Der Satz von Steiner, auch Steiner-Erzeugung eines Kegelschnitts genannt, nach dem Schweizer Mathematiker Jakob Steiner, ist eine alternative Möglichkeit, einen nicht ausgearteten Kegelschnitt in einer projektiven Ebene über einem Körper (pappussche Ebene) zu definieren:

  • Hat man für zwei Geradenbüschel in zwei Punkten (alle Geraden durch den Punkt bzw. ) eine projektive, aber nicht perspektive Abbildung des einen Büschels auf das andere, so bilden die Schnittpunkte zugeordneter Geraden einen nicht ausgearteten Kegelschnitt.[1][2][3][4][5] (s. 1. Bild)
Definition der Steiner-Erzeugung eines Kegelschnitts
Perspektive Abbildung zwischen Geradenbüschel

Unter einer perspektiven Abbildung eines Geradenbüschels eines Punktes auf das Geradenbüschel in einem Punkt versteht man eine Bijektion (eineindeutige Zuordnung) der Geraden in auf die Geraden in so, dass sich zugeordnete Geraden auf einer festen Gerade schneiden. heißt die Achse der perspektiven Abbildung (s. 2. Bild).

Unter einer projektiven Abbildung versteht man die Hintereinanderausführung endlich vieler perspektiver Abbildungen eines Geradenbüschels.

Als Körper kann man sich z. B. die reellen Zahlen , die rationalen Zahlen oder die komplexen Zahlen vorstellen. Aber auch endliche Körper sind als Koordinatenbereiche erlaubt.

Bemerkung: Der Fundamentalsatz[6] für projektive Ebenen sagt aus, dass eine projektive Abbildung in einer pappusschen projektiven Ebene durch die Vorgabe der Bilder von 3 Geraden schon eindeutig bestimmt ist. Dies bedeutet, dass man bei der Steiner-Erzeugung eines Kegelschnitts außer den Grundpunkten nur die Bilder dreier Geraden vorgeben muss. Durch diese 5 Bestimmungsstücke ist der Kegelschnitt dann schon eindeutig bestimmt.

Bemerkung: Die Bezeichnung „perspektiv“ stammt von der dualen Aussage her: Projiziert man die Punkte einer Gerade von einem Punkt (Zentrum) aus auf eine Gerade , so nennt man diese Abbildung perspektiv (siehe dualen Fall).

Einfaches Beispiel: Verschiebt man im 1. Bild den Punkt und sein Geradenbüschel in den Punkt und dreht anschließend das Büschel in um einen festen Winkel , so erzeugt die Verschiebung zusammen mit der Drehung eine projektive Abbildung des Geradenbüschels in auf das Geradenbüschel in . Der entstehende Kegelschnitt ist wegen des Peripheriewinkelsatzes ein Kreis.

Beispiel

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Beispiel einer Steiner-Erzeugung eines Kegelschnitts: Konstruktion eines Punktes

In dem folgenden Beispiel sind die Bilder der Geraden   vorgegeben:  . Die projektive Abbildung   lässt sich als Produkt (Hintereinanderausführung) der folgenden perspektiven Abbildungen   darstellen:

1)   ist die perspektive Abbildung des Büschels in   auf das Büschel in   mit der Achse  .
2)   ist die perspektive Abbildung des Büschels in   auf das Büschel in   mit der Achse  .

Man überzeugt sich, dass die projektive Abbildung   tatsächlich die behauptete Eigenschaft   hat. Damit lässt sich für jede beliebige Gerade   das Bild   und damit beliebig viele Punkte des Kegelschnitts konstruieren. Da auf der Gerade   bzw.   nur der Kegelschnittpunkt   bzw.   liegt, sind   und   Tangenten des Kegelschnitts.

Den Beweis, dass durch diese Konstruktion ein Kegelschnitt entsteht, führt man am einfachsten durch den Übergang zu einer affinen Einschränkung mit der Gerade   als Ferngerade, dem Punkt   als Nullpunkt eines Koordinatensystems mit den Punkten   als Fernpunkte der x- bzw. y-Achse und dem Punkt  . Der affine Teil des Kegelschnitts ist dann die Hyperbel   [7].

Bemerkung:

  1. Die Steiner-Erzeugung eines Kegelschnitts hat konkrete praktische Bedeutung bei der Konstruktion von Ellipsen, Hyperbeln und Parabeln.
  2. Die Figur zur Konstruktion eines Punktes (3. Bild) ist die 4-Punkte Ausartung des Satzes von Pascal.
  3. Die Erzeugung der Parabel   findet man in projektiver Kegelschnitt.

