Small-Fiber-Neuropathie
Klassifikation nach ICD-10 | |
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G62 | Sonstige Neuropathien |
G62.88 | Sonstige näher bezeichnete Polyneuropathien |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Eine Small-Fiber-Neuropathie ist eine Erkrankung, die hauptsächlich durch eine Nervenschädigung der kleinen peripheren Nervenfasern verursacht wird. Diese sogenannten myelinisierten Aδ-Fasern und unmyelinisierten C-Fasern finden sich in der Haut, in den peripheren Nerven und in verschiedenen Organen.[1] Sie dienen der Innervation der Haut (somatische Fasern) und sind an der Regulation der Organe beteiligt (autonome Fasern). Die betroffenen Patienten leiden oft unter brennenden Schmerzen der unteren Extremitäten, die Symptome sind jedoch vielfältig. Die Krankheit verläuft häufig langsam progredient. Rund 49 Prozent aller Fibromyalgie-Patienten zeigen nachweislich eine Schädigung der kleinen Nervenfasern.[2]
Symptome
BearbeitenEine Small-Fiber-Neuropathie zeichnet sich vor allem durch brennende, ziehende oder stechende Nerven- und Muskelschmerzen aus.[3] Je nach Ausprägung können die Schmerzen mild bis sehr stark ausfallen. Bei vielen Patienten nehmen die Schmerzen in Ruhe zu, zum Beispiel nachts; andere Patienten hingegen leiden vor allem bei körperlicher Belastung unter Schmerzen. Häufig beginnt die Small-Fiber-Neuropathie mit einem Kribbeln oder Taubheitsgefühlen in den äußeren Extremitäten, also in den Füßen oder Händen, und breitet sich dann in den Beinen und Armen aus. Es gibt aber auch Fälle, in denen bereits zu Beginn der Erkrankung der ganze Körper schmerzt. Darüber hinaus entwickeln viele Patienten weitere – vorrangig das autonome Nervensystem betreffende – Symptome wie Fatigue, trockene Augen, Magen-Darm-Probleme, verminderten oder verstärkten Harndrang, Tachykardie, veränderte Schweißsekretion oder Hautirritationen wie Rötungen und Juckreiz.[4]
Diagnostik
BearbeitenUntersuchungsmethoden
BearbeitenIm Vordergrund steht eine ausführliche klinische Untersuchung und Anamneseerhebung hinsichtlich möglicher Ursachen. Die klinische-apparative Diagnostik auf Nervenleitgeschwindigkeit und Elektromyografie sind meistens unauffällig, da sie vorwiegend die großen Nervenfasern erfassen. Eine Hautstanzbiopsie zur Erfassung der intraepidermalen Nervenfaserdichte durch ein neuropathologisches Labor besitzt daher den höchsten diagnostischen Stellenwert. Weiter werden in der speziellen Diagnostik auch die Quantitative sensorische Testung (QST) und der Quantitative sudomotorische Axonreflex-Test (QSART) eingesetzt, um Schmerzempfindlichkeit, Temperatur- und Vibrationswahrnehmung sowie die Funktion autonomer Nervenfasern der Schweißdrüsen zu erfassen.[5]
Für die Bestimmung einer Herz-Kreislaufstörung durch eine orthostatische Dysregulation werden ein aktiver Stehtest (Schellong-Test) oder ein passiver Stehtest (NASA-Lean-Test) sowie ggf. eine ergänzende Kipptischuntersuchung empfohlen.[6]
Ursachensuche, Begleiterkrankungen und Differentialdiagnosen
BearbeitenIm Rahmen der Diagnostik einer Small-Fiber-Neuropathie ist auch die Ursachensuche von Bedeutung.[7] Die möglichen Ursachen sind dabei vielfältig. Eine-Small-Fiber-Neuropathie kann genetisch bedingt (hereditär) sein (primäre Small-Fiber-Neuropathie) oder erworben werden (sekundäre Small-Fiber-Neuropathie).[8] Auch eine multifaktorielle Entstehung ist möglich, wenn mehrere bekannte Ursachen gleichzeitig ausfindig gemacht werden können.[9]
Während genetische Ursachen seltener auftreten, ist die häufigste sekundäre Ursache der Diabetes mellitus bzw. eine gestörte Glukosetoleranz.[10] Neben metabolischen und autoimmunvermittelten Ursachen und Erkrankungen können auch Medikamente oder Substanzmittel sowie Infektionen eine Small-Fiber-Neuropathie auslösen oder begleiten.[11] Bei einem Teil der Betroffenen bleibt die Ursache unklar: Von einer idiopathischen Small-Fiber-Neuropathie wird ausgegangen, nachdem alle anderen Differentialdiagnosen ausgeschlossen wurden.[8]
Kategorien | Beispiele | |
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Primäre (hereditäre) Small-Fiber-Neuropathie | Erythromelalgie, Natriumkanalerkrankungen, Amyloidose, Morbus Fabry, hereditäre und sensible autonome Neuropathien, Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom | |
Sekundäre Small-Fiber-Neuropathie | Metabolisch | Diabetes mellitus, gestörte Glukosetoleranz, Hypothyreose, Vitamin-B12-Mangel |
Autoimmunvermittelt | Sjögren-Syndrom, Sarkoidose, Lupus erythematodes, posturales (orthostatisches) Tachykardiesyndrom, monoklonale Gammopathie, Zöliakie, Small-Fiber-Neuropathie-Guillain-Barré-Syndrom, autoimmune autonome Neuropathien | |
Medikamenten- und substanzmittelinduziert | Vitamin-B6-Überdosierung, Alkohol, Chemotherapeutika, Antibiotika | |
Infektiös | Hepatitis, HIV, Borreliose, Epstein-Barr-Virus, SARS-CoV-2 | |
Sonstige | Paraneoplastisch |
Therapie
BearbeitenIn erster Linie wird versucht, die zugrundeliegende Ursache (z. B. erhöhter Blutzuckerspiegel) zu behandeln. Gegen die Schmerzen werden Antikonvulsiva, Lokalanästhetika, Opioide oder Antidepressiva eingesetzt.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
BearbeitenLeitlinie
Bearbeiten- S1-Leitlinie Diagnostik bei Polyneuropathien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. In: AWMF online (Stand April 2024)
Einführungen
Bearbeiten- Fiona Fischer, Maike F. Dohrn, Romina Kapfenberger et al.: Neuropathische Schmerzen als Symptom bei autonomen Neuropathien und anderen seltenen Erkrankungen. In: Der Schmerz. Band 38, 10. Januar 2024, S. 33–40, doi:10.1007/s00482-023-00783-w.
