Sylvi Listhaug
Sylvi Listhaug (* 25. Dezember 1977 in Ålesund) ist eine norwegische Politikerin der Fremskrittspartiet (FrP), deren Vorsitzende sie seit Mai 2021 ist. Seit 2017 ist sie Abgeordnete im Storting.
Zwischen 2013 und 2020 hatte Listhaug mehrere Ministerämter inne: Von Oktober 2013 bis Dezember 2015 war sie Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung, danach bis Januar 2018 Ministerin für Immigration und Integration und anschließend bis März 2018 Ministerin für Justiz, Bereitschaft und Einwanderung. Von Mai 2019 bis Dezember 2019 übernahm sie das Amt der Senioren- und Volksgesundheitsministerin und danach bis Januar 2020 das der Erdöl- und Energieministerin.
Herkunft und beruflicher Werdegang
BearbeitenListhaug wuchs auf dem elterlichen Bauernhof in der damaligen Kommune Ørskog, die heute Teil der Kommune Ålesund ist, auf.[1] Im Jahr 1996 schloss sie die weiterführende Schule ab. Anschließend absolvierte sie von 1996 bis 2000 ihre Adjunktausbildung an der Hochschule Volda. Parallel dazu arbeitete Listhaug von 1995 bis 2000 als Pflegehelferin in einem Altenheim in Ørskog. Von 2000 bis 2001 unterrichtete sie an einer Schule in ihrer Heimatkommune.[2]
Nach dem Ende ihrer Amtszeit als Byråd in Oslo war sie von 2012 bis 2013 für das Beratungsunternehmen First House tätig.[2]
Parteikarriere
BearbeitenListhaug engagierte sich in der Parteijugend der Fremskrittspartiet, der Fremskrittspartiets Ungdom (FpU), deren Vorstand sie von 2002 bis 2006 angehörte. Von 2001 bis 2004 fungierte Listhaug als politische Beraterin der Fremskrittspartiet-Fraktion im Storting, dem norwegischen Nationalparlament. Im Jahr 2005 wurde sie Mitglied im Vorstand der Fremskrittspartiet.[2]
Im September 2018 wurde Listhaug kommissarische erste stellvertretende Parteivorsitzende der FrP. Die Ernennung folgte dem Rücktritt von Per Sandberg.[3] Am 5. Mai 2019 wurde sie auf einem Parteitag zur ersten stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.[4]
Am 5. Mai 2021 wurde Listhaug auf einem Parteitag ohne Gegenkandidaten zur neuen FrP-Vorsitzenden gewählt. Ihre Vorgängerin, Siv Jensen hatte zuvor ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Damit wurde Listhaug die FrP-Spitzenkandidatin bei der Parlamentswahl im Herbst 2021.[5] Bei der Wahl verzeichnete die Partei schließlich landesweit einen Rückgang von 3,6 Prozentpunkten gegenüber der Wahl 2017.[1]
Öffentliche Ämter
BearbeitenByråd in Oslo (2006–2012)
BearbeitenVon 2004 bis 2005 hatte sie die Position als Byrådssekretær unter dem für Wohlfahrt und Sozialdienste zuständigen Byråd in Oslo inne. Sie arbeitete damit für die Stadtregierung Oslos.[2] Im Januar 2006 wurde Listhaug im Alter von 28 Jahren selbst zum Byråd ernannt. Sie übernahm die Zuständigkeit für Wohlfahrt und Sozialdienste.[6] Im Jahr 2010 änderte sich ihre Zuständigkeit und sie wurde Byråd für Gesundheit und Altenpflege. Diese Position hatte sie bis 2012 inne.[2][7]
Ministerämter
BearbeitenMinisterin für Landwirtschaft und Ernährung (2013–2015)
BearbeitenAm 16. Oktober 2013 wurde sie in der neu gebildeten Regierung Solberg zur Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung ernannt. Sie hatte den Posten bis zum 16. Dezember 2015 inne.[8]
Ministerin im Ministerium für Justiz und öffentliche Sicherheit (2015–2018)
BearbeitenAm 16. Dezember 2015 wechselte Listhaug im Rahmen einer Kabinettsumbildung in das neu geschaffene Amt der Einwanderungs- und Integrationsministerin. Sie erhielt dabei die Zuständigkeit für die Bereiche Einwanderung, Asyl und Integration. Das Amt war neben dem des Ministers für Justiz und öffentliche Sicherheit im Ministerium für Justiz und öffentliche Sicherheit (Justis- og beredskapsdepartementet) angesiedelt.[8][9] Am 17. Januar 2018 wurde Listhaug zur Ministerin für Justiz, öffentliche Sicherheit und Einwanderung ernannt.[8] Sie übernahm damit neben ihren bisherigen Zuständigkeiten auch die ihres Parteikollegen Per-Willy Amundsen, der zuvor Minister für Justiz und öffentliche Sicherheit war.[10]
Auf Druck der Oppositionsparteien im Parlament, die ein Misstrauensvotum gegen Listhaug ankündigten, erklärte sie im März 2018 ihren Rücktritt. Ihre Amtszeit als Ministerin für Justiz, öffentliche Sicherheit und Einwanderung endete am 18. März 2018. Anlass für das Misstrauensvotum war ein Facebook-Post Listhaugs, der als Hohn für die Opfer der Anschläge in Norwegen 2011 ausgelegt wurde.[11] Sie schrieb: „Ap mener terroristenes rettigheter er viktigere enn nasjonens sikkerhet