Sigrid Hunke

deutsche Religionswissenschaftlerin und Germanistin

Sigrid Hunke (* 26. April 1913 in Kiel; † 15. Juni 1999 in Hamburg) war eine deutsche Religionswissenschaftlerin, Germanistin und Vertreterin eines unitarischen Neopaganismus.[1] Hunke gilt als Kritikerin des Christentums bei gleichzeitiger Bewunderung für den Islam und das Arabertum sowie als Vordenkerin der Neuen Rechten.

Sigrid Hunke war eine Tochter von Heinrich Hunke (1879–1953), Inhaber des Walter G. Mühlau Verlages, und dessen Ehefrau Hildegard Lau (* 19. September 1879 in Schöneberg; † 20. Februar 1944 in Bad Hersfeld). Die Mutter war eine Tochter des Ingenieurs Thies Peter Lau (1844–1933) und dessen Ehefrau Walewska Berta Anna, geborene Artelt (1856–1943). Hunke hatte zwei Schwestern, darunter Waltraud Hunke, die später die väterliche Buchhandlung übernahm.[2]

Hunke studierte systematische und vergleichende Religionswissenschaften, Philosophie, Psychologie und Journalismus in Kiel, Freiburg und Berlin, unter anderem bei Martin Heidegger und Eduard Spranger. Laut eigenen Angaben begann sie ihre „politische Arbeit“ 1934 beim Nationalsozialistischen Studentenbund (NSDStB).[3] Sie war auf lokaler Ebene und ab 1936 bei der Berliner Gaustudentenführung führendes Mitglied des NSDStB. Am 16. November 1937 beantragte Hunke die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.379.618).[4]

An der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin wurde sie bei dem einflussreichen Rassentheoretiker des Dritten Reichs Ludwig Ferdinand Clauß mit einer Dissertation über Herkunft und Wirkung fremder Vorbilder auf den deutschen Menschen 1941 promoviert. 1940 bis 1941 war sie zusammen mit ihrer Schwester Waltraud im „Germanischen Wissenschaftseinsatz“ auf der Suche nach Freiwilligen für die Waffen-SS tätig; sie bewarb sich 1940 um ein Forschungsstipendium über „Rasse und Vorbild in Deutschland“ bei der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe[3] und veröffentlichte in dessen Zeitschrift Germanien.

Das Christentum wurde von ihr als „artfremd“ und „orientalistisch“ bzw. „jüdisch“ abgelehnt; sie suchte nach eigenen europäischen Weltdeutungsmustern und germanischer Mystik. Nach der Eheschließung mit dem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS (SD) Peter H. Schulze 1942 lebte sie bis 1944 in Tanger, damals Spanisch-Marokko, wohin Schulze abgeordnet worden war.[5] Dort wurde ihr Sohn Hagen Schulze geboren. Zuletzt lebte sie als freie Schriftstellerin in Bonn. Bekannt wurde sie insbesondere durch ihr Werk Allahs Sonne über dem Abendland, das 1960 erschien und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Für dieses Buch ehrte sie der Oberste Rat für islamische Angelegenheiten in Kairo, dessen Mitglied sie wurde.

In den 1950er Jahren trat sie der Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft bei, deren Vizepräsidentin sie von 1971 bis 1983 war. Später wurde sie auch Ehrenvorsitzende der Deutschen Unitarier. Sie verließ diese dann jedoch wegen angeblicher „Linkstendenzen“ und trat dem Bund Deutscher Unitarier – Religionsgemeinschaft europäischen Geistes (BDU) bei, der sich 1989 von den Deutschen Unitariern abgespalten hat und die Zeitschrift Glauben und Wirken herausgibt.

Ab 1986 war Hunke ständige Mitarbeiterin im Thule-Seminar.[6] Laut Felix Wiedemann war sie auch Mitglied dieser rechtsextremen Vereinigung.[7] Sie publizierte auch in Elemente zur Metapolitik, der Zeitschrift des Thule-Seminars.

