Simandl (Sage)

bayerisch-österreichischer Ausdruck für Pantoffelheld

Simandl ist ein scherzhafter bayrisch-österreichischer Ausdruck zur Bezeichnung eines unter dem Pantoffel stehenden, d. h. sich der Hausherrin unterordnenden Ehegatten.

Herkunft

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Simandl ist ein Diminutiv von Siemann: weibischer Mann, Pantoffelheld. Siemann wurde zuweilen auch als Eigenname behandelt, wodurch es zu einer Vermischung mit dem Vornamen Simon kam (von hebr. Simeon, häufig gedeutet als der [Gott] Erhörende, dann auch als der Gehorchende).

Belege finden sich bereits im Mittelhochdeutschen[1] und Mittelniederdeutschen (seman, seemann).[2]

Historische Bedeutungen und Synonyme

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In der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts war das Wort sehr verbreitet (gelegentlich auch: Siman, Syman; sowie das Synonym Weibling), allerdings in zwei gegensätzlichen Bedeutungen: „weibischer Mann“ – bei Martin Luther u. a. zunächst auch „Frauenmann“ (frawenman) – und „männliche Frau, Hausdrachen“, Letzteres auch als sie-männin. Die erste Bedeutung setzte sich schließlich durch. In der bayrischen Mundart gibt es dazu auch das Gegenstück Erwei(b).

Literaturgeschichte und weitere Einflüsse

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Satirische Ehetexte sind schon seit dem Mittelalter belegt, etwa Daz buoch von dem übeln wîbe aus dem 13. Jahrhundert. Als klischeehafte literarische Figur erscheint der Siemann möglicherweise erstmals in dem Nürnberger Gedicht Ein schöne Historie, wie ein junger Gesell weiben soll von 1515.[3] Er ist und bleibt – in beiden Bedeutungen – seit dem frühen 16. Jahrhundert in Moralpredigten (Luther u. a.; später auch Abraham a Santa Clara), Bilderbogengeschichten, Sangsprüchen (Hans Sachs), Sprichwörtern und Traktaten vielfach präsent. In Schwänken, Fastnachtsspielen und Volksstücken (etwa bei Wolfgang Schmeltzl[4], Hans Sachs, Adam Schubart u. a.) wird er bald zu einem tragenden Charakter und zur Lieblingsfigur des Volkswitzes; er wird häufig auch als „Bruder/Meister/Doctor Siman“ apostrophiert.

In der Bedeutung „dominante Frau“ (A Schubart 1565: hauszteuffel; als Typus besonders ausgeprägt auch in Johann Sommers Ehesatire Malus Mulier, 1608) spielt möglicherweise auch der althochdeutsche Rufname Siguman (= Sieg + Mann) eine Rolle.[5] Im neutestamentlichen Verständnis des Namens hat auch ein griechischer Ursprung (von gr. simós stupsnasig) mitgewirkt. Auch im Englischen ist beim Vor- und Nachnamen Simon ein ähnlicher Vorgang festzustellen: „In Britain there was also confusion from an early date with Anglo-Scandinavian forms of Sigmund […], a name whose popularity was reinforced at the Conquest by the Norman form Simund. This confusion is also found in other languages, e.g. Italian.“[6]

Aus der Bedeutung „Siemann = Pantoffelheld“ wird schließlich der süddeutsche Diminutiv Simandl (als Nachname in etlichen Varianten) und findet Eingang in die Bühnenwerke von heute noch allgemein bekannten Dramatikern wie Nestroy und Anzengruber. Simandl ist aber auch eine altbayrische Koseform für Simon; dies wird volksetymologisch ebenfalls zur Worterklärung herangezogen.

Simandlbruderschaften

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1517 gründete Siegmund von Dietrichstein – Landeshauptmann im Herzogtum Steiermark und Statthalter der innerösterreichischen Lande – eine Bruderschaft, deren Ziel Mäßigung war und die Simandl-Bruderschaft genannt wurde.[7] In der Folge kam es vor allem in Wien und Niederösterreich zur Gründung zahlreicher Simandl-Bruderschaften (und als St. Simon-Gesellschaft sogar in Paris!)[8] mit humoristisch-parodistischen Statuten; sie stellten auch satirische Simandlbriefe zur Ermahnung ihrer Mitglieder aus. Ihren Hauptsitz hatten sie schließlich in Krems (urkundlich 1747).[9][10] Die Kremser Bruderschaft hielt sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Im Vormärz gab es davon bereits eine Unzahl. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschienen zwei Schriften (Geschichte und Statuten der weltberühmten Simandl-Bruderschaft und Neue Gesetzordnung für Übertreter häuslicher Pflichten). Die erste davon wurde als Simandl-Patent bezeichnet und beschäftigte die Zensurbehörden ausgiebigst.[11] Die zweite arbeitete ihr entgegen und zeigte wohlgemeinte moralische Tendenzen. Dennoch wurde sie ebenso wie die erste verboten oder zumindest in ihrer Verbreitung stark eingeschränkt. Außerdem dekretierte Kaiser Franz: Wenn die Simandl-Bruderschaft wirklich bestehe, so müsse ihr, nachdem alle was immer für einen Namen habenden Verbrüderungen verboten sind, ein Ende gemacht werden.[12]

