Der Schwarze Feminismus verbindet die Kritik an Rassismus und Sexismus.[1] Er artikuliert gegenüber dem Feminismus, der als zu weiß wahrgenommen wird, die Belange von Schwarzen Frauen und Frauen of Color und thematisiert Privilegien von weißen Frauen.[2] Er hat eine lange Tradition und lässt sich auf Sojourner Truth zurückführen. Der Schwarze Feminismus begründete das Konzept der Intersektionalität. Das Konzept erkennt an, dass ein Mensch nicht nur aus einzelnen, sondern aus mehreren Gründen diskriminiert werden kann, die sich gegenseitig verstärken können.[3]

Zwei Schwarze Frauen halten Poster, auf einem steht „Generation Adefra. Schwarze Feministinnen* sagen NEIN zu Rassismus, Frauenhass, Homo-/Transphobie, Trumpismus, Faschismus!“. Auf dem anderen Plakat steht: "I love my Blackness and yours".
Die Organisation ADEFRA beim Black-Lives-Matter-Protest 2017 in Berlin

Geschichte

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Das Rekonstruieren einer häufig in Vergessenheit geratenen intellektuellen Geschichte Schwarzer Frauen und ihrer Ideen stellt selbst eine Zielsetzung des Schwarzen Feminismus dar. Zur Vorgeschichte des Schwarzen Feminismus werden so beispielsweise Maria W. Stewart, Sojourner Truth oder Ida B. Wells-Barnett gezählt.[4] Als erste Phase des Schwarzen Feminismus lässt sich die abolitionistische Bewegung sehen, in der viele Schwarze Frauen aktiv waren. Als durch den 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten die Sklaverei abgeschafft wurde, zeigte sich das Konfliktpotential zum Weißen Feminismus, da weiße Suffragetten fürchteten, dass Schwarze Männer vor weißen Frauen das Wahlrecht erhalten würden. Auch Schwarze Frauen setzten sich für das Wahlrecht ein und waren in Organisationen wie der National Association of Colored Women (NACW) und der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) aktiv.

Die zweite Welle des Schwarzen Feminismus ist eng mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung verknüpft. Auch wenn in dieser insbesondere Männer im Rampenlicht standen, waren Schwarze Frauen auf vielfältige Weisen in der Bewegung aktiv. Schwarze Frauen standen in dieser Zeit vor dem Dilemma, dass in der Bürgerrechtsbewegung und vor allem der Black-Power-Bewegung Sexismus häufig vorkam, dass aber gleichzeitig in der Weißen Frauenbewegung Rassismus verbreitet war. 1966 gründeten Betty Friedan und zwei Schwarze Frauen, Aileen Hernandez and Pauli Murray, die National Organization for Women (NOW). Ab Ende der 70er Jahre spielten lesbische Schwarze Frauen, die die Auswirkungen heterosexueller Institutionen in besonderem Maße spürten, eine besondere Rolle im Schwarzen Feminismus, die besonders durch die Veröffentlichung des Manifests des Combahee River Collective Wirkung zeigte. Der Text betonte die Verschränkung unterschiedlicher Diskriminierungsformen.[5]

Der Schwarze Feminismus in Deutschland, der sich insbesondere ab den 80er Jahren herausbildete, war von der afroamerikanischen Bewegung beeinflusst, zu der z. B. durch den Deutschlandbesuch Audre Lordes enge Beziehungen bestanden. Die Organisation deutscher Schwarzer Feministinnen wurde durch Veröffentlichung des Bandes Farbe bekennen (Untertitel: Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte) durch May Ayim, Katharina Oguntoye und Dagmar Schultz sowie die Gründung des Vereins ADEFRA gefördert.[6][7]

Schwarzer Feminismus ist keine homogene Strömung, sondern ist auch von unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten und Sichtweisen geprägt. Schwarzes feministisches Denken ist laut Evelyn Simien durch ein Bewusstsein für miteinander verschränkte Diskriminierungsformen (vor allem Sexismus, Rassismus und Klassismus), ein Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Geschlechter, den Glauben an die Nützlichkeit des Feminismus für die Schwarze Gemeinschaft und ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe Schwarzer Frauen geprägt.[8] Der Schwarze Feminismus ist von der Einbeziehung globaler und transnationaler Perspektiven, etwa aus anti- und postkolonialen Kontexten, geprägt und formuliert eine Kritik an kapitalistischer und (neo-)kolonialer Unterdrückung sowie deren Verschränkung mit Rassismus und Sexismus. Bezüge und Überschneidungen bestehen zur abolitionistischen Bewegung und Theoriebildung.[9] Schwarze Feministinnen argumentieren, dass es neben der klassischen akademischen Theoriearbeit auch andere Formen des Theoretisierens gebe, etwa in Geschichten und Narrative, Sprichwörtern und Rätseln, die von der weißen, akademischen Philosophie als Erkenntnisquellen nicht ernst genug genommen würden.[10] Sie heben somit die besondere Bedeutung der Standpunkte Schwarzer Frauen hervor.[11]