Bis zu ihrem Tod war sie zudem Kuratoriumsvorsitzende der Sigrid-Hunke-Gesellschaft e. V.

Gemäß dem Historiker Felix Wiedemann war Hunke Vorreiterin für die Religionsentwürfe rechtsintellektueller Kreise der „Neuen Rechten“. Sie beeinflusste maßgeblich Alain de Benoist und die französische Nouvelle Droite.[8] Hunke habe durch ihre Konstruktion eines „angeblich ureuropäischen Paganismus“ und ihrer „dezidiert proarabischen Haltung“ auf einen Teil der sogenannten „Neuen Rechten“ eingewirkt.[3] So behaupte Hunke als neurechte Vordenkerin, dass die Aufklärung ein uneuropäischer „Fremdkörper“ sei, der bekämpft werden müsste.[9]

In Bezug auf die Rolle der „Nordischen Frau“ in der Gesellschaft ist Hunke laut der Psychologin Birgit Rommelspacher eine einflussreiche Theoretikerin der „Neuen Rechten“.[10] Für die Theologin Marie-Theres Wacker war Hunke „die profilierteste deutschsprachige Vertreterin der Neuen Rechten“.[11]

Pierre Krebs, selbst Vordenker der „Neuen Rechten“ in Deutschland und Gründer des Thule-Seminars, hob die identitätspolitischen Arbeiten seiner Kollegin Hunke hervor und nannte sie eine „Zauberin des Lebens, als heilige Bewahrerin der Identität, der Herkunft und des Erbes“.[12]

Auszeichnungen und Ehrungen

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  • Schulungsbrief „Rassenseelenkunde“, 1935
  • Herkunft und Wirkung fremder Vorbilder auf den deutschen Menschen, Dissertation Berlin 1941
  • Am Anfang waren Mann und Frau. Vorbilder und Wandlungen der Geschlechterbeziehungen, Hamm 1955
  • Allahs Sonne über dem Abendland – Unser arabisches Erbe, Stuttgart 1960 (Taschenbuchausgabe: Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-596-15088-4)
  • Das Reich ist tot – es lebe Europa. Eine europäische Ethik, Hannover 1965
  • Europas andere Religion. Die Überwindung der religiösen Krise, Düsseldorf 1969
  • Das Ende des Zwiespalts. Diagnose und Therapie einer kranken Gesellschaft, Bergisch Gladbach 1971
  • Das nach-kommunistische Manifest. Der dialektische Unitarismus als Alternative, Stuttgart 1974
  • Kamele auf dem Kaisermantel. Deutsch-arabische Begegnungen seit Karl dem Großen, Stuttgart 1976
  • Glauben und Wissen. Die Einheit europäischer Religion und Naturwissenschaft, Düsseldorf 1979
  • Europas eigene Religion. Der Glaube der Ketzer, Bergisch Gladbach 1983
  • Tod – was ist dein Sinn?, Pfullingen 1986
  • Vom Untergang des Abendlandes zum Aufgang Europas. Bewußtseinswandel und Zukunftsperspektiven, Rosenheim 1989
  • Allah ist ganz anders. Enthüllung von 1001 Vorurteilen über die Araber, Bad König 1990 (siehe auch: Saladin)
Aufsätze
  • Verstehen, in: Rasse. Monatsschrift der Nordischen Bewegung, 1936, S. 86–91.
  • Das dualistische Vorbild Europas, in: Philosophisches Wörterbuch, hrsg. v. G. Schischkoff, Stuttgart 1965.
  • Die Zukunft unseres unvergänglichen Erbes in Mann und Frau, in: Elemente zur Metapolitik, 2. Ausgabe (Juni/Sept.), 1987, S. 27–34.

