Grothendieck-Topologie

Begriff aus der algebraischen Geometrie
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Eine Grothendieck-Topologie ist ein mathematisches Konzept, das es erlaubt, in einem abstrakten kategoriellen Rahmen eine Garbentheorie und eine Kohomologietheorie zu entwickeln. Eine Kategorie, auf der eine Grothendieck-Topologie erklärt ist, nennt man einen Situs. Auf einem Situs kann eine Garbe erklärt werden. Das Konzept der Grothendieck-Topologie wurde um 1960 von Alexander Grothendieck entwickelt, um in der algebraischen Geometrie in positiver Charakteristik einen Ersatz für die topologischen Kohomologietheorien wie bspw. die singuläre Kohomologie zu haben. Die Motivation hierfür kam von den Vermutungen von André Weil, die einen engen Zusammenhang zwischen der topologischen Gestalt (etwa den Bettizahlen) einer Varietät und der Anzahl der Punkte auf ihr über einem endlichen Körper voraussagte (Weil-Vermutungen). Die in diesem Kontext eingeführte étale Topologie zusammen mit der étalen Kohomologie und der l-adischen Kohomologie ermöglichte schließlich den Beweis der Weil-Vermutungen durch Pierre Deligne.

Einführung

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Der für die algebraische Geometrie wichtige, klassische Begriff der Prägarbe auf einem topologischen Raum   ordnet jeder offenen Menge   eine Menge   zu, so dass folgende Verträglichkeitsbedingungen erfüllt sind:

  • Für eine Inklusion   offener Mengen von   gibt es eine als Restriktion bezeichnete Funktion  .
  •   für alle offenen  .
  •   für alle offenen  .

(Typisches Beispiel:   = Menge der stetigen Funktionen   und   = Einschränkung einer Funktion   auf  .)

Betrachtet man das System der offenen Mengen von   als Objekte einer Kategorie  , deren einzige Morphismen die Inklusionen   sind, so besagen obige Bedingungen gerade, dass durch die Daten   und   ein kontravarianter Funktor von   in die Kategorie der Mengen definiert wird. Ziel ist es, dies auf Situationen, in denen man statt   eine beliebige Kategorie hat, zu verallgemeinern.

Viele Konstruktionen verwenden offene Überdeckungen des Raumes   und von diesen folgende Eigenschaften:

  • Die nur aus   bestehende Familie ist eine offene Überdeckung von  .
  • Ist   stetig und   eine offene Überdeckung von  , so ist   eine offene Überdeckung von  .
  • Ist   eine offene Überdeckung von   und ist jede Familie   eine offene Überdeckung von  , so ist die Familie   eine offene Überdeckung von  .

Die richtige (weil erfolgreiche) Verallgemeinerung der offenen Überdeckung einer Menge auf beliebige Kategorien ist der Begriff des Siebs auf einem Objekt, d. h. einer Menge von Morphismen mit diesem Objekt als festem Ziel, so dass mit jedem Morphismus   und jedem von rechts damit komponierbaren Morphismus   auch   darin enthalten ist. (Im Falle topologischer Räume muss man sich dann auf solche Überdeckungen beschränken, die mit jeder offenen Menge auch alle darin enthaltenen offenen Teilmengen enthalten.) Die Idee der angedeuteten Verallgemeinerung besteht nun darin, festzulegen, welche Siebe auf einem Objekt als „Überdeckung“ gelten und welche Beziehungen zwischen ihnen bestehen sollen. Die nachfolgende Definition, die im Wesentlichen eine Übertragung der oben genannten Überdeckungseigenschaften ist, hat sich als sehr weitreichend erwiesen.

Definition

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Eine Grothendieck-Topologie auf einer kleinen Kategorie   ist eine Zuordnung  , die jedem Objekt   aus   eine Menge   von Sieben auf   zuordnet, so dass Folgendes gilt:[1]

  • Maximale Siebe: Für jedes Objekt   ist das maximale Sieb aller Morphismen mit Ziel   in   enthalten.
  • Stabilitätsaxiom: Ist   ein Morphismus und  , so ist  .
  • Transitivitätsaxiom: Ist   und ist   ein Sieb auf  , so dass   für alle  , so ist  .

