Der Saubannerzug, auch Kolbenbannerzug oder Zug des torechten Lebens, war das militärische Unternehmen einer Freischar, die sich 1477 während der Fastnachtszeit aus der Zentralschweiz in Richtung Westschweiz und Genf in Bewegung setzte. Ziel des Saubannerzuges war es, von Genf, das damals zum Herrschaftsbereich des Hauses Savoyen gehörte, die in den Burgunderkriegen versprochene, aber noch nicht bezahlte Brandschatzsumme einzutreiben.

Die Brüder vom torechten Leben sammeln sich nach der Rückkehr von der Schlacht bei Nancy in Zug unter dem blauen Banner mit Kolben und Sau, 1477. Illustration aus der Berner Chronik
Der Saubannerzug 1477 vor der Stadt Bern (Berner Chronik)

Historisch

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In der Gesellschaft vom torechten Leben sammelten sich Urner und Schwyzer Kriegsleute (Reisläufer), die nach dem Sieg der Eidgenossen in der Schlacht bei Nancy mit der Beuteverteilung unzufrieden waren. Dem Saubannerzug schlossen sich Teilnehmer aus anderen Schweizer Orten an. Seine Stärke wird auf 1700 Mann geschätzt. Das Banner des Zuges zeigte auf blauem Grund einen wilden Eber („Sauen“) und einen Streitkolben.

Auf ihrem Marsch nahmen die Saubannerzügler eine drohende Haltung auch gegen Städte ein, die zur Eidgenossenschaft gehörten. Die Berner Chronik stellt fest, „das die in dem torechtigen leben mit einer paner daran was ein kolben und ouch ein eber gemolet, mit grossem frevel und mutwillen gen Burgdorf kament“. Der Heerhaufen verursachte den Räten der Städte Bern, Zürich und Luzern grosses Kopfzerbrechen, da sie in Verhandlungen mit Savoyen und Frankreich standen. Genf musste sich verpflichten, den Eidgenossen von den noch geschuldeten 24'000 Gulden einen Drittel sofort auszuzahlen; für die verbleibenden zwei Drittel wurden Geiseln gestellt. Überdies musste Genf jedem Zugteilnehmer zwei Gulden als Entschädigung entrichten sowie einen Umtrunk anbieten. Durch diese Zugeständnisse konnte der Zug am 4. März aufgehalten werden, bevor er sein Ziel erreichte.[1]

Gottfried Keller lässt den Helden seiner Novelle Dietegen am Zug des torechten Lebens teilnehmen.

Moderne Wortverwendung

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Heute wird in der Schweizer Presse das Wort Saubannerzug häufig zur Charakterisierung vandalistischer Ausschreitungen gebraucht.[2][3][4] Aber auch am Zürcher Sechseläuten spricht man in Zunftkreisen von Saubannerzügen; gemeint sind damit informelle (nicht vom Zentralkomitee der Zünfte Zürichs organisierte) Besuche der Jungzünfter bei einer anderen Zunft.[2][5]

Literatur

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  • Thomas Schibler: Saubannerzug. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Christoph Döbeli: Der Zug vom Thorechten Leben. Lizentiatsarbeit Universität Basel 1992.
  • Andreas Würgler: Vom Kolbenbanner zum Saubanner. Die historiographische Entpolitisierung einer Protestaktion aus der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft. In: Peter Blickle, Thomas Adam (Hrsg.): Bundschuh. Untergrombach 1502, das unruhige Reich und die Revolutionierbarkeit Europas. Stuttgart 2004, S. 195–215.

Einzelnachweise

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  1. Ernst Walder: Das torechte Leben von 1477 in der bernischen Politik 1477 bis 1481. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde Bd. 45, 1983, S. 3 und 100. doi:10.5169/seals-246254
  2. a b Hans Bickel, Christoph Landolt: Schweizerhochdeutsch. Wörterbuch der Standardsprache in der deutschen Schweiz. Hrsg. vom Schweizerischen Verein für die deutsche Sprache. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Berlin 2018, S. 70.
  3. Beispiel: Saubannerzug verwüstet Basel, Basler Zeitung, 2. Mai 2010
  4. Beispiel: Vermummte auf Saubannerzug in Basler Einkaufsstrasse, NZZ online, 22. Mai 2010
  5. Sächsilüüte > Saubanner. (Memento vom 7. Juli 2011 im Internet Archive)