Schlacht am Sakarya

Schlacht im Griechisch-Türkischen Krieg im Zuge des türkischen Befreiungskrieges

Die Schlacht am Sakarya (türkisch Sakarya Meydan Muharebesi), auch Schlacht von Sangarios (griechisch Μάχη του Σαγγάριου Máchi tou Sangáriou), war eine wichtige Schlacht im Griechisch-Türkischen Krieg im Zuge des türkischen Befreiungskrieges. Ein anderer türkischer Name für die Schlacht war wegen der ungewöhnlich hohen Verluste (70–80 %) unter den Offizieren Subaylar Savaşı (dt. Krieg der Offiziere).[7][8]

Schlacht von Sakarya
Teil von: Griechisch-Türkischer Krieg

Tote griechische Soldaten nach der Schlacht am Sakarya
Datum 23. August – 13. September 1921
Ort In der Nähe des Sakaryaflusses Türkei
Ausgang Taktisch ergebnislos[1][2]
Griechischer Vormarsch gestoppt[3]
Türkischer strategischer Sieg[4]
Konfliktparteien

Osmanisches Reich 1844 Ankaraer Regierung der türkischen Nationalbewegung

Königreich Griechenland Königreich Griechenland

Befehlshaber

Osmanisches Reich 1844
Mustafa Kemal Pascha
Fevzi Pascha

Königreich Griechenland
Konstantin I.
Anastasios Papoulas

Truppenstärke

96.326 Soldaten
5.401 Offiziere
54.572 Gewehre
825 Maschinengewehre
196 Kanonen
1.309 Schwerter
2 Flugzeuge

120.000 Soldaten
3.780 Offiziere
57.000 Gewehre
2.768 Maschinengewehre
386 Kanonen
1.350 Schwerter
600 3-Tonnen-Lkw
240 1-Tonnen-Lkw
18 Flugzeuge

Verluste

5.713 Tote
18.480 Verwundete
828 Kriegsgefangene
5.639 Deserteure
14.268 Vermisste
Total: 49.289[5]

Zwischen dem 23. August und 16. September:[6]
3.677 Tote
18.869 Verwundete
354 Vermisste
Total: 22.900

Die Kämpfe zogen sich vom 23. August drei Wochen lang bis zum 13. September 1921 hin und fanden an den Ufern des Sakaryaflusses in den Weiten von Polatlı statt.[9] Die Kampffront erstreckte sich dabei auf 100 km.[10] Die Schlacht am Sakarya wird als Wendepunkt im türkischen Unabhängigkeitskrieg angesehen,[11][12] was sich auch im Zitat des Augenzeugen und Schriftstellers İsmail Habip Sevük ausdrückte:

„Viyana’da başlayan çekilme Sakarya’da durdurulmuştur“

„Der in Wien [im Jahr 1683] begonnene Rückzug wurde am Sakarya aufgehalten“[5]

Vorgeschichte

Bearbeiten

Im Zuge der Niederlage der Osmanen im Ersten Weltkrieg und der abgeschlossenen Verträge richtete Griechenland um die Hafenstadt Izmir im Mai 1919 eine Besatzungszone ein. In der damaligen Zeit war unter den national gesinnten Griechen die Idee der Megali Idea (griechisch Μεγάλη Ιδέα), sehr populär. Demnach sollten alle griechisch besiedelten Gebiete in Anatolien und auf dem Balkan in einem großen Nationalstaat vereinigt werden. Die griechische Regierung beschloss daher, gegen das kriegsgeschwächte Osmanische Reich einen Feldzug zu starten. Ziel war die Annexion von Gebieten in Westanatolien und Thrakien mit hohen griechischen Bevölkerungsanteilen. Aber auch Istanbul sollte wieder erobert und eventuell später zur neuen Hauptstadt gemacht werden. Doch unter der Führung Mustafa Kemal Paschas hatte sich eine Widerstandsbewegung herausgebildet, die an mehreren Fronten gegen die Siegermächte und die osmanische Regierung in Istanbul kämpfte.

Am 16. Juli 1921 gab der griechische Oberbefehlshaber und König Konstantin I. den Befehl zu einer Offensive Richtung Zentralanatolien. Ein Scheinangriff auf die türkische rechte Flanke wurde von Ismet Pascha bei Eskişehir abgeschmettert, während der eigentliche Angriff bei Kara Hisar auch zurückgeschlagen werden konnte. Daraufhin schwenkten die Griechen nach Norden Richtung Eskişehir und griffen die Türken in einer Serie von Frontalangriffen und Flankenbewegungen an.[13] Eskişehir konnte am 17. Juli trotz eines heftigen Angriffes von Ismet Pascha eingenommen werden. Dieser zog sich nach großen Verlusten zum Sakarya zurück und war nur noch etwa 80 km von Ankara, dem Zentrum der Widerstandsbewegung, entfernt.[13]

 
Der Sakaryafluss, an dessen Ufer sich die Schlacht abspielte.

