Stoffwechselvielfalt und individuelle Anpassungsfähigkeit

Der internationale Fachbegriff dieses Lemmas lautet Primary nutritional groups deutsch: Stoffwechselvielfalt und individuelle Anpassungsfähigkeit[1].

Elektronentransport am Beispiel der Cyanobakterien

Der Energiestoffwechsel von Tieren und von Pflanzen weist grundsätzliche Unterschiede auf. Pflanzen betreiben Photosynthese, während Tiere ihre Energie aus Nahrung gewinnen, die in der Atmungskette "verbrannt" wird. Diesem Unterschied liegen ganz unterschiedliche Stoffwechselwege zu Grunde. Noch größere Unterschiede zeigen sich, wenn man alle Lebewesen betrachtet, also nicht nur Eukaryoten (zu denen Tiere und Pflanzen gehören), sondern auch Prokaryoten (Bakterien und Archaeten). Dort gibt es Stoffwechseltypen, die Organismen Wachstum auch in Biotopen ermöglicht, wo pflanzliches und tierisches Leben nicht möglich ist.

Tabelle 1. Redoxpotentiale E0' von starken (oben) und schwachen (unten) Reduktionsmitteln[2] Farbig: Coenzyme
Redoxreaktion E'0(V)
CO + H2O → CO2 + 2H+ + 2e −0,54
H2 → 2H+ + 2e −0,41
FerredoxinreduziertFerredoxinoxidiert + e −0,4[3]
NADPH + H+ → NADP+ + 2 e + 2 H+ −0,32
H2S → S + 2H+ + 2 e −0,25
S + 4 H2O → SO42− + 8 H+ + 8 e −0,23
NO2 + H2O → NO3 + 2 H+ + 2 e +0,42
NH4+ + 2 H2O → NO2 + 8 H+ + 6 e +0,44
Fe2+ → Fe3+ + e +0,78
2 H2O → O2 + 4 H+ + 4 e +0,86
Tabellarische Übersicht der Stoffwechseltypen von Mikroorganismen  
Funktion Alternativen Bezeichnung des Stoffwechseltyps
Energiequelle zur

Regeneration von ATP

Licht photo- -trophe Aero­bier/An­aerobier
(mit/ohne O2 als e--Akzeptor)
Redoxreaktion chemo-
elektrischer Strom elektro-
Elektronendonor für die Biosynthese anorganische Substanzen litho-
organische Verbindungen organo-
Kohlenstoffquelle für die Biosynthese CO2 auto-
organische Verbindungen hetero-

Übersicht

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Die Charakterisierung eines Stoffwechseltyps ergibt sich aus der Kombination der oben stehenden Bezeichnungen. Beispiel: Einen chemo-litho-autotrophen Stoffwechsel haben Organismen, die ATP durch chemische Reaktionen gewinnen und bei ihrer Biosynthese mit anorganischen Elektronendonatoren und CO2 auskommen. Menschen haben einen Chemo-organo-heterotrophen, kurz heterotrophen Stoffwechsel.

Tiefgreifende Stoffwechselunterschiede sind auch dafür verantwortlich, ob ein Organismus Luftsauerstoff (O2) zum Überleben braucht oder durch ihn gehemmt oder abgetötet wird.

  • Aerobe Organismen benötigen Sauerstoff zur Atmung (Atmungskette).
  • Anaerobier leben in Biotopen ohne Sauerstoff. Viele von ihnen können nur unter strikter Abwesenheit von O2 wachsen und sind obligat anaerob. Auch bei solchen Organismen kommen einmalige Stoffwechselwege (Anaerobe Atmung) vor.

Begriffsklärung

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Es gibt Organismen, die verschiedene Stoffwechselwege zur Verfügung haben und zum Beispiel im Licht phototroph, ansonsten chemotroph wachsen können.

Man bezeichnet ein solches Wachstum als mixotroph, wenn Organismen gleichzeitig dichotome Stoffwechselwege (photo/chemo, litho/organo, auto/hetero) nutzen können.

Energiestoffwechsel

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Alle bekannten Lebewesen benötigen eine Energiequelle, um Adenosintriphosphat (ATP) aus ADP zu regenerieren. Die ATP liefert dann die Energie für den Aufbau von Biomasse.

