Christopher Steele

britischer Agent und Privatdetektiv
(Weitergeleitet von Steele-Dossier)

Christopher David Steele (* 24. Juni 1964 in Aden[1][2]) ist ein ehemaliger britischer Geheimdienstmitarbeiter. Steele wurde im Januar 2017 der Weltöffentlichkeit als Autor eines Dossiers über den gewählten US-Präsidenten Donald Trump bekannt.

Steele wurde in Aden, in der Südarabischen Föderation geboren, sein Vater war bei den Streitkräften des Vereinigten Königreichs. Steele wuchs in Surrey bei London auf und besuchte das Girton College der Elite-Universität Cambridge. Während seiner Zeit in Cambridge schrieb er für die Studentenzeitung „Varsity“.[3] 1986 stand er der Cambridge Union Society, dem studentischen Debattierclub, als Präsident vor, sein Counterpart in der Oxford Union war Boris Johnson.[4] Im gleichen Jahr machte er seinen Abschluss in Sozial- und Politikwissenschaften (social and political sciences).

Nach dem College-Abschluss ging Steele 1990 zum britischen Geheimdienst Secret Intelligence Service (MI6) und arbeitete etwa 20 Jahre dort. 1998 wurde er als Erster Sekretär an der Botschaft in Paris geführt. 1999 war er für MI6 in Moskau stationiert, in diesem Zusammenhang wurde er zusammen mit 114 weiteren Personen in einer DSMA-Notice (Defence and Security Media Advisory Notice) genannt.[5][6]

Nach dem Verlassen des MI6 gründete er zusammen mit Christopher Burrows, einem weiteren ehemaligen Geheimdienstler, im März 2009 das Business-Intelligence-Unternehmen „Orbis Business Intelligence Ltd.“ mit dem Firmensitz 9-11 Grosvenor Gardens, nur unweit des Buckingham Palace.[7] Mitte Januar 2017 wurden die britischen Medien erneut in einer DSMA-Notice aufgefordert, den Namen Steeles nicht zu nennen.

Steele ist verheiratet und hat vier[8] Kinder.[9] Nach der Veröffentlichung des Dossiers zu Donald Trump tauchte Steele unter.[10][11]

Steele genießt bei seinen ehemaligen US-amerikanischen und britischen Kollegen eine sehr gute Reputation[12][11][13] und gilt bei US-amerikanischen Behörden als glaubwürdig.

Ermittlungen

Bearbeiten

Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022

Bearbeiten

Im Jahr 2009 bewarb sich der englische Fußballverband „The Football Association“ im Rahmen der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 als Gastgeber für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Im Rahmen der Vorbereitung auf die Auswahl engagierte das zuständige Komitee unter anderem „Orbis“, um Material über die anderen Mitbewerber zu sammeln.[14] Nach Verkündung der Entscheidungen traf sich Steele auch mit Ermittlern der „Eurasian Organized Crime Unit“ des FBI, die im Bereich der[15] Korruption in der FIFA ermittelten. Die Informationen Steeles sollen nach Mitteilung mehrerer Medien dazu beigetragen haben, Haftbefehle gegen FIFA-Funktionäre erwirken zu können, die nach Festnahme an die US-amerikanischen Justizbehörden ausgeliefert wurden.[11]

