Siegfried Leffler

nationalsozialistischer Theologe

Siegfried Leffler (* 21. November 1900 in Azendorf; † 10. November 1983 in Hengersberg) war ein protestantischer Theologe und ein Hauptvertreter des radikalen Thüringer Flügels der Deutschen Christen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Leffler war als Student Mitglied der Deutschen Gildenschaft. 1923/24 unterbrach er sein Theologiestudium, um als Präfekt und Turnlehrer am Progymnasium in Windsbach tätig zu sein. Bereits in dieser Zeit wollte er „mithelfen an Deutschlands Erneuerung“ und war ihm „jegliche Gleichgültigkeit in vaterländischen Dingen verhaßt und verpönt“.[1] 1925 begann Leffler sein Vikariat an der evangelisch-lutherischen St.-Ulrichs-Kirche in Augsburg. Hier lernte Leffler seinen langjährigen Weggefährten Julius Leutheuser kennen, der zeitgleich als Vikar an der Annenkirche wirkte.[2]

Gemeinsam mit Leutheuser verließ Leffler 1927 die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und ging nach Thüringen,[3] wo sie sich mehr Aufgeschlossenheit für ihre völkischen Ideen erhofften. Die beiden Freunde heirateten zwei Schwestern und wurden Pfarrer zweier benachbarter Pfarrsprengel im ländlich geprägten Wieratal bei Altenburg, Leffler in Niederwiera, Leutheuser in Flemmingen.

Schon 1928 gründeten sie einen Nationalsozialistischen Pfarrer- und Lehrerkreis. Laienspielkreise, „völkisches Schrifttumstudium“, Jugendabende, „deutsche Volksabende“ sollten dem Ziel dienen, eine breite völkisch-christliche Bewegung ins Leben zu rufen. Im Februar 1930 gehörten sie zu den Gründern der ersten Ortsgruppe der NSDAP im Wieratal, die am 24. Mai eine Saalschlacht in Langenleuba-Niederhain anzettelte. Leffler war zum 1. Juni 1929 der Partei beigetreten (Mitgliedsnummer 138.841).[4] Bei den Kirchenwahlen im November 1931 benutzten sie erstmals den Namen Deutsche Christen, und im Juli 1932 begann Leffler die Herausgabe der Zeitschrift Briefe an Deutsche Christen sowie eines eigenen Verlagsprogramms. Das Programm dieser später als Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen bekannten Gruppe war die Schaffung einer überkonfessionellen Nationalkirche im Sinne des Nationalsozialismus. 1937 wurde Leffler Reichsleiter dieser Bewegung.

Am 1. Juni 1933 ließ er sich aus dem Kirchendienst beurlauben und wurde Oberregierungsrat im thüringischen Volksbildungsministerium in Weimar. Er beantragte jedoch sogleich mit Erfolg, weiterhin kirchliche Amtshandlungen vornehmen zu dürfen.[5]

Leffler gehörte zu den treibenden Kräften, die hinter der Einrichtung des Instituts zur Erforschung jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben in Eisenach standen, das im Auftrag der am Institut beteiligten evangelischen Landeskirchen die „Entjudung“ der Bibel, der Liturgie und Frömmigkeit sowie der theologischen Ausbildung betrieb.[6] Bei der Gründung 1939 wurde er dessen Leiter, während Walter Grundmann die „wissenschaftliche Leitung“ übernahm. An diesen kirchlichen „Irrweg“, den die Institutsgründung darstellte, erinnert heute ein Mahnmal in Eisenach.[7]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Leffler von 1945 bis 1948 im Lager Ludwigsburg interniert.[8] Anschließend kehrte er in den Dienst der bayerischen evangelischen Landeskirche zurück und wurde, nachdem er ein Schuldbekenntnis abgelegt hatte, zunächst Vikar in Iggensbach im Landkreis Deggendorf.[8] 1949 wurde er der erste Pfarrer der neu gegründeten Friedenskirche in Hengersberg und blieb dies bis zu seiner Pensionierung 1970. Ein Jahr später wurde ihm die Ehrenbürgerwürde des Ortes verliehen.

