St. Georg (Raitenhaslach)

bauliche Grundlage romanisch 1146–86, Ausbauten 13. Jahrhundert, Ostturm und erste Barockisierung 1694–98, weiterer barocker Umbau 1737–43, monumentale Westfassade mit Triumphbogenmotiv über der Eingangsachse 1751/52 von Maurermeister Franz Al

Die Kirche St. Georg des alten Zisterzienser-Klosters Raitenhaslach steht im ehemaligen Klosterbezirk von Raitenhaslach, in der Stadt Burghausen. Sie war jahrhundertelang die berühmteste altbayrische Adelsgrablege. Zum 600-jährigen Klosterjubiläum 1743 erhielt die Wandpfeilerkirche ihre heute noch vorhandene Rokoko-Ausstattung, die sie zu einem der prächtigsten Barockbauten Süddeutschlands macht. Nach der Säkularisation wurde sie zur Pfarrkirche umgewidmet.

Die Pfarrkirche St. Georg

Geschichte

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Blick auf den Altar

Die erste Klosterkirche wurde 1186 eingeweiht. Es war eine romanische dreischiffige Pfeilerbasilika mit einer Innenlänge von 60 Metern und einer Breite von 17,60 Metern. Das Hochschiff war mit einem Kreuzgratgewölbe überspannt. Zum 600-jährigen Ordensjubiläum der Zisterzienser im Jahr 1698 wurde die Kirche in einen einschiffigen Wandpfeilerbau mit sechs Jochen umgebaut, mit einem den gesamten Raum überspannenden Tonnengewölbe und mit Quertonnen über den Seitenaltären. Im Jahr 1743, zum 600. Klosterjubiläum, wurden die Altäre neu gestaltet, die Gewölbe mit Fresken und Stuck ausgeschmückt und eine neue Orgel gebaut. In den Jahren 1751/1752 wurde durch den Baumeister Franz Alois Mayr eine neue Westfassade vorgeblendet. Nach der Säkularisation des Klosters am 1. April 1803 wurde die Abteikirche 1806 zur Pfarrkirche umgewidmet.

Architektur

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Die ehemalige Zisterzienser-Abteikirche St. Georg ist eine tonnengewölbte Wandpfeilerkirche ohne Emporen. Der Grundriss zeigt einen querhauslosen, auffällig gelängten Saalraum, der aus einer Folge von sieben ähnlich tiefen Raumkompartimenten oder Jochen besteht, wobei das westliche Joch die Orgelempore aufnimmt und die beiden östlichen Joche Chor und Altarraum aufnehmen. Gegliedert wird der Innenraum von mächtigen, fast quadratischen Wandpfeilern. Diese Wandpfeiler sind an Stirnen und Flanken mit doppelten Pilastern besetzt und tragen mächtige Gebälkstücke. Zwischen den Wandpfeilern liegen Abseiten, die durch flache Quertonnen gewölbt werden und an ihren Ostseiten Altäre enthalten. Ein Fresko in geschwungener Rahmung fasst den Gemeinderaum optisch zusammen. Ein Gurtbogen dient als Trennung zum Chor, der, was unüblich ist, die gleiche Breite wie das Langhaus aufweist. Charakteristisch sind insbesondere die gedrungenen Proportionen der ehemaligen Abteikirche St. Georg.[1]

Ausstattung

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Das Hauptdeckenfresko

Hochaltar

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Der Hochaltar wurde 1738 von Johannes Zick geschaffen. Er stellt Mariä Himmelfahrt dar. Die Stuckarbeiten im Chorraum sind von Johann Baptist Zimmermann oder vielleicht von seinem Schüler Alexius Bader aus München.

Seitenaltäre

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Die zehn Seitenaltäre sind paarweise aufeinander abgestimmt:

  • Ausanius- und Concordiaaltar, in die die Reliquien des Märtyrerehepaars 1698 übertragen wurden,
  • Marien- und Josefaltar
  • Benedikt- und Bernhardaltar
  • Sebastian- und Bartholomäusaltar
  • Kreuz- und 14-Nothelferaltar

Die Fresken stammen von Johannes Zick. Das Hauptdeckenfresko erstreckt sich über drei Joche und stellt die Lebensgeschichte des Ordensheiligen Bernhard dar. Auf der nebenstehenden Abbildung sieht man:

