Steinunn Finnsdóttir

isländische Schriftstellerin

Steinunn Finnsdóttir (* 1640 oder 1641; † etwa 1710), auch Steinunn í Höfn genannt, war eine isländische Dichterin, die erste namentlich bekannte Verfasserin von Rímur und die erste namentlich bekannte Isländerin, von deren Dichtung ein umfangreicher Teil erhalten ist.

In ihrer Jugend verbrachte sie fünf Jahre auf Skálholt. Der dortige Bischof Brynjólfur Sveinsson bescheinigte ihr 1662 ein lasterloses und gutmütiges Verhalten, wie es zu einer frommen und ehrbaren jungen Frau passe.[1]

Später lebte sie auf Höfn in Melasveit (Borgarfjarðarsýsla). Steinunn heiratete Þorbjörn Eiríksson und hatte mit ihm eine Tochter namens Guðrún; diese war wiederum die Mutter von Snorri Björnsson (auch Snorri á Húsafelli genannt). Zuletzt war von Steinunn bei der Volkszählung 1703 zu erfahren, dass sie bei ihrer Tochter lebte.

Werke und Überlieferung

Bearbeiten

Ihre Hauptwerke sind zwei Rímur-Zyklen: Hyndlu rímur („Rímur von Hyndla“, mit über 400 Strophen) und Snækóngs rímur („Rímur des Schneekönigs“). Beide verarbeiten älteres Erzählmaterial (Hyndluljóð – allerdings handelt es sich hierbei nicht um das bekannte Eddalied gleichen Namens – und Snjáskvæði), welches zur Märchen- und Volkssagentradition gehört. Die Hauptfigur in den Rímur ist jeweils eine Frau, die verzaubert wurde, einmal in einen Hund und einmal in einen Mann.

Außerdem sind von Steinunn viele Lieder für einen „Vikivaki“ genannten Ringtanz, einzelne vierzeilige Lausavísur und ein Gedicht über mittelalterliche isländische Helden (Kappakvæði) überliefert. In diesem listet sie 33 Figuren aus Isländersagas auf, darunter zwei Frauen aus der Laxdæla saga.[2]

Der Großteil der erhaltenen Dichtung von Steinunn befindet sich in der aus zwei ursprünglich separaten Manuskripten zusammengebundenen Handschrift AM 146 b 8vo.[3] Ein Auszug aus Snækóngs rímur ist auch in der Handschrift ÍB 302 4to auf fol. 163v überliefert.[4] Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Handschrift Lbs 2527 8vo schreibt Steinunn zudem das Gortaraljóð zu.[5]

Rezeption

Bearbeiten

Frühe Kommentatoren hielten Steinunn für eine unoriginelle Nebenfigur in der Geschichte der isländischen Literatur, so bezeichnete Bjarni Vilhjálmsson in seinem Vorwort zur Edition ihrer Rímur diese 1950 beispielsweise als sviplítill og tilþrifalaus skáldskapur („wenig aussagende Dichtung ohne Schwung“). In der jüngeren Forschung wurde hingegen die Originalität ihrer mansöngvar und ihre „Vision eines gerechteren Gesellschaftssystems“ hervorgehoben.[6][7]

Literatur

Bearbeiten
  • Bergljót Kristjánsdóttir: Gunnlöð ekki gaf mér neitt af geymsludrykknum forðum. Um Steinunni Finnsdóttur, Hyndlurímur og Snækóngsrímur. In: Sverrir Tómasson (Hrsg.): Guðamjöður og Arnarleir. Háskólaútgáfan, Reykjavík 1996, S. 165–219 und 339–340 (isländisch).
  • Shaun F. D. Hughes: The Re-emergence of Women’s Voices in Icelandic Literature, 1500–1800. In: Sarah M. Anderson und Karen Swenson (Hrsg.): Cold Counsel. Women in Old Norse Literature and Myth. Routledge, 2000, ISBN 0-8153-1966-5, S. 93–128 (englisch).
  • Steinunn Finnsdóttir: Rit Rímnafélagsins III: Hyndlu rímur og Snækóngs rímur. Hrsg.: Bjarni Vilhjálmsson. Rímnafélagið, Reykjavík 1950.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Margrét Eggertsdóttir: Hver var fyrsta íslenska skáldkonan og hvað orti hún? In: Vísindavefurinn. 19. Dezember 2022, abgerufen am 2. September 2023 (isländisch).
  2. Sofie Vanherpen: Íslands kvennalof (‘In Praise of Icelandic Women’): Cultural Memories of Auðr djúpauðga in Praise Poetry of the Icelandic Enlightenment. In: Anne Pedersen und Søren M. Sindbæk (Hrsg.): Viking Encounters. Proceedings of the Eighteenth Viking Congress. Aarhus 2020, S. 608 (englisch).
  3. AM 146 b I-II 8vo. Rímur og kvæði. In: handrit.is. Abgerufen am 2. September 2023 (isländisch).
  4. ÍB 302 4to. Sögu-, rímna- og kvæðabók. In: handrit.is. Abgerufen am 2. September 2023 (isländisch, digitalisierte Handschrift einsehbar).
  5. Lbs 2527 8vo. Sögu- og rímnabók. In: handrit.is. Abgerufen am 2. September 2023 (isländisch, digitalisierte Handschrift einsehbar).
  6. Bergljót Kristjánsdóttir 1996, S. 340.
  7. Vgl. Jón Karl Helgason: Continuity? The Icelandic Sagas in Post-Medieval Times. In: Rory McTurk (Hrsg.): A Companion to Old Norse-Icelandic Literature and Culture. 2005, S. 67 (englisch).