Shor-Algorithmus

effizientes Faktorisierungsverfahren auf einem Quantencomputer
(Weitergeleitet von Shorscher Algorithmus)
Dies ist die gesichtete Version, die am 25. September 2024 markiert wurde. Es existiert 1 ausstehende Änderung, die noch gesichtet werden muss.

Der Shor-Algorithmus ist ein Algorithmus aus dem mathematischen Teilgebiet der Restklassenringe innerhalb der Zahlentheorie, der Mittel der Quanteninformatik benutzt. Er berechnet einen nichttrivialen Teiler einer zusammengesetzten Zahl und zählt somit zur Klasse der Faktorisierungsverfahren. Er ist einer der wichtigsten Quantenalgorithmen.

Für praktisch relevante Aufgabenstellungen ist der Shor-Algorithmus noch nicht anwendbar, da bisher (Stand 2020) keine hinreichend großen und fehlerarmen Quantencomputer zur Verfügung stehen. Um eine Zahl mit Binärstellen (d. h., ) zu faktorisieren, benötigt ein Quantencomputer ein Quantenregister, dessen Größe mindestens linear mit der Zahl der Binärstellen wächst. Der ursprüngliche Algorithmus von Shor benötigt 3N Qubits, die beste bekannte Variante kommt mit 2N+3 Qubits aus.[1] Diese Zahlen gelten für einen idealen (fehlerfreien) Quantencomputer. In der Praxis ist es nötig, Quantenfehlerkorrekturverfahren zu verwenden. Dann werden um einen (großen, aber in N konstanten) Faktor M mehr physische Qubits benötigt, wobei M sehr stark von der Fehlerrate und dem verwendeten Fehlerkorrekturcode abhängt. Man schätzt, dass für eine 2048-bit-Zahl 10 bis 100 Millionen Qubits benötigt werden[1] (im fehlerfreien Fall wären es nur einige tausend). Eine Forschungsgruppe des US-amerikanischen Unternehmens IBM hat beispielsweise im Jahr 2001 einen Quantencomputer mit sieben Qubits eingesetzt, um die Zahl 15 in die Faktoren 5 und 3 zu zerlegen.[2]

Der Shor-Algorithmus ist für die Kryptographie sehr bedeutend, weil er einen nichttrivialen Teiler essenziell schneller findet als klassische Algorithmen: Während diese subexponentielle, jedoch deutlich höher als polynomielle Laufzeit benötigen, hat der Shor-Algorithmus nur polynomielle Laufzeit. Dies stellt beispielsweise eine Gefahr für die häufig zur verschlüsselten Datenübertragung verwendeten RSA-Kryptosysteme dar, deren Sicherheit gerade auf der Annahme beruht, dass kein Faktorisierungsverfahren mit polynomieller Laufzeit existiert.

Der Algorithmus wurde 1994 von Peter Shor veröffentlicht, der damals bei den AT&T Bell Laboratories beschäftigt war. Die Arbeit trägt den Titel Polynomial-Time Algorithms for Prime Factorization and Discrete Logarithms on a Quantum Computer.[3] Darin wird auch noch ein zweiter Algorithmus zur Berechnung des diskreten Logarithmus beschrieben, der ebenfalls als Shor-Algorithmus bezeichnet wird. Im Allgemeinen wird diese Bezeichnung jedoch für das Faktorisierungsverfahren verwendet.

Eigenschaften

Bearbeiten

Der Shor-Algorithmus ist ein probabilistischer Algorithmus. In einigen, je nach Anzahl der Wiederholungen beliebig wenigen, Fällen führt er zu keinem Ergebnis; der Algorithmus zählt somit zur Klasse der Monte-Carlo-Algorithmen.

  • Eingabe: Eine zusammengesetzte Zahl  .
  • Ausgabe: Ein nichttrivialer Faktor von  .
  • Laufzeit:   Gatteroperationen.

Zahlentheoretischer Hintergrund

Bearbeiten

Der Algorithmus von Shor ist eine für Quantencomputer angepasste Version eines Algorithmus für Primzahltests von M. O. Rabin (1976), bei der die Faktorisierung einer Zahl auf die Bestimmung der Ordnung in   zurückgeführt wird (siehe Miller-Rabin-Test).

Die grundlegende Idee ist, dass man die Faktorisierung auf die Bestimmung der Ordnung zurückführen kann. Diese Bestimmung lässt sich mit Hilfe der Quanten-Fouriertransformation effektiv durchführen. Man teilt den Algorithmus deshalb häufig in einen klassischen Teil zur Reduzierung des Problems und einen Quantenteil, der das Restproblem effizient löst.

Klassischer Teil

Bearbeiten
  1. Wähle eine Zahl   mit  .
  2. Bestimme den   (ggT bezeichnet den größten gemeinsamen Teiler, der z. B. mittels des Euklidischen Algorithmus berechnet werden kann). Falls das Ergebnis ungleich 1 ist, gib dies als Lösung zurück und terminiere. Sonst fahre mit dem nächsten Schritt fort.
  3. Bestimme mit Hilfe des Quantenteils (s. u.) die Ordnung   von   in der primen Restklassengruppe  , d. h. das kleinste  , so dass  . Schritt 2 stellte sicher, dass ein solches   existiert.
  4. Beginne erneut bei 1, falls:
    1.   ungerade ist, oder
    2.  .
  5. Gib   als Lösung zurück.