 
Die Orgel

Die Orgel mit 22 Registern auf zwei Manualen und Pedal wurde von Johann Konrad Brandenstein geschaffen. Er übernahm dabei viele Pfeifen des Vorgängerinstruments, das der berühmte Salzburger Hoforgelmacher Christoph Egedacher 1697 vollendet hatte, und von dem u. a. noch das Prospekt-Prinzipal erhalten geblieben ist. 1743 stellte Brandenstein die Orgel fertig, worauf das Chronogramm in der Stuck-Kartusche an der Empore hinweist:
LaVDent VnIVersI noMen eIVs In Choro, psaLterIo, organIs, tVbIsqVe benesonan tIbVs.[2]
(Alle mögen seinen Namen loben im Wohlklang des Chores, der Psalmen, der Orgel und Posaunen).
Sie hatte folgende Disposition:

I Hauptwerk CDEFGA–c3 (Kurze Oktave)
Gemshorn 16′
Principal 8′
Copel 8′
Gamba 8′
Octav 4′
Spitzflöte 4′
Quint 223
Octav 2′
Duodez II 2′
Sedez 113
Mixtur III 113
II Oberwerk CDEFGA–c3
Echo 8′
Copel 8′
Biffara 8′
Principal 4′
Rohrflöte 4′
Flageolett 2′
Mixtur 112
Pedal CDEFGA–a
Principalbaß 16′
Violonbaß 16′
Subbaß 16′
Octavbaß 8′
  • Koppeln: Manualkoppel (OW/HW) und „Tutti“ (= HW/P)[3]

Reparaturen und Umbauten

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Der Hechenberger-Spieltisch von 1904

1799 wurde die Orgel von Georg Fux (Burghausen) repariert, weitere Reparaturen sind dokumentiert für die Jahre 1844 (Ferdinand Hörmüller, Tittmoning), 1847 (Josef Schöglmann, Burghausen), 1856 (Joseph Frosch, München) und 1876 von Franz Borgias Maerz, der die Disposition wiedergab, wobei er allerdings ein Register „vergaß“, weswegen sie fehlerhaft tradiert wurde.[4]

In seiner im Jahr 1868 erschienenen Publikation rühmt D. Mettenleiter das Instrument: […] herrliche Orgel mit 26 Reg. und 2 Man.; aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stammend, von wirklich ergreifender Intonation.[5]

Im Jahr 1904 hat Martin Hechenberger einen freistehenden Spieltisch gebaut, die Orgel auf pneumatische Spiel- und Registertraktur mit Kegelladen umgestellt und einige Register verändert. Seitdem lautet die Disposition:[6]

I Hauptwerk C–f3
Gemshorn 16′
Principal 8′
Coppel 8′
Gamba 8′
Dolce 8′
Quintflöte 513
Octav 4′
Spitzflöte 4′
Superoctav 2′
Mixtur V 223
II Oberwerk C–f3
Portunalflöte 8′
Piffaro 8′
Liebl. Gedeckt 8′
Salicet 8′
Principal 4′
Flauto 4′
Flageolet 2′
Pedal C–
Principalbaß 16′
Subbaß 16′
Violonbaß 16′
Octavbaß 8′
  • Koppeln: II/I, Superoktavkoppel II/I, I/P, II/P
  • Spielhilfen: Piano, Forte, Pleno
  • Bemerkungen: Kegellade, pneumatische Spiel- und Registertraktur, freistehender Spieltisch
 
Überreste des originalen Spielschranks
 
Orgel mit Hechenberger-Spieltisch

Trotz der Umbauten verfügt die Orgel über den größten Bestand an originalen Brandenstein- und Egedacher-Pfeifen: ca. 72 % der historischen Pfeifen sind erhalten geblieben. Während des I. Weltkriegs wurden die Orgel-Prospektpfeifen nicht wie sonst üblich beschlagnahmt, sondern wurden „wegen Altertumswert“ von der Requirierung befreit.[7]

Der pneumatischen Umbau durch Hechenberger wurde von Fachleuten kritisiert. Anfang 2021 wurde bekannt, dass keine Restaurierung der Orgel, sondern lediglich eine Renovierung des gegenwärtigen Zustandes angestrebt wird. Orgelfachleute protestierten und sprachen sich für eine Wiederherstellung der Brandenstein-Orgel aus. In der Musikzeitschrift Organ – Journal für die Orgel schrieb man: „Es darf nicht sein, dass hier die einmalige Chance vertan wird, […] eine süddeutsche Barockorgel mit zwei Manualen und 22 Registern wiederzugewinnen!“[8] In gleicher Richtung äußerten sich u. a. Christian Brembeck, Wolfgang Zerer und Peter Planyavsky, indem sie Petitionen an Nikolaus Könner vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege richteten.