Der Sakaryafluss bestimmte das Terrain der Schlacht: Er floss östlich durch die Ebene, machte eine plötzliche Wende nach Norden und beschrieb einen Bogen Richtung Westen. Dieser Bogen stellte eine natürliche Barriere dar. Die Flussufer waren ungünstig und steil und es gab nur zwei Brücken, die über den Flussbogen führten. Östlich des Bogens war die Landschaft felsig, öde und hügelig bis nach Ankara. Die Türken standen in diesem Gebiet auf einer Linie, die von nahe Polatlı bis nach Süden zum Zusammenfluss von Sakarya und Gökfluss führte. Hier schwenkte die Verteidigungslinie nach rechts und folgte dem Gökfluss. Die Türken hatten damit eine exzellente Ausgangslage für ihre Verteidigung.[14]

Die Griechen standen nun vor dem Dilemma, entweder ihre Erfolge abzusichern oder Richtung Ankara zu ziehen und die Widerstandsbewegung zu bekämpfen. Von Anfang an hatten die Griechen große Probleme mit der Kommunikation und der Versorgung der Truppen. Es bestand die Gefahr einer Überdehnung der Versorgungslinien in eine wüste Landschaft hinein, die Tieren und Maschinen zusetzte und den Transport schwerer Artillerie erschwerte. Die jetzige Front mit der Kontrolle über eine wichtige Eisenbahnstrecke war für die Griechen günstiger. Aber weil die türkische Armee einem Einkesselungsversuch bei Kütahya entkam, entschloss man sich auf Ankara zu marschieren.[15]

Am 10. August gab König Konstantin I. den Angriffsbefehl auf die türkischen Linien. Die Griechen mussten zunächst neun Tage marschieren, um Feindkontakt zu bekommen. Ein Teil der Armee, der die Linie umgehen sollte, zog durch das Gebiet des Tuz Gölü, wo die Verpflegung schwierig war und deshalb türkische Dörfer geplündert wurden.[16]

Am 23. August kam es zu ersten Kämpfen am Gökfluss. Das Hauptquartier der Türken befand sich an der Bahnstrecke in Polatlı wenige Kilometer östlich des Sakarya. Am 26. August waren die Kämpfe auf der ganzen Linie ausgebrochen und die Griechen hatten den Gökfluss überschritten und stießen an jedem Hügel auf starken Widerstand. Sie konnten am 2. September den wichtigen Gipfel des Çal Dağı einnehmen, scheiterten aber mit ihrem Angriff auf die türkische linke Flanke.[13] Daher konzentrierten die Griechen ihre Angriffe auf das Zentrum und kämpften sich in zehn Tagen 16 km vor bis auf die zweite türkische Verteidigungslinie. Einige griechische Einheiten kamen bis auf 50 km an Ankara heran.[17] Dies war der weiteste Vorstoß der Griechen im ganzen Krieg.[16]

Tagelang konnten die Griechen keine Munition oder Nahrung an die Front bringen, weil die Kommunikationswege unterbrochen waren und Aktionen der türkischen Kavallerie im Hinterfeld stattfanden. Die Türken ihrerseits konnten durch eine Mobilisierung frische Kämpfer an die Front werfen. Durch diese Situation verlor die griechische Offensive ihren anfänglichen Schwung. Die Kämpfe entwickelten sich zu einem Stellungskrieg,[18] und Konstantin I., der persönlich an der Front war, wurde beinahe von einer türkischen Patrouille gefangen genommen.[19]

Im entscheidenden Moment unternahm Mustafa Kemal am 8. September persönlich einen kleinen Angriff auf den Çal Dağı. Die Griechen konnten zwar den Angriff abwehren,[18] vermuteten aber, dass dies nur ein Vorbote einer größeren türkischen Offensive war, um die griechischen Linien zu umgehen. Dies und der nahende harte anatolische Winter brachten Konstantin I. dazu, am 14. September den Angriff auf Ankara zu beenden.[20]

Konsequenterweise ordnete Anastasios Papoulas den Rückzug auf die Linie Eskişehir-Kara Hisar an. Die Griechen mussten Stellungen räumen, deren Eroberung erst unter hohen Opfern gelungen war, und nahmen sämtliche Ausrüstung und Waffen mit. Den nachrückenden Türken wurde nichts Brauchbares hinterlassen, Brücken und Gleise wurden zerstört und Dörfer niedergebrannt.[21] Von nun an lag die Initiative bei den Türken.

Nachwirkungen

Bearbeiten
 
Griechische und türkische Truppenzüge.