Lösung im letzten Schritt

Bearbeiten

Betrachte das Produkt ( ) · ( ) =  . Wir wissen:

  •  ,     wegen Schritt 3,
  •  ,     wegen Schritt 4, und
  •  ,     wegen Schritt 3, da   die kleinste Zahl mit   ist und   gilt.

Aus alldem zusammen folgt, dass   nichttriviale Teiler von   enthält; der euklidische Algorithmus zur Berechnung des   liefert diese Teiler in Polynomialzeit.

Anzahl Iterationen für die Teilerfindung

Bearbeiten

Die Wahrscheinlichkeit, bei zufälliger Wahl von   keinen Teiler zu erhalten, beträgt maximal  , wobei   die Anzahl voneinander verschiedener Primfaktoren von   (außer 2) ist. Bei einer aus nur zwei Primfaktoren zusammengesetzten Zahl (worst case) erhält man pro Durchgang mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/2 eine Lösung, nach   Durchgängen immer noch keinen Erfolg zu haben, hat die Wahrscheinlichkeit  .

Quantenteil

Bearbeiten
  1. Bestimme   als Potenz von 2 mit  .
  2. Initialisiere das erste Quantenregister (Eingaberegister) mit der Superposition (siehe Qubit) aller Zustände   (  ist eine Zahl kleiner als  ).
    Dies führt in den Zustand:
     .
  3. Initialisiere das zweite Register (Ausgaberegister) mit der Superposition der Zustände  .
    Das Ergebnis ist der Zustand:
     .
  4. Führe auf dem ersten Register die Quanten-Fouriertransformation durch, wobei
     ,
    so dass sich ergibt:
     .
  5. Führe eine Messung durch (entnimm den Inhalt der Register). Die Wahrscheinlichkeit für den Zustand   mit   ergibt sich zu:
     .
    Hierfür gilt die Beziehung   bzw.  , sodass wir schreiben können:
     .
    Diese diskrete Funktion verfügt durch Amplifikation über charakteristische Maxima für Werte einer Variablen  , die die Beziehung
     
    erfüllen. Es lässt sich zeigen, dass es für die angegebenen Beziehungen von   und   höchstens einen solchen Wert bei festem   gibt.
    Damit lässt sich   berechnen, falls   und   teilerfremd sind.
    Die Wahrscheinlichkeit für diesen Fall beträgt mindestens   oder  , das heißt, wir erhalten   mit hoher Wahrscheinlichkeit nach   Wiederholungen.
  6. Gib den berechneten Wert   zurück, wenn er tatsächlich die Ordnung von   ist, ansonsten wiederhole das Experiment.

Literatur

Bearbeiten
  • M. Homeister: Quantum Computing verstehen. 5. Auflage. Springer Vieweg, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-22883-5, S. 223 ff.
  • B. Lenze: Mathematik und Quantum Computing. 2. Auflage. Logos Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-8325-4716-5, S. 89 ff.
  • R. J. Lipton, K. W. Regan: Quantum Algorithms via Linear Algebra: A Primer. MIT Press, Cambridge 2014, ISBN 978-0-262-02839-4, S. 97 ff. (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • M. A. Nielsen, I. L. Chuang: Quantum Computation and Quantum Information. Cambridge University Press, Cambridge 2010, ISBN 978-1-107-00217-3, S. 234 ff. (englisch, wordpress.com [PDF]).
  • W. Scherer: Mathematik der Quanteninformatik. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-49079-2, S. 206 ff.
  • C. P. Williams: Explorations in Quantum Computing. 2. Auflage. Springer-Verlag, London 2011, ISBN 978-1-84628-886-9, S. 272 ff. (englisch).
  • IBM Research Division: IBM’s Test-Tube Quantum Computer Makes History; First Demonstration Of Shor’s Historic Factoring Algorithm. ScienceDaily, 20. Dezember 2001 (englisch, sciencedaily.com [abgerufen am 8. Juli 2021]).
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Craig Gidney, Martin Ekerå: How to factor 2048 bit RSA integers in 8 hours using 20 million noisy qubits. In: Quantum. Band 5, 23. Mai 2019, S. 433, Tabellen 1 und 2, doi:10.22331/q-2021-04-15-433, arxiv:1905.09749 (englisch).
  2. Lieven Vandersypen, Matthias Steffen, Gregory Breyta, Costantino S. Yannoni, Mark H. Sherwood und Isaac L. Chuang: Experimental realization of an order-finding algorithm with an NMR quantum computer. In: Nature. 414/2001, S. 883–887, doi:10.1038/414883a
  3. Peter W. Shor: Polynomial-Time Algorithms for Prime Factorization and Discrete Logarithms on a Quantum Computer. In: SIAM Journal on Computing. 26/1997, S. 1484–1509, arxiv:quant-ph/9508027