Literatur

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  • Renate Bitzan: Rechter Geist aus Frauenfedern. Beiträge von Frauen in rechtsextremen Zeitschriften 1985–93. 1994.
  • Horst Junginger: Sigrid Hunke. Europe’s New Religion and its Old Stereotypes. In: Hubert Cancik, Uwe Puschner (Hrsg.): Antisemitismus, Paganismus, Völkische Religion. Anti-semitism, paganism, voelkish religion. Saur, München 2004, S. 151–163. ISBN 3-598-11458-3.
  • Jens Mecklenburg (Hrsg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus. Elefanten Press, Berlin 1996. ISBN 3-88520-585-8.
  • Stefanie von Schnurbein: Weiblichkeitskonzeptionen im neugermanischen Heidentum und in der feministischen Spiritualität, in: Fanitfa Marburg (Hrsg.), Kameradinnen. Frauen stricken am braunen Netz, Unrast, Münster 1995, S. 113–136. ISBN 3-928300-25-3.
  • Miro Jennerjahn: Neue Rechte und Heidentum. Zur Funktionalität eines ideologischen Konstrukts. Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXI Politikwissenschaft, Band 525; Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-631-54826-5 (zugl. Diplomarbeit, Freie Universität Berlin 2005).
  • Felix Wiedemann: Rassenmutter und Rebellin. Hexenbilder in Romantik, völkischer Bewegung, Neuheidentum und Feminismus. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, ISBN 3-8260-3679-4, S. 188ff (zugl. Dissertation, Freie Universität Berlin 2006).
  • Ders.: Hunke, Sigrid. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 2/1: Personen A–K. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 390 f.
  • Stephanie Dewor: Selbstbild rechter Frauen. Pia Sophie Rogge-Börner & Dr. Sigrid Hunke – Rechte Ideologinnen und Frauenrechtlerinnen des 20. Jahrhunderts, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2012, ISBN 978-3-8300-6363-6.
  • Marco Ebert: „Nach dem Untergang. Transformation der völkisch-rassistischen Ideologie in der Bundesrepublik am Beispiel Sigrid Hunke“. In: Vojin Saša Vukadinović (Hg.), Rassismus. Von der frühen Bundesrepublik bis zur Gegenwart. Oldenbourg De Gruyter, Berlin 2023, ISBN 978-3-11-070272-9, S. 123–144.
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Einzelnachweise

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  1. vgl. Horst Junginger: Sigrid Hunke: Europe's New Religion and its Old Stereotypes
  2. Friedrich Schmidt-Sibeth: Hunke, Heinrich. in: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Wachholtz, Neumünster 1982–2011. Bd. 9 – 1991. ISBN 3-529-02649-2, Seite 154.
  3. a b c Wolfgang Benz, Brigitte Mihok, Band 2 von Handbuch des Antisemitismus: Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Walter de Gruyter 2010, S. 390
  4. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/17420971
  5. Sigrid Hunke im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  6. Kerstin Hammann: Frauen im rechtsextremen Spektrum: Analysen und Prävention, VAS, 2002, S. 52.
  7. Felix Wiedemann: Rassenmutter und Rebellin: Hexenbilder in Romantik, völkischer Bewegung, Neuheidentum und Feminismus, Königshausen & Neumann, 2007, S. 189.
  8. Felix Wiedemann, Das Verhältnis der extremen Rechten zur Religion, In: Fabian Virchow, Martin Langebach, Alexander Häusler, Handbuch Rechtsextremismus, Springer Verlag 2016, S. 518
  9. Karl-Heinz Baum im Gespräch mit Rechtsextremismus-Experten Miro Jennerjahn, Verbrämter Antisemitismus, In: Die Neue Gesellschaft. Frankfurter Hefte, Heft 10, 2007, S. 17
  10. Birgit Rommelspacher, Das Geschlechterverhältnis im Rechtsextremismus, In: Wilfried Schubarth, Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland: Eine Bilanz, Springer Verlag 2013, S. 215
  11. Marie-Theres Wacker, Von Göttinnen, Göttern und dem einzigen Gott: Studien zum biblischen Monotheismus aus feministisch-theologischer Sicht, LIT-Verlag 2004, S. 82
  12. elemente, Juni/Sept. 1987, Nr. 3, S. 2.