Der Rückzug vom Sakarya markierte das Ende der griechischen Ambitionen in Anatolien. Im Mai 1922 wurden General Papoulas und sein gesamter Stab ersetzt, sein Nachfolger war General Georgios Hatzianestis.[20] Auf der anderen Seite kehrte Mustafa Kemal als Sieger nach Ankara zurück und bekam von der türkischen Nationalversammlung die Titel Generalfeldmarschall und Gazi (türkisch-islamisch für Eroberer) verliehen.[22]

Später sagte Mustafa Kemal bei einer Marathonrede (Nutuk) vor dem Kongress seiner Partei im Oktober 1927, dass er an die Front folgenden Befehl gegeben habe:

„Hatt-ı müdafaa yoktur, Sath-ı müdafaa vardır. O satıh, bütün vatandır. Vatanın, her karış toprağı, vatandaşın kanıyla ıslanmadıkça, terk olunamaz.“

„Es gibt keine Verteidigungslinie, es gibt ein Verteidigungsgebiet. Dieses Gebiet ist die Heimat/Nation. Bevor nicht jeder Flecken der Heimat mit dem Blut der Bürger getränkt ist, wird sie nicht dem Feind überlassen.“[23]

Der britische Staatsmann Lord Curzon sah eine militärische Pattsituation, die sich aber langsam zu Gunsten der Türken verschob. Weiter dachte er, dass die Türken in dieser Lage eher bereit für Verhandlungen wären.[24] Nach der Abwehr der Griechen handelten die Türken mit Russland den Vertrag von Kars und, was noch wichtiger war, mit den Franzosen den Vertrag von Ankara aus, der die Französische Besetzung Kilikiens beendete. So konnten sie sich ganz auf die Griechen in Westanatolien konzentrieren.[25] Die Griechen selber genossen keine Unterstützung seitens der Alliierten mehr.

Nach einem Jahr intensiver Vorbereitungen gingen die Türken in den großen Gegenangriff (tr: Büyük Taarruz) und vertrieben die griechischen Truppen in einer Reihe von Siegen schließlich aus Anatolien. Am 9. September 1922 zog Mustafa Kemal in Izmir ein. Griechenland und die Türkei schlossen mit dem Vertrag von Lausanne im 24. Juli 1923 Frieden.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Michael Llewellyn Smith, S. 227–234
  2. Christopher Chant, S. 21–23
  3. Michael Llewellyn Smith, S. 227–232
  4. Michael Llewellyn Smith, S. 234
  5. a b Seite des türkischen Generalstabes (Türkisch) (Memento des Originals vom 22. August 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tsk.tr
  6. Σαγγάριος 1921, Η επική μάχη που σφράγησε την τύχη του Μικρασιατικού Ελληνισμού, Εκδόσεις Περισκόπιο, Ιούλιος 2008, ISBN 978-960-6740-45-9, S. 32
  7. Sean McMeekin: The Berlin–Baghdad Express: The Ottoman Empire and Germany’s Bid for World Power , Harvard University Press, 2010, ISBN 978-0-674-05739-5, S. 302.
  8. Osman Faruk Loğoğlu: İsmet İnönü and the Making of Modern Turkey, İnönü Vakfı, 1997, ISBN 978-975-7951-01-8, S. 56.
  9. Verity Campbell, Jean-Bernard Carillet, Dan Elridge, Frances Linzee Gordon: Turkey. Lonely Planet, 2007, ISBN 1-74104-556-8.
  10. Edmund Schopen: Die neue Türkei, Wilhelm Goldmann Verlag, 1938, S. 95.
  11. International review of military history (Volume 50), International Committee of Historical Sciences. Commission d'histoire militaire comparée, 1981, S. 25.
  12. Kevin Fewster, Vecihi Başarin, Hatice Hürmüz Başarin, A Turkish view of Gallipoli: Çanakkale, Hodja, 1985, ISBN 0-949575-38-0, S. 118.
  13. a b c Christopher Chant, S. 22
  14. Michael Llewellyn Smith, S. 227
  15. Michael Llewellyn Smith, S. 228
  16. a b Michael Llewellyn Smith, S. 233
  17. Österreichische Militärische Zeitschrift, Verlag C. Ueberreuter, 1976, S. 131.
  18. a b Michael Llewellyn Smith, S. 233–234
  19. Johannes Glasneck: Kemal Atatürk und die moderne Türkei, 2010, Ahriman-Verlag GmbH, ISBN 3-89484-608-9, S. 133.
  20. a b Christopher Chant, S. 23
  21. Michael Llewellyn Smith, S. 234
  22. Stanford Jay Shaw: "History of the Ottoman Empire and Modern Turkey", 1976, Cambridge University Press, ISBN 978-0-521-21280-9, S. 357
  23. Gazi M. Kemal, Nutuk-Söylev, Cilt II: 1920–1927, Türk Tarih Kurumu Basımevi, ISBN 975-16-0195-9, S. 826–827.
  24. Michael Llewellyn Smith, S. 240
  25. Michael Llewellyn Smith, S. 241
Bearbeiten
Commons: Schlacht am Sakarya – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

Bearbeiten
  • Michael Llewellyn Smith: Ionian Vision – Greece in Asia Minor 1919–1922. Hurst & Company, London 1973, ISBN 1-85065-413-1.
  • Christopher Chant: Warfare of the 20th. Century – Armed Conflicts Outside the Two World Wars. Chartwell Books Inc., New Jersey 1988, ISBN 1-85065-413-1.