 
Der Simandlbrunnen in Krems an der Donau

Volksetymologische Umdeutungen[13] führten schließlich zur Entstehung von Volkssagen: In Krems wurde der Name von einem Simon Handl hergeleitet, der von seiner Frau besonders arg misshandelt worden sein soll, worauf er sich mit Leidensgenossen zur Simandl-Bruderschaft zusammengeschlossen habe. Seither treffe sich diese Gesellschaft jedes Jahr am Simonimarkttage (28. Oktober) und bringe von dort ihren Frauen reiche Geschenke mit, um sich dadurch von weiteren Misshandlungen freizukaufen.

Einer zweiten Version gemäß hätten sich die Kremserinnen 1619 bei einer Belagerung durch die böhmischen Aufständischen als tapferer und erfolgreicher erwiesen als die Männer; die Frauen hätten daraufhin voll Hohn die Simandl-Bruderschaft für ihre Männer gegründet, um sich dadurch die weibliche Vorherrschaft auf Dauer zu sichern.[14]

Dies widerspricht natürlich eklatant dem Umstand, dass in Krems zum angeblich 400. Gründungstag der Simandlbrunnen errichtet wurde: Er zeigt einen Mann, der flehend vor seiner Frau kniet.[15] Ähnliche Brunnen gibt es auch in anderen niederösterreichischen Orten.

Eine dritte Version ist die Legende von sieben kleinwüchsigen Brüdern („sim Mandln“ = sieben kleine Männer), die sich zur ersten Simandl-Bruderschaft zusammengeschlossen hätten und so zum Kern einer großen Männergesellschaft wurden, um einander zu ermutigen, zu trösten und zur Geduld zu ermahnen.[16]

Einzelnachweise

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  1. Siehe Lexers mhd. Handwörterbuch.
    Simon. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch.
  2. Gustav Goedel: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache. Kiel & Leipzig 1902
  3. Nikola Rossbach: [http://www.nikola-rossbach.de/?forschung:aufs%E4tze Der Frau, die Mann. Geschlechterverrückungen in den Malus Mulier-Texten des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Gaby Pailer, Franziska Schößler (Hrsg.): GeschlechterSpiel-Räume: Dramatik, Theater, Performance und Gender. Rodopi, Amsterdam, New York, 2011, S. 283–296
  4. Comoedia der Hochzeit Cana Galilee, 1543: „Preütigam zu Symon: Do setzt dich zu den weibern her Du fügst dich nur gar wol zu jn Ir weiber nembt den Symon hin Vnd wart jm nur gar vleissig auß So lest er euch sein herr im hauß“
  5. [1]@1@2Vorlage:Toter Link/www.deutsche-nachnamen.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. siehe Siemen, Siemens, u. a.: Siman (um 900), Syman (1450/51)
  6. The Oxford Names Companion, Oxford University Press 2002
  7. [2] Friedrich Wilhelm Schembor, Meinungsbeeinflussung durch Zensur und Druckförderung in der Napoleonischen Zeit, Habsburg digital, Band 1, S. 89
  8. Die St. Simon-Gesellschaft zu Paris. In: Polytechnisches Journal. 39, 1831, Miszelle 36, S. 236.
  9. [3] Das neue AEIOU-Österreich-Lexikon
  10. [4] Constant von Wurzbach, Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort – Sprach- und sittengeschichtliche Aphorismen, Teil 2
  11. Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.): Kasperls komische Erben. 2001, Anm. 64,36.
  12. Friedrich Wilhelm Schembor: Meinungsbeeinflussung durch Zensur und Druckförderung in der Napoleonischen Zeit. Habsburg digital, Band 1, S. 89
  13. Karl Gustaf Andresen: Ueber deutsche Volksetymologie. Heilbronn a/N., 1883, S. 71
  14. Hans Plöckinger: Sagen der Wachau. Krems a. D. 1926
  15. Stadtrundgang – Simandlbrunnen, Untere Landstraße, Wegscheid. (Memento des Originals vom 16. Januar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.krems.gv.at Website der Gemeinde Krems, abgerufen am 14. September 2015.
  16. Karl Friedrich Wilhelm Wander: Siemanndelbruderschaft. In: Deutsches Sprichwörter-Lexikon, abgerufen am 14. September 2015.