Ein Paar  , bestehend aus einer kleinen Kategorie und einer darauf definierten Grothendieck-Topologie   heißt ein Situs.

Beispiele

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  • Ist   ein topologischer Raum und ist   für jede offene Menge   die Menge aller offenen Überdeckungen, die mit jedem Familienmitglied auch alle seine offenen Teilmengen enthalten, so ist   eine Grothendieck-Topologie auf  . In diesem Sinne wird aus jedem topologische Raum ein Situs.
  • Ist   eine kleine Kategorie und besteht   nur aus dem maximalen Sieb auf  , so ist   eine Grothendieck-Topologie auf  , die sogenannte triviale Grothendieck-Topologie.
  • Ist   eine kleine Kategorie und besteht   aus allen nicht-leeren Sieben auf  , so liegt genau dann eine Grothendieck-Topologie vor, wenn man je zwei Pfeile   und   mit demselben Ziel zu einem kommutativen Quadrat
 
ergänzen kann. (Das ist zum Beispiel bei der häufig gestellten Forderung, dass die Kategorie Pullbacks enthält, erfüllt.) Diese Grothendieck-Topologie nennt man die atomare Grothendieck-Topologie.[2]

Basis einer Grothendieck-Topologie

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Eine Basis einer Grothendieck-Topologie in einer Kategorie   mit Pullbacks ist gegeben, indem man für jedes Objekt   aus   Familien von Morphismen   als überdeckende Familien von   auszeichnet. Diese Familien müssen folgende Axiome erfüllen:[3]

  • Ein Isomorphismus   ist eine überdeckende Familie von  .
  • Wenn   eine überdeckende Familie von   ist und   ein Morphismus, dann existiert der Pullback   für jedes   und die induzierte Familie   ist eine überdeckende Familie für  .
  • Wenn   eine überdeckende Familie von   ist und wenn für jedes     eine überdeckende Familie von   ist, so ist   eine überdeckende Familie von  .

Setzt man für ein Objekt   und ein Sieb   auf  :

  genau dann, wenn es eine in der Basis zugeordnete Familie von Morphismen gibt, die in   enthalten ist, so ist das so definierte   eine Grothendieck-Topologie. Das ist mit dem Begriff Basis einer Grothendieck-Topologie gemeint.

Garben auf einer Grothendieck-Topologie

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Eine Prägarbe auf einer Kategorie   ist ein kontravarianter Funktor   in eine Kategorie  , etwa die Kategorie der Mengen oder die Kategorie der abelschen Gruppen. Wenn auf   eine Grothendieck-Topologie erklärt ist und   Produkte besitzt, so nennt man eine Prägarbe eine Garbe, wenn für jede überdeckende Familie   im Diagramm

 

  der Differenzkern der beiden rechten Pfeile ist. Hierbei ist der obere Pfeil von den Projektionen   und der untere Pfeil von den Projektionen   induziert. Hat   nicht genügend Produkte, so fordert man, dass für alle Objekte   von   die durch   definierte Prägarbe   eine Garbe ist.[4]

Wie im Fall eines topologischen Raumes kann man Prägarben vergarben, das heißt man erhält einen zum Vergissfunktor   linksadjungierten Funktor  .[5][6] Das heißt, man hat eine in Garben   und Prägarben   natürliche Isomorphie

 

Ebenso kann man verschiedene Kohomologietheorien entwickeln, etwa die Čech-Kohomologie.

Die Kategorie aller Garben auf einem Situs bildet einen Grothendieck-Topos[7].

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic, Springer-Verlag (1992), ISBN 978-0-387-97710-2, Kapitel III.2: Grothendieck-Topologies, Definition 1
  2. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic, Springer-Verlag (1992), ISBN 978-0-387-97710-2, Kapitel III.2: Grothendieck-Topologies
  3. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic, Springer-Verlag (1992), ISBN 978-0-387-97710-2, Kapitel III.2: Grothendieck-Topologies, Definition 2
  4. Stacks project: Tag 00VR
  5. Stacks project: Tag 00WG
  6. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic, Springer-Verlag (1992), ISBN 978-0-387-97710-2, Kapitel III.5: The Associated Sheaf Functor,
  7. Nlab: Grothendieck topos