Grablege

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Raitenhaslach diente einigen Wittelsbachern als Grablege, wie Ludwig VII. von Bayern oder Hedwig Jagiellonica (1457–1502), der Ehefrau von Herzog Georg dem Reichen. Das Wittelsbacher Hochgrab wurde nach der Säkularisation abgetragen. Es ist nur noch die Deckplatte davon erhalten, die jetzt ebenerdig mitten in der Kirche eingelassen ist. An den Wandpfeilern befinden sich 136 Wappen von Adelsfamilien, die die Kirche als Grablege hatten. Insgesamt sind 700 Personen aus 170 adligen Familien bekannt, die in der Kirche bestattet sind.

Die Kirche verfügt über sechs Glocken aus Bronze: [9]

Glocke Name Gussjahr Gießer Durchmesser Masse Schlagton
1 Bernhard 1764 Sallökh, Josef (Braunau) 1180 mm0 1.000 kg0 fis1
2 Maria Kreuz 1604 Schultes, Dionys (Passau) 980 mm 560 kg h1
3 1487 vermutl. aus Burghausen 743 mm 220 kg d2
4 Maria 1959 Glockengießerei Rudolf Perner 631 mm 143 kg e2
5 1751 Sallökh, Josef (Braunau) 660 mm 210 kg
6 1751 Sallökh, Josef (Braunau) 520 mm 065 kg

Literatur

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  • Wolfgang Hopfgartner: St. Georg – Raitenhaslach: Ehemalige Zisterzienserabteikirche. Passau 2005, ISBN 3-89643-602-3. (PEDA Kunstführer 602).
  • Bernhard Schütz: Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben 1580–1780. 1. Auflage. Hirmerverlag, München 2000, ISBN 978-3-7774-8290-3, S. 38.
  • Markus Zimmermann: Wertvolle Pfeifen müssen zur Geltung kommen. Der außergewöhnlich große barocke Pfeifenbestand der Orgel in der ehemaligen Abteikirche Raitenhaslach ist akut gefährdet. Organ – Journal für die Orgel 1– 2021, S. 8 f.
  • Nachrichten über die vorzüglicheren Orgelwerke in der Diözese Passau. In: Dominicus Mettenleiter (Hrsg.): ORLANDO DI LASSO. Registratur für die Geschichte der Musik in Bayern in zwanglosen Heften. A. Weger, Brixen 1868, S. 48–51.

Einzelnachweise

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  1. Bernhard Schütz: Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben 1580 - 1780. 1. Auflage. Hirmerverlag, München 2000, ISBN 978-3-7774-8290-3, S. 38 - 39.
  2.  
  3. Alois Linder: Klosterkirche Raitenhaslach. Bestandsuntersuchung der Orgel. Nußdorf am Inn 2016, S. 1–24; 23.
  4. Z.B. von Georg Brenninger: Orgeln in Altbayern. 2. Auflage. Bruckmann, München 1982, ISBN 3-7654-1859-5, S. 200.
  5. Nachrichten über die vorzüglicheren Orgelwerke in der Diözese Passau. In: Dominicus Mettenleiter (Hrsg.): ORLANDO DI LASSO. Registratur für die Geschichte der Musik in Bayern in zwanglosen Heften. A. Weger, Brixen 1868, S. 48–51; S. 50 f.
  6. Orgeldatenbank Bayern online
  7. Alfred Reichling, Matthias Reichling: Die Requirierung der Orgel-Prospektpfeifen in Deutschland während des Ersten Weltkriegs. In: Acta Organologica. Band 36, 2019, S. 334.
  8. Markus Zimmermann: Wertvolle Pfeifen müssen zur Geltung kommen. Der außergewöhnlich große barocke Pfeifenbestand der Orgel in der ehemaligen Abteikirche Raitenhaslach ist akut gefährdet. Organ – Journal für die Orgel 2021.
  9. Glockendatenbank des Bistums Passau
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Commons: Kloster Raitenhaslach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 7′ 43,8″ N, 12° 47′ 16,4″ O