Stefan Hell

deutscher Biophysiker und Nobelpreisträger
(Weitergeleitet von Stefan W. Hell)

Stefan Walter Hell (* 23. Dezember 1962 in Arad, Volksrepublik Rumänien) ist ein rumäniendeutscher Physiker und Hochschullehrer. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen. Bekanntheit erlangte Hell vor allem durch die Entwicklung hochauflösender optischer Mikroskope jenseits der Beugungsgrenze (STED-Mikroskop). 2014 wurde ihm zusammen mit Eric Betzig und William Moerner der Nobelpreis für Chemie verliehen.

Stefan W. Hell (2010)

Leben und Wirken

Bearbeiten

Stefan Hell entstammt einer Familie Banater Schwaben[1] aus dem zwanzig Kilometer von Arad entfernten Dorf Sântana (deutsch Sanktanna),[2] wo er die deutsche Schule besuchte.[3] Von 1977 bis 1978 war er Schüler des Nikolaus-Lenau-Lyzeums in Timișoara, bevor seine Familie 1978 mit ihm in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte und er am Carl-Bosch-Gymnasium in Ludwigshafen am Rhein das Abitur ablegte.[4]

Ab 1981 studierte Hell Physik an der Universität Heidelberg und war von 1984 bis 1990 Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung. Nach dem Diplom-Examen 1987 nahm er bei Siegfried Hunklinger die Arbeiten zu seinem Dissertationsthema Abbildung transparenter Mikrostrukturen im konfokalen Mikroskop auf, die er 1990 mit der Promotion abschloss. Danach war er kurzzeitig als freier Erfinder tätig.[5] In dieser Zeit beschäftigte er sich mit Möglichkeiten, Lichtmikroskope zu konstruieren, die eine höhere Auflösung ermöglichen als die bis dahin entwickelten, und legte die Grundlage für die 4Pi-Mikroskopie.

Von 1991 bis 1993 arbeitete Hell im Heidelberger Hauptlabor des European Molecular Biology Laboratory.[6] Es gelang ihm hier, das Prinzip der 4Pi-Mikroskopie praktisch zu demonstrieren und die Tiefenauflösung wesentlich zu verbessern.

Hell war anschließend ab 1993 als Gruppenleiter an der Universität Turku in Finnland angestellt, und zwar in der Abteilung für Medizinische Physik,[5] wo er das Prinzip der STED-Mikroskopie (STED: Stimulated Emission Depletion) entwickelte.[7] Parallel dazu verbrachte er 1993 bis 1994 insgesamt sechs Monate an der Universität Oxford als Gastwissenschaftler im Bereich Ingenieurwissenschaften.[5] Seine Habilitation für Physik erfolgte 1996 wiederum in Heidelberg. Im darauf folgenden Jahr wurde er Leiter einer Nachwuchsgruppe am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, die im Bereich optische Mikroskopie forschte.[6] Um das Jahr 2000 gelang es der Gruppe, die Theorien von Hell und Wichmann[8] experimentell zu bestätigen.[9][10]

Am 15. Oktober 2002 wurde Hell zum Direktor am Institut ernannt.[11] Neben seiner Tätigkeit in Göttingen wurde er 2003 als außerplanmäßiger Professor an die Universität Heidelberg berufen und außerdem Leiter der Abteilung „Hochauflösende Optische Mikroskopie“ am Deutschen Krebsforschungszentrum. 2004 ernannte ihn die Universität Göttingen zusätzlich zum Honorarprofessor für Experimentalphysik.

Mit der Erfindung und Entwicklung der STED-Mikroskopie und verwandter Mikroskopieverfahren gelang es Hell, zu zeigen, dass man die herkömmlich auf etwa eine halbe Lichtwellenlänge (~200 Nanometer) begrenzte Auflösung im Fluoreszenz-Lichtmikroskop überwinden kann. Er konnte erstmals experimentell nachweisen, dass das Auflösungsvermögen des Fluoreszenzmikroskops von der Beugung des Lichts (Diffraktion) entkoppelt und auf Bruchteile der Lichtwellenlänge (Nanometerbereich) gesteigert werden kann. Dies galt seit den Arbeiten von Ernst Abbe (1873) zur Beugungsbegrenzung des Auflösungsvermögens der Mikroskope bis dahin als undurchführbar. Für diese Leistung und ihre Bedeutung für andere Bereiche der Wissenschaft, wie den Lebenswissenschaften und der medizinischen Grundlagenforschung, erhielt er am 23. November 2006 den 10. Deutschen Zukunftspreis.[12] Seit 2013 ist er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.[13]

2014 wurde Stefan Hell für die Entwicklung superauflösender Fluoreszenzmikroskopie[14] gemeinsam mit Eric Betzig und William E. Moerner der Nobelpreis für Chemie zuerkannt.[15]

Hell ist Mitglied des Exzellenzclusters CellNetworks, seine Arbeitsgruppe forscht im BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg. 2017 wurde er zum Honorarprofessor mit korporationsrechtlicher Stellung an der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Heidelberg bestellt.[16] Seit 2022 ist Hell Aufsichtsratsmitglied der KWS Saat.[17]

Auszeichnungen (Auswahl)

Bearbeiten

Rundfunkberichte

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Von der Mikroskopie zur Nanoskopie: Stefan W. Hell. In: Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft 2003, München 2003, ISBN 3-598-24930-6, Seite 79–80 (Artikel über Hell als neues Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft).
  • Autobiography Stefan Hell. In: Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 2015, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-8253-6633-9, S. 20–32 (autobiographischer Vortrag Hells).