Litho- und organotropher, auto- und heterotropher Stoffwechsel

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  • Organotrophe Organismen beziehen die Elektronendonatoren zur Regeneration von NADPH aus organischen Verbindungen. Insofern sie daraus meistens auch den Kohlenstoff zur Biosynthese beziehen, haben sie einen heterotrophen Stoffwechsel. Da beides in der Regel zusammen fällt, steht heterotroph synonym für die ungebräuchlichen Bezeichnungen organotroph und organoheterotroph.
    • Es gibt photoheterotrophe Mikroorganismen, die ihre Energie aus einer speziellen Art der Photosynthese beziehen.
    • In der Regel gewinnen heterotrophe Lebewesen ihre Energie aus biochemischen Reaktionen, sind also auch chemotroph. Insofern ist die Bezeichnung chemoorganoheterotroph nicht üblich.
  • Einen lithotrophen Stoffwechsel haben

Begriffliches und Historisches

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Ernährung, Kohlenstoffquelle

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Bis weit ins 20. Jahrhundert teilte die Wissenschaft die Welt der Lebewesen bezüglich ihrer Ernährungsweise in zwei Kategorien: Tiere und Pflanzen. Über deren Ernährung war erstens klar:

  • Tiere (neben verschiedenen anderen Lebewesen) sind "in der Ernährung auf Körpersubstanz oder Stoffwechselprodukte anderer Organismen angewiesen". Das wird als Heterotrophie bezeichnet.
  • Pflanzen beziehen ihre Nahrung nicht von anderen Organismen, ihr Baustoffwechsel wird deshalb als Autotrophie bezeichnet.

Später wurde erkannt, weshalb das so ist: Pflanzen sind autotroph, weil sie ihren Kohlenstoff-Bedarf für das Wachstum aus Kohlenstoffdioxid decken, das unter anderem in der Luft vorhanden ist. Sie betreiben Kohlenstoff-Assimilation durch CO2-Fixierung und -Reduktion. Autotrophie ist eine Fähigkeit, die heterotrophen Organismen fehlt.

Pflanzen brauchen Licht für ihr Wachstum, also nichts "Stoffliches". Es war daher lange die Frage, welche Rolle Licht bei der (pflanzlichen) Ernährung spielt. Dennoch verwendete man die Bezeichnung

  • Phototrophie, "Ernährung" durch Licht.

Bei diesem Stand der Erkenntnis konnten die Bezeichnungen Autotrophie und Phototrophie noch synonym verwendet werden, und einige Biologielehrbücher tun das bis heute. Tatsächlich bezeichnet jedoch Heterotrophie die Kohlenstoffquelle, Phototrophie aber die Energiequelle. Als klar wurde, dass es bei Phototrophie um Energie geht, die bei phototrophen Organismen aus Licht gewonnen wird, wurde noch ein Begriff geprägt:

  • Chemotrophie. Chemotrophe Organismen können Licht nicht als Energiequelle nutzen, sondern gewinnen ihre Energie nur aus chemischer Umwandlung von Stoffen, die sie aus ihrer Umgebung aufnehmen. Phototrophie ist eine Fähigkeit, die chemotrophen Organismen fehlt.
 
Sergei Nikolajewitsch Winogradski

Die scheinbar sinnvolle Einteilung der Lebewesen in phototrophe und heterotrophe Organismen brachte der Mikrobiologe und Pflanzenphysiologe Sergei Nikolajewitsch Winogradski (1856–1951) ins Wanken. Er entdeckte nämlich Bakterien, die im Dunkeln in Medien wachsen, die nur anorganische Verbindungen enthalten. Diese merkwürdigen Lebewesen sind weder phototroph noch heterotroph. Sie vertragen kein Licht, sind aber eindeutig autotroph und nicht heterotroph und sie assimilieren CO2 als einzige Kohlenstoffquelle. Viele dieser Organismen können auf Nährmedien mit organischen Stoffen nicht wachsen, weil durch sie ihr Wachstum gehemmt wird. Sie brauchen ganz bestimmte anorganische Stoffe, aus deren chemischer Umsetzung sie Energie gewinnen können. Beispiele: Ammoniak plus Sauerstoff (unter anderen Nitrosomonas), Wasserstoff plus Sulfat (unter anderen Desulfovibrio).

