meyer: Probabilités et potentiel – Théorie des Martingales. Kapitel VII, Hermann, 1980.
  • Damien Lamberton, Bernard Lapeyre: Introduction to Stochastic Calculus Applied to Finance. Kapitel IV, S. 66, Chapman & Hall, 2000, ISBN 0-412-71800-6.

Einzelnachweise

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  1. A. I. Yashin: An Extension of the Cameron-Martin Result, Journal of Applied Probability (1993), Band 30, Nummer 1, Seiten 247–251
  2. Olav Kallenberg: Foundations of Modern Probability. Hrsg.: Springer. 2021, S. 433, doi:10.1007/978-3-030-61871-1.
  3. Rose-Anna Dana, Monique Jeanblanc: Financial Market in Continuous Time. Springer, Berlin 2003, ISBN 978-3-540-43403-0 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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