Privates

Bearbeiten

Hell ist verheiratet und hat vier Kinder.[34]

Bearbeiten
Commons: Stefan Hell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

Bearbeiten
  1. Christopher Schrader: Das Feld hat sich stürmisch entwickelt. sueddeutsche.de, 8. Oktober 2014, abgerufen am 8. Oktober 2014.
  2. adz.ro, ADZ, Werner Kremm: Noch ein guter Tag für das Banat. Dem aus Sanktanna stammenden Stefan W. Hell wurde der Nobelpreis für Chemie zugesprochen.
  3. adz.ro, ADZ, Banater Schwabe erhält Nobelpreis für Chemie
  4. EXCLUSIV Stefan W.Hell, al doilea elev de la Liceul „Nikolaus Lenau“ din Timişoara care a câştigat un Nobel. Adevărul, 8. Oktober 2014, abgerufen am 8. Oktober 2014 (rumänisch).
  5. a b c Lebenslauf (Memento vom 13. Oktober 2014 im Internet Archive).
  6. a b Homepage (Memento vom 2. März 2008 im Internet Archive) auf der Website des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie.
  7. Pressemitteilung (Memento vom 4. Februar 2012 im Internet Archive) Zukunftspreis, Juni 2006.
  8. Stefan W. Hell, Jan Wichmann: Breaking the diffraction resolution limit by stimulated emission: stimulated-emission-depletion fluorescence microscopy. In: Optics Letters. Band 19, Nr. 11, 1994, S. 780–782, doi:10.1364/OL.19.000780.
  9. Thomas. A. Klar, Stefan W. Hell: Subdiffraction resolution in far-field fluorescence microscopy. In: Optics Letters. Band 24, Nr. 14, 1999, S. 954–956, doi:10.1364/OL.24.000954.
  10. Thomas A. Klar, Stefan Jakobs, Marcus Dyba, Alexander Egner, Stefan W. Hell: Fluorescence microscopy with diffraction resolution barrier broken by stimulated emission. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 97, Nr. 15, 2000, S. 8206–8210, doi:10.1073/pnas.97.15.8206, PMID 10899992 (freier Volltext).
  11. Werdegang (Memento vom 3. Oktober 2006 im Internet Archive) (PDF; 50 kB) von Stefan Hell.
  12. Artikel zum Zukunftspreis bei heise.de.
  13. Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Stefan Hell (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 6. Juni 2016..
  14. spiegel.de: Triumph für einen Dickkopf.
  15. www.nobelprize.org: Press release.
  16. Rhein-Neckar-Zeitung vom 16. Juni 2017, Seite 21 (Universitas – Uni-Info – Ehrungen – Ernennungen)
  17. Aufsichtsrat - Unternehmensführung - Unternehmen - KWS SAAT SE & Co. KGaA. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
  18. a b Auszeichnungen von Stefan Hell
  19. Carmen Rotte: Nominierung für Europas wichtigsten Innovationspreis – Stefan Hell überzeugt mit der Überwindung althergebrachter Paradigmen in der Lichtmikroskopie. Pressemitteilung. In: idw-online.de. Informationsdienst Wissenschaft, 11. April 2008, abgerufen am 10. Dezember 2017.
  20. Stefan Hell als Wegbereiter der Methode des Jahres geehrt, Informationsdienst Wissenschaft, 19. Dezember 2008.
  21. Mitglieder der HAdW seit ihrer Gründung 1909. Stefan W. Hell. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 2. Juli 2016.
  22. Vits-Preis für Prof. Dr. Stefan W. Hell, Presseinformation der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 8. November 2010.
  23. Familie-Hansen-Preis geht an Prof. Dr. Stefan W. Hell, Pressemitteilung Nr. 60, 2. November 2010.
  24. Stefan Hell – Körber-Preisträger 2011 (Memento vom 15. Oktober 2014 im Internet Archive).
  25. Von der Mikroskopie zur Nanoskopie: Meyenburg-Preis 2011 geht an Stefan Hell beim DKFZ; abgerufen am 17. November 2011.
  26. 2010/11 Stefan W. Hell. In: chalmers.se. University of Gothenburg, abgerufen am 10. Dezember 2017 (englisch).
  27. Wissenschaftspreis 2012 der Fritz Behrens-Stiftung geht an Stefan Hell beim Informationsdienst Wissenschaft (idw-online); abgerufen am 17. Oktober 2012.
  28. Wissenschaftspreis 2012 für Stefan Hell (Memento vom 11. Oktober 2014 im Internet Archive), Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie.
  29. Stefan Hell erhält Kavli-Preis für Nanowissenschaften. Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Pressemitteilung), 29. Mai 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Oktober 2014; abgerufen am 6. Juni 2014.
  30. The Nobel Prize in Chemistry 2014.
  31. Aushändigung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern an die Nobelpreisträger Stefan Hell und Thomas Südhof. In: bundespraesident.de vom 24. Februar 2016.
  32. Nobelpreisträger Dr. Stefan W. Hell erhält diesjährigen Semmelweis Budapest Award. Abgerufen am 25. November 2018.
  33. Andrea Korte: AAAS Honors Accomplished Scientists as 2018 Elected Fellows. American Association for the Advancement of Science, 27. November 2018, abgerufen am 28. November 2018 (englisch).
  34. a b Nomina di Membro Ordinario della Pontificia Accademia delle Scienze. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 22. Juli 2019, abgerufen am 22. Juli 2019 (italienisch).
  35. Nobelpreisträger Stefan Hell, Ehrendoktor der Temeswarer Westuniversität. Abgerufen am 5. August 2019.
  36. Orden Pour le mérite wählt neue Mitglieder. Bundesregierung, 22. Juli 2022, abgerufen am 23. Juli 2022 (Pressemitteilung 242).