Kritik am weißen Feminismus

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Schwarze Feministinnen kritisieren am weißen Feminismus vor allem fehlende Selbstkritik in Bezug auf Rassismus und den Anspruch auf universelle Repräsentation, der aber aus einer weißen Perspektive entstehe.[7] Der weiße Feminismus könne somit den Erfahrungen Schwarzer Frauen nur unzureichend Raum geben. So sei etwa in Teilen des weißen Feminismus ein Konzept von Familie kritisiert werden, das nicht der Erfahrung Schwarzer Frauen entspreche, die durch hohe Arbeitslosigkeit unter Schwarzen Männern beispielsweise oft nicht von ihren Ehemännern abhängig waren. Das Bild der weißen Kernfamilie der Mittelschicht, das im weißen Feminismus kritisiert werde, könne auch die oftmals komplexeren und weiteren Familienverhältnisse nicht-weißer Frauen nicht adäquat fassen. Gleiches gelte für Patriarchatstheorien, die vernachlässigten, dass auch patriarchale Herrschaftsverhältnisse von rassistischen Herrschaftsverhältnissen durchzogen seien, sodass etwa versklavte Schwarze Männer nicht im gleichen Maße wie weiße Männer patriarchale Macht ausübten.[12] Schwarze Feministinnen wie Pauli Murray bemühten sich auch früh darum, essentialistische Konzeptionen von Geschlecht zu hinterfragen und die Perspektiven von queeren und transgender Menschen zu berücksichtigen.[10]

Intersektionalität

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Das von Kimberlé Crenshaw aus der Tradition des Schwarzen Feminismus entwickelte Konzept der Intersektionalität betont, dass unterschiedliche Diskriminierungsformen häufig zusammenwirken, ohne sich einfach aufaddieren zu lassen. Die Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Frauen unterscheiden sich somit beispielsweise von den Erfahrungen weißer Frauen, aber auch von denen Schwarzer Männer. Das Konzept übte einen großen Einfluss auf die Dritte Welle der Frauenbewegung, aber auch auf die feministische Philosophie und die Critical Race Theory aus. Vorläufer der Intersektionalitätstheorie finden sich schon vor Crenshaw im Schwarzen Feminismus, etwa bei Sojourner Truth oder Ida B. Wells-Barnett.[13] Der Schwarze Feminismus hat dabei nicht nur einen Fokus auf Rassismus und Sexismus, sondern auch auf Klassismus und die Rolle von Arbeiterinnen gelegt, weil Schwarze Frauen historisch stets in unterschiedlichen Rollen ökonomisch produktive Arbeit verrichtet haben.[14]

Literatur

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Siehe auch

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Commons: Black feminism – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Lorraine Code: Encyclopedia of feminist theories. Routledge, London 2000, ISBN 0-203-28723-1.
  2. The Combahee River CollectiveTopics: Class, Feminism, Inequality, Marxism, Race Places: Americas: Monthly Review | A Black Feminist Statement. In: Monthly Review. 1. Januar 2019, abgerufen am 24. März 2021 (amerikanisches Englisch).
  3. Lorraine Code: Encyclopedia of feminist theories. Routledge, London 2000, ISBN 0-203-28723-1.
  4. Patricia Hill Collins: Black feminist thought : knowledge, consciousness, and the politics of empowerment. Rev. 10th anniversary ed Auflage. Routledge, Abingdon, Oxon 2000, ISBN 978-0-203-90005-5, S. 1–20.
  5. Ula Taylor: The Historical Evolution of Black Feminist Theory and Praxis. In: Journal of Black Studies. Band 29, Nr. 2, 1998, ISSN 0021-9347, S. 234–253, JSTOR:2668091.
  6. Helma Lutz, Maria Teresa Herrera Vivar, Linda Supik: Fokus Intersektionalität – eine Einleitung. In: Fokus Intersektionalität. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-17183-8, S. 9–30, hier: S. 12, doi:10.1007/978-3-531-92555-4_1 (springer.com [abgerufen am 27. August 2021]).
  7. a b Maureen Maisha Eggers, Sabine Mohamed: Schwarzes feministisches Denken und Handeln in Deutschland. In: Feminismen heute. transcript Verlag, 2014, ISBN 978-3-8376-2673-5, S. 57–76, doi:10.14361/transcript.9783839426739.57 (degruyter.com [abgerufen am 28. August 2021]).
  8. Duchess Harris: Black feminist politics from Kennedy to Trump. Palgrave Macmillan, Cham 2019, ISBN 978-3-319-95456-1, S. 47.
  9. Denise Bergold-Caldwell, Christine Löw, Vanessa Eileen Thompson: Schwarze Feminismen – Verflochtene Vermächtnisse, Kritische Gegenwartsanalysen, emanzipatorische Horizonte. In: Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft. Band 30, Nr. 2-2021, 14. Dezember 2021, S. 9–22, doi:10.3224/feminapolitica.v30i2.02 (budrich-journals.de [abgerufen am 17. Dezember 2021]).
  10. a b Brittney C. Cooper: Love No Limit: Towards a Black Feminist Future (In Theory). In: The Black Scholar. Band 45, Nr. 4, 2. Oktober 2015, ISSN 0006-4246, S. 7–21, doi:10.1080/00064246.2015.1080912 (tandfonline.com [abgerufen am 19. September 2021]).
  11. Rita Kaur Dhamoon: Feminisms. Oxford University Press, 12. März 2013, doi:10.1093/oxfordhb/9780199751457.013.0003 (oxfordhandbooks.com [abgerufen am 19. September 2021]).
  12. Hazel V. Carby: White woman listen! Black feminism and the boundaries of sisterhood. In: EMPIRE STRIKES BACK. Routledge, 2004, ISBN 978-0-203-63994-8, S. 211–234, doi:10.4324/9780203639948-9 (taylorfrancis.com [abgerufen am 28. August 2021]).
  13. Natalie Cisneros: Critical Race Theory, Intersectionality, and Feminist Philosophy. In: The Oxford Handbook of Feminist Philosophy. Oxford University Press, 2021, ISBN 978-0-19-062892-5, doi:10.1093/oxfordhb/9780190628925.013.41 (oxfordhandbooks.com [abgerufen am 28. August 2021]).
  14. Deborah K. King: Multiple Jeopardy, Multiple Consciousness: The Context of a Black Feminist Ideology. In: Signs. Band 14, Nr. 1, 1988, ISSN 0097-9740, S. 42–72, JSTOR:3174661.