Trump-Dossier

Bearbeiten

Steele gab vor, Untersuchung der Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfteam und russischen Stellen im Juni 2016 im Auftrag der in Washington, D.C. ansässigen Firma Fusion GPS begonnen zu haben. Fusion GPS wurde von Personen aus der Demokratischen Partei dafür bezahlt. Die Firma behauptete, seit Anfang 2016 – für einen Republikaner im parteiinternen Vorwahlkampf – Material gegen Trump gesammelt zu haben. Steele gab vor, für andere Auftraggeber zuvor russische Einflussnahmen auf europäische Wahlen untersucht zu haben. Im Juni 2016 verfasste Steele einen Bericht, in dem er auf jahrelange Bemühungen Präsident Putins einging, Trump zu umwerben; dieser gelangte nach der Democratic National Convention im Juli über Mittelsmänner an das FBI und Geheimdienststellen, nachdem gehackte E-Mails der Parteiorganisation der Demokraten (DNC) veröffentlicht wurden. Das FBI nahm Ende Juli 2017 Ermittlungen zu einer möglichen Kollusion zwischen Trumps Team und russischen Behörden auf. Laut Steeles Dossier habe die russische Regierung Trumps Wahlkampf unterstützt. Auch sollen russische Behörden über kompromittierende Beweise von Trumps Verhalten verfügen, um ihn erpressen zu können.[16] Dem Trump-Dossier nach soll Igor Setschin, Chef des russischen Mineralölunternehmens Rosneft, Trump einen 19-Prozent-Anteil an dem Ölkonzern im Gegenzug für die Aufhebung der Sanktionen geboten haben. Setschin habe das Angebot Wahlkampfmanager Carter Page unterbreitet. Gegen Setschin und den Ölkonzern waren Sanktionen in Kraft, die die Vorgängerregierung von Barack Obama 2014 nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland verhängt hatte.[17]

Eine zweiseitige Zusammenfassung des 35-seitigen Dossiers wurde einem Dokument beigefügt, mit dem der noch amtierende US-Präsident Obama und der gewählte Präsident Trump Anfang Januar 2017 zu Ermittlungen in der Russland-Affäre informiert wurden. BuzzFeed veröffentlichte das vollständige Dokument am 10. Januar. Dies sorgte weltweit für Aufsehen.[18]

Donald Trump bezeichnete am 12. Januar 2017 Steele als „gescheiterten Agenten“ („failed spy“).[19] Am 16. Januar 2017 forderte er, dass Großbritannien gegen Steele ermitteln soll.[20] Der russische Außenminister Sergei Lawrow bezeichnete in einer Pressekonferenz Steele als „davongelaufenen Gauner“ („runaway crook“).[21]

Andrew Wood, britischer Botschafter in Moskau von 1995 bis 2000, war von dem Dossier „derart beunruhigt“, dass er Senator John McCain während des Halifax International Security Forums in Kanada am 18. November 2016 darauf ansprach.[22] Wood soll den genauen Inhalt nicht gekannt, sich aber im Gespräch für Steeles Professionalismus und Integrität verbürgt haben.[23] Gegenüber der Zeitung The Times erklärte Wood, das Dossier „habe Informationen bestätigt, die er anderswo gehört habe, und ihnen müsste nachgegangen werden, denn wenn sie stimmen, wäre der künftige US-Präsident erpressbar“.[24] Über seinen ehemaligen Mitarbeiter Steele sagte Wood in einem Interview mit CBS News, dass dieser ein „rechtschaffener Fachmann“ („an honest professional“) sei.[25]

Im Jahre 2020 schrieb die New York Times, dass Steeles Angaben "unbegründet waren oder gar gänzlich widerlegt wurden".[26] Lindsey Graham sagte als Vorsitzender des Justizausschusses des US-Senats, dass das FBI seine Kollegen im Geheimdienstausschuss des US-Senats bei der Anhörung in Bezug zu russischer Wahleinmischung im Jahre 2018 täuschte. Dabei war Steeles Dossier Anlass der Erweiterung des Überwachungsgesetzes Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA).[27]