Steinererzeugung eines dualen Kegelschnitts

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Duale Ellipse
 
Steiner-Erzeugung eines dualen Kegelschnitts
 
Definition einer perspektiven Abbildung

Definitionen und die duale Erzeugung

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Dualisiert (s. Dualitätsprinzip) man einen nicht ausgearteten Kegelschnitt einer projektiven Ebene, so übernehmen die Tangenten die Rolle der Punkte:

Ein nichtausgearteter dualer Kegelschnitt besteht aus der Gesamtheit der Tangenten eines nichtausgearteten Kegelschnitts.

Auch ein dualer Kegelschnitt lässt sich nach der Steiner’schen Methode erzeugen:

  • Hat man für zwei Punktreihen zweier Geraden   eine projektive, aber nicht perspektive Abbildung   der einen Punktreihe auf die andere, so bilden die Verbindungsgeraden zugeordneter Punkte einen nicht ausgearteten dualen Kegelschnitt.

Unter einer perspektiven Abbildung   einer Punktreihe einer Gerade   auf die Punktreihe einer Geraden   versteht man eine Bijektion (eineindeutige Zuordnung) der Punkte von   zu den Punkten von   so, dass die Verbindungsgeraden zugeordneter Punkte sich in einem festen Punkt   schneiden.   heißt das Zentrum der perspektiven Abbildung   (s. Bild).

Unter einer projektiven Abbildung versteht man die Hintereinanderausführung endlich vieler perspektiver Abbildungen.

Die Gültigkeit der Erzeugung eines dualen Kegelschnitts ergibt sich aus dem Dualitätsprinzip für projektive Ebenen.

Beispiele

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Dualer Kegelschnitt zu zwei gegebenen perspektiven Abbildungen  

1: Zwei perspektive Abbildungen:
Gegeben: (1) Zwei Geraden  ,
(2) eine perspektive Abbildung   mit Zentrum  , die   auf eine dritte Gerade   abbildet, und
(3) eine perspektive Abbildung   mit Zentrum  , die   auf   abbildet.

(4) Die Geraden   und   dürfen nicht durch den Schnittpunkt   der Geraden   gehen !

Die Projektive Abbildung   der Punktreihe von   auf die Punktreihe von   ist nicht perspektiv. Damit ist für jeden Punkt   die Gerade   ein Element eines durch die Vorgaben bestimmten nicht ausgearteten dualen Kegelschnitts.

(Falls (4) nicht gilt, ist   ein Fixpunkt und die Abbildung   perspektiv ! [8])

 
Steinererzeugung eines dualen Kegelschnitts:   und ihre Bildpunkte   sind gegeben. Der Kegelschnitt, dessen Tangenten hier erzeugt werden, geht durch die Punkte   und hat dort die Tangenten  .

2: Drei Punkte und ihre Bilder sind gegeben:
Das folgende Beispiel ist die Dualisierung des obigen Beispiels für die Steinererzeugung eines Kegelschnitts.
Die Bilder der Punkte   sind vorgegeben:  . Die projektive Abbildung   lässt sich als Produkt (Hintereinanderausführung) der folgenden perspektiven Abbildungen   darstellen:

1)   ist die perspektive Abbildung der Punktreihe von   auf die Punktreihe von   mit dem Zentrum  .
2)   ist die perspektive Abbildung der Punktreihe auf   auf die Punktreihe auf   mit dem Zentrum  .

Man überzeugt sich, dass die projektive Abbildung   tatsächlich die behauptete Eigenschaft   besitzt. Damit lässt sich für jeden beliebigen Punkt   das Bild   und damit beliebig viele Tangenten des Kegelschnitts konstruieren. Da durch den Punkt   bzw.   nur die Kegelschnittgerade   bzw.   geht, sind   und   Punkte des Kegelschnitts und die Geraden   Tangenten in  .

Einzelnachweise

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  1. Projektive Geometrie, Kurzskript, Uni Darmstadt (PDF; 180 kB), S. 16.
  2. Jacob Steiner’s Vorlesungen über synthetische Geometrie, B. G. Teubner, Leipzig 1867 (bei Google Books: [1]), 2. Teil, S. 96 (in Google-PDF-Version auf S. 339).
  3. Hanfried Lenz: Vorlesungen über projektive Geometrie, Akad. Verl. Leipzig, 1965, S. 56
  4. H. Lüneburg: Die euklidische Ebene und ihre Verwandten, S. 104.
  5. W. Blaschke: Projektive Geometrie, S. 56
  6. Projektive Geometrie, Kurzskript, Uni Darmstadt (PDF; 180 kB), S. 10.
  7. Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes. (PDF; 891 kB), S. 38.
  8. H. Lenz: Vorlesungen über projektive Geometrie, BI, Mannheim, 1965, S. 49.