- Lan Zhou, Jinny Tavee: Small fiber neuropathy: A burning problem. In: Cleveland Clinic Journal of Medicine. Vol. 76, 1. Mai 2009, S. 297–305. doi:10.3949/ccjm.76a.08070 (englisch).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Franco Gemignani et al.: Non-length-dependent small fiber neuropathy: Not a matter of stockings and gloves. In: Muscle & Nerve. Band 65, Nr. 1, 2022, doi:10.1002/mus.27379.
- ↑ Rebecca Grayston et al.: A systematic review and meta-analysis of the prevalence of small fiber pathology in fibromyalgia. In: Seminars in Arthritis and Rheumatism. Band 48, Nr. 5, 2019, doi:10.1016/j.semarthrit.2018.08.003.
- ↑ Todd D. Levine: Small Fiber Neuropathy: Disease Classification Beyond Pain and Burning. In: Journal of Central Nervous System Disease. Nr. 10, 2018, doi:10.1177/1179573518771703.
- ↑ Franco Gemignani et al.: Non-length-dependent small fiber neuropathy: Not a matter of stockings and gloves. In: Muscle & Nerve. Band 65, Nr. 1, 2022, doi:10.1002/mus.27379.
- ↑ Derrick Blackmore, Zaeem A. Siddiqi: Diagnostic Criteria for Small Fiber Neuropathy. In: Journal of Clinical Neuromuscular Disease. Band 18, Nr. 3, März 2017, ISSN 1537-1611, S. 125–131, doi:10.1097/CND.0000000000000154, PMID 28221302.
- ↑ Fiona Fischer, Maike F. Dohrn, Romina Kapfenberger et al.: Neuropathische Schmerzen als Symptom bei autonomen Neuropathien und anderen seltenen Erkrankungen. In: Der Schmerz. Band 38, Nr. 1, 1. Februar 2024, ISSN 1432-2129, S. 34 f., doi:10.1007/s00482-023-00783-w.
- ↑ Todd D Levine: Small Fiber Neuropathy: Disease Classification Beyond Pain and Burning. In: Journal of Central Nervous System Disease. Band 10, 1. Januar 2018, ISSN 1179-5735, S. 3, doi:10.1177/1179573518771703, PMID 29706768, PMC 5912271 (freier Volltext).
- ↑ a b c S1-Leitlinie Diagnostik bei Polyneuropathien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. In: AWMF online (Stand April 2024), S. 38.
- ↑ J. Sachau, E. Enax-Krumova: Small-Fiber-Neuropathien. In: DGNeurologie. Band 5, Nr. 6, 1. November 2022, ISSN 2524-3454, S. 490–493, doi:10.1007/s42451-022-00488-x, PMC 9559077 (freier Volltext).
- ↑ J. Sachau, E. Enax-Krumova: Small-Fiber-Neuropathien. In: DGNeurologie. Band 5, Nr. 6, November 2022, ISSN 2524-3446, S. 490 und S. 492, doi:10.1007/s42451-022-00488-x, PMC 9559077 (freier Volltext).
- ↑ a b Fiona Fischer, Maike F. Dohrn, Romina Kapfenberger et al.: Neuropathische Schmerzen als Symptom bei autonomen Neuropathien und anderen seltenen Erkrankungen: Kleinfaserneuropathie erkennen, diagnostizieren und behandeln. In: Der Schmerz. 10. Januar 2024, ISSN 0932-433X, S. 36–38, doi:10.1007/s00482-023-00783-w.
- ↑ Hannah E. Davis, Lisa McCorkell, Julia Moore Vogel, Eric J. Topol: Long COVID: major findings, mechanisms and recommendations. In: Nature Reviews Microbiology. Band 21, Nr. 3, März 2023, ISSN 1740-1526, S. 138, doi:10.1038/s41579-022-00846-2, PMID 36639608, PMC 9839201 (freier Volltext).