  • Den Energiestoffwechsel dieser Organismen, die sich „lithotroph“ (wörtlich übersetzt: "Steine fressend") ernähren, bezeichnete Winogradsy als "Anorgoxidation". Inzwischen bezeichnet man die "Ernährungsweise" der Organismen, die ihre Energie aus einer chemischen Reaktion gewinnen und gleichzeitig ihr Körpermaterial durch Assimilation von CO2 aufbauen, als Chemo-autotrophie.

Zu dieser Zeit prägte man schon den Begriff Lithotrophie. Aber damals war noch nicht klar, dass diese Organismen die anorganischen "Nährstoffe" nicht nur zur Energiegewinnung nutzen. Die anorganischen Reduktionsmittel nutzen sie nämlich noch für einen anderen Stoffwechselweg, dessen grundsätzliche Bedeutung erst später erkannt wurde.

Elektronendonor

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Autotrophe Lebewesen benötigen nicht nur eine Energiequelle und eine Kohlenstoffquelle, weil die Assimilation von CO2 als Kohlenstoffquelle auch ein Reduktionsmittel, nämlich NADPH, erfordert, um das CO2 in Zellmaterial umzuwandeln. NADPH wird dabei verbraucht (Oxidation zu NADP+) und für seine Regenerierung benötigen autotrophe Organismen nicht nur Energie, sondern auch einen Elektronendonor. Pflanzen nutzen dafür Wasser, das dabei zu O2 oxidiert wird. Bei Prokaryoten gibt es zudem noch photosynthetische Organismen, die nicht Wasser, sondern andere anorganische Stoffe als Elektronendonor nutzen, beispielsweise Schwefelwasserstoff oder Nitrit, oder einige organische Stoffe.

Winogradskys Organismen, die im Dunkeln CO2 assimilieren, nutzen zur Regenerierung von NADPH den Elektronendonor, den sie auch für die Redoxreaktion nutzen, aus der sie Energie gewinnen.

Nach dem verwendeten Elektronendonor für die NADP-Regeneration unterteilt man in

  • Lithotrophie: ein Stoffwechsel, bei dem anorganische Stoffe als Elektronendonoren für die NADPH-Regenerierung genutzt werden. Dafür benötigen lithotrophe Lebewesen meistens Energie (außer im Falle von H2).
  • Organotrophie: ein Stoffwechsel, bei dem organische Stoffe für die NADP-Regeneration genutzt werden. Organotrophe Lebewesen sind nicht in der Lage, anorganische Elektronendonoren zu verwenden, ihnen fehlt also die Fähigkeit zur Lithotrophie.

Begriffliche Klarstellungen

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  • Lithotrophie bedeutet nicht, dass solche Organismen ihre Energie aus der Reaktion anorganischer Verbindungen beziehen. Pflanzen sind auch lithotroph.
  • Organotrophe Organismen unterscheiden sich nicht darin, welche organischen Verbindungen sie zur Energiegewinnung nutzen, sondern wie sie NADPH regenerieren. Es gibt phototrophe Bakterien, die organische Elektronendonatoren zur NADPH-Regeneration nutzen.
  • Phototrophie bedeutet nicht, dass solche Organismen autotroph sind. Es gibt Organismen, die Licht zur Energiegewinnung nutzen, aber keine CO2-Assimilation betreiben können.
  • Chemotrophe Organismen unterscheiden sich darin, welche chemischen Verbindungen sie zur Energiegewinnung nutzen. Ob sie lithotroph oder autotroph sind, hat mit ihrer Energiegewinnung nichts zu tun.

Einzelnachweise

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  1. Allgemeine Mikrobiologie 2014
  2. G. Gottschalk: Bacterial Metabolism. 2. Auflage. Springer, New York 1986, S. 288.
  3. Shuning Wang, Haiyan Huang, Jörg Kahnt, Rudolf K. Thauer: A Reversible Electron-Bifurcating Ferredoxin- and NAD-Dependent [FeFe]-Hydrogenase (HydABC) in Moorella. In: Journal of Bacteriology. 195. Jahrgang, Nr. 6, 2013, S. 1267–1275, doi:10.1128/JB.02158-12.
  4. Dadachova E, Bryan RA, Huang X, Moadel T, Schweitzer AD, Aisen P, Nosanchuk JD, Casadevall A: Ionizing Radiation Changes the Electronic Properties of Melanin and Enhances the Growth of Melanized Fungi. In: PLoS ONE 2 (2007): e457 doi:10.1371/journal.pone.0000457 pdf