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. The Diplomatic Service List. H.M. Stationery Office, London 1996, ISBN 978-0-11-591752-3, S. 235: „Steele, Christopher David; Second later First Secretary FCO since April 1993; born 24.6.64; FCO 1987; Second Secretary (Chancery) Moscow 1990; FCO 1987; m 1990 Laura Katharine Hunt.“
  2. Inside the shadowy world of Chris Whatsit: How the confirmed Cambridge socialist became the top British spy behind the Trump 'dirty dossier' that is tearing apart American, British and Russian relations. Mail Online, abgerufen am 13. Januar 2017 (englisch).
  3. Hannah Dawson: Everything we know about Christopher Steele, the Cambridge MI6 spy (Memento des Originals vom 13. Januar 2017 im Internet Archive), The Tab, 13. Januar 2017 (englisch). 
  4. Larisa Brown, Martin Robinson, Sam Greenhill, Sam Tonkin, Dave Burke: Christopher Steele in hiding over Trump dirty dossier made £1m in two years, Daily Mail Online 12. Januar 2017
  5. Joseph Cox: UK Asks Journalists to Not Name Ex-Agent Allegedly Behind Trump Report (Memento des Originals vom 13. Januar 2017 im Internet Archive), Vice News, 13. Januar 2017 (englisch). 
  6. List of MI6 Officers (Memento des Originals vom 6. Januar 2017 im Internet Archive), Cryptome. Abgerufen am 17. Januar 2017 (englisch). „Christopher David Steele: 90 Moscow; dob 1964.“ 
  7. Katrin Pribyl: Großbritannien: Wo steckt der geheimnisvolle Agent Christopher Steele?, Augsburger Allgemeine 12. Januar 2017
  8. What to Know About Christopher Steele, Alleged Author of the Trump Dossier Time vom 13. Januar 2017
  9. Christopher Steele, Ex-Spy Who Compiled Trump Dossier, Goes to Ground New York Times vom 12. Januar 2017
  10. Ex-MI6 officer Christopher Steele in hiding after Trump dossier. British Broadcasting Corporation, 12. Januar 2017, abgerufen am 16. Januar 2017.
  11. a b c Der Spion, der Trump nicht liebte, FAZ Online vom 12. Januar 2017
  12. How a Sensational, Unverified Dossier Became a Crisis for Donald Trump New York Times vom 11. Januar 2017
  13. Wie im Kalten Krieg Neue Zürcher Zeitung vom 14. Januar 2017
  14. Der Agent, der zu viel wissen könnte Spiegel Online vom 17. Januar 2017
  15. Former MI6 officer Christopher Steele, who produced Donald Trump Russian dossier, 'terrified for his safety' and went to ground before name released, The Telegraph vom 12. Januar 2017
  16. Jenny Gross, Jason Douglas: Christopher Steele, Ex-British Intelligence Officer, Said to Have Prepared Dossier on Trump. In: Wall Street Journal, 11. Januar 2017 (englisch).
  17. tagesschau.de: King & Spalding: Wrays Kanzlei und ihre Russlandverbindungen, 7. Juni 2017
  18. Ken Bensinger, Miriam Elder, Mark Schoofs: These Reports Allege Trump Has Deep Ties To Russia. In: BuzzFeed, 10. Januar 2017 (englisch).
  19. Head of MI6 used information from Trump dossier in first public speech. In: The Independent, 15. Januar 2017 (englisch).
  20. Britain should investigate former MI6 agent Christopher Steele, says Donald Trump. In: The Daily Telegraph, 16. Januar 2017 (englisch).
  21. Russlands Außenminister Lawrow: Der Trump-Versteher. In: Spiegel Online, 17. Januar 2017.
  22. Kim Sengupta: Revealed: former British ambassador Sir Andrew Wood’s key role in Trump investigation. In: The Independent, 12. Januar 2017 (englisch).
  23. Ex-MI6 agent so worried by his Donald Trump discoveries he started working without pay. In: The Independent, 14. Januar 2017 (englisch).
  24. Jochen Wittmann: Agent in Angst. In: Sächsische Zeitung, 14. Januar 2017.
  25. Ex-U.K. ambassador to Russia says Kremlin’s use of sexual entrapment “widespread”. In: CBS News, 18. Januar 2017 (englisch).
  26. Robert Draper: Unwanted Truths: Inside Trump’s Battles With U.S. Intelligence Agencies In: The New York Times, 8. August 2020 (englisch).
  27. Newly Declassified Document Indicates FBI Misled Congress on Reliability of Steele Dossier Justizausschuss des US-Senats, 9. August 2020 (englisch).