Der Shikoku-Pilgerweg (japanisch四国八十八箇所, shikoku hachijū hakkasho; zu Deutsch etwa: „88 Orte Shikokus“) mit seinen 88 heiligen Orten ist ein wichtiger buddhistischerPilgerweg (Junrei) auf der japanischen Insel Shikoku. Er gehört zu den wichtigsten Elementen des Daishi-Glaubens (大師信仰, Daishi shinkō), in dem der buddhistische Mönch und Gründer der Shingon-shū, Kūkai (774–835), verehrt wird.
Populären Legenden zufolge soll Kūkai selbst den Pilgerweg begründet haben, wofür es aber keine historisch belegbaren Hinweise gibt. Tatsächlich dürfte sich der heutige Pilgerweg durch die Wallfahrten asketischer Mönche vom Kōya-san auf den Spuren ihres Meisters vom 12. bis Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelt haben. Die ersten schriftlichen Überlieferungen zu dem Pilgerweg in Form von Reisetagebüchern, Ratgebern und Sammlungen von Legenden stammen aus dem späten 17. Jahrhundert.
Um die Pilgerfahrt abzuschließen, muss man die Tempel nicht der Reihe nach besuchen, in einigen Fällen wird es sogar als glücklich angesehen, die Tempel in umgekehrter Folge zu besuchen. Außerdem muss der Pilgerweg auch nicht in einer Pilgerreise beendet werden. Man kann ihn durchaus zeitlich in mehreren Abschnitten gehen.
Die Pilgerreise erfolgt traditionell zu Fuß, moderne Pilger nutzen aber, besonders für die längeren Abschnitte, auch Bahnen und Busse, Autos, sowie andere Verkehrsmittel.
Die Fußstrecke ist etwa 1.200 km lang und kann 30 bis 60 Tage dauern. Diese Pilgerreise wird oft als Henro (遍路), etwa Vollständige Umrundung bezeichnet. Die Pilger werden von den Einheimischen respektvoll o-henro-san (お遍路さん) genannt, sind meist an ihren weißen Kleidern, Seggenhüten und Gehstöcken zu erkennen. Viele Henro-san beginnen und beenden ihre Pilgerreise mit einem Besuch des Kōya-san in der Präfektur Wakayama auf der japanischen Hauptinsel, ein Kloster, das durch Kūkai gegründet wurde und Hauptquartier der buddhistischen Shingon-shū ist. Oft lassen sich die Henro-san die Tempelbesuche durch ein Shuin (朱印) in ihren nōkyō-chō (納経帳) bestätigen. Die 21 km lange Pilgerstraße auf den Kōya-san existiert noch, die meisten Henro-san benutzen aber den Zug für den Weg zum Tempel.
Auf dem Pilgerweg befinden sich außerdem 20 Bangai (番外), d. h. „Extra“, also Tempel ohne eine Nummer.
Zusätzlich zum Hauptweg auf der Insel Shikoku gibt es einen „Miniatur-Pilgerweg“ auf der Insel Shōdoshima nördlich von Takamatsu. Viele solche Miniatur-Shikoku-Pilgerwege existieren in Japan, manche von ihnen sind einfach ein Stein mit Abbildungen der Hauptgottheiten jedes Tempels, andere sind recht groß und benötigen einige Stunden Fußmarsch.
Ian Reader: Legends Miracles, and Faith in Kōbō Daishi and the Shikoku Pilgrimage. In: George J. Tanabe, Jr. (Hrsg.): Religions of Japan in Practice. Princeton Readings in Religions, Princeton University Press, Princeton 1999. S. 360–369.
Ian Reader, Making Pilgrimages: Meaning and Practice in Shikoku, Honolulu: University of Hawaii Press 2005
Ryofu Pussel: Buddha-Café, Lovehotel und 88 Tempel. Meine Pilgerreise in Japan. Theseus Verlag, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89901-213-2.
Henromichi Hozon Kyoryokukai Tateki Miyazaki (Eng. Übersetzung durch David C. Moreton): Shikoku Japan 88 Route Guide. Buyudo Co. Ltd., 10. Juni 2013 (3. Edition), ISBN 978-4-8297-1058-6, Ausführliches Karten- und Routenbuch (englisch)
Tateki Miyazaki (Eng. Übersetzung durch David C. Moreton): Visiting the Sacred Sites of Kūkai. Buyudo Co. Ltd., 19. Dezember 2011, ISBN 978-4-8297-1055-5, Ratgeber (englisch)