  • Nordlandfahrt. Bärenreiter-Verlag, Augsburg 1925.
  • (Mit Albrecht Meyen): Der Gedankenkreis der Deutsch-Akademischen Gildenschaft. Bärenreiter-Verlag, Augsburg(-Aumühle) 1925.
  • Christus im Dritten Reich der Deutschen. Wesen, Weg und Ziel der Kirchenbewegung Deutsche Christen. Verlag Deutsche Christen, Weimar 1935.
  • Kirche, Christentum, Bolschewismus. Verlag Deutsche Christen, Weimar 1936.
  • Weltkirche oder Nationalkirche? Verlag Deutsche Christen, Weimar 1937.
  • Unser Weg. Verlag Deutsche Christen, Weimar 1938.
  • Über Deutschland sollen die Sterne stehen! Verlag Deutsche Christen, Weimar 1939.

Literatur

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  • Oliver Arnhold: „Entjudung“ – Kirche im Abgrund. Bd. I: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939 (ISBN 978-3-938435-00-7), Bd. II: Das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ 1939–1945 (ISBN 978-3-938435-01-4), Studien zu Kirche und Israel, Band 25/1 und Band 25/2, Institut Kirche und Judentum an der Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 2010.
  • Susanne Böhm: Deutsche Christen in der Thüringer evangelischen Kirche (1927–1945). Leipzig 2008, ISBN 978-3-374-02614-2.
  • Ernst Koch: Thüringer Wege im „Dritten Reich“. In: Thüringer Gratwanderungen (Herbergen der Christenheit, Sonderband 3), Leipzig 1998, S. 80–93.
  • Kurt Meier: Kreuz und Hakenkreuz: Die evangelische Kirche im Dritten Reich. DTB, München 1992.
  • Carsten Nicolaisen: Leffler, Siegfried, in: RGG, 4. Auflage, Bd. 5, Sp. 175.
  • Anja Rinnen: Kirchenmann und Nationalsozialist: Siegfried Lefflers ideelle Verschmelzung von Kirche und Drittem Reich (= Forum zur Pädagogik und Didaktik der Religion, Bd. 9; zugl.: Duisburg, Univ., Diss., 1994, unter dem Titel: „Wir wollten geistliche Offiziere werden …“). Dt. Studien-Verlag, Weinheim 1995, ISBN 3-89271-533-5.
  • Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hrsg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen. Arnoldshainer Texte, Band 85, Haag + Herchen Verlag, ISBN 3-86137-187-1.
  • Hans-Joachim Sonne: Die politische Theologie der Deutschen Christen (Göttinger Theologische Arbeiten 21). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1982, ISBN 3-525-87372-7.
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Einzelnachweise

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  1. Aus den unveröffentlichten Erinnerungen. Zitiert bei: Björn Mensing: Pfarrer und Nationalsozialismus. Geschichte einer Verstrickung am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (= AKIZ.B 26). Göttingen 1998, S. 32 f.
  2. Björn Mensing: Pfarrer und Nationalsozialismus. Geschichte einer Verstrickung am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (= AKIZ.B 26). Göttingen 1998, S. 39f., 265f.
  3. Rita Thalmann: Protestantisme et National-socialisme: les débuts des „Chrétiens allemands“. In: Revue d’histoire moderne et contemporaine 12, Heft 4 (1954), Oktober–Dezember 1965, S. 287–308, hier S. 291.
  4. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/25161457
  5. Ernst Koch: Thüringer Wege, S. 81
  6. Oliver Arnhold: „Entjudung“ – Kirche im Abgrund, Bd. 2. Das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des Jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ 1939–1945 (Studien zu Kirche und Israel 25/2), Berlin 2010, S. 475–499.
  7. Katja Schmidberger: Mahnmal in Eisenach als Lernort und Ort der Umkehr. In: Thüringische Landeszeitung, 7. Mai 2019 (abgerufen am 29. Juni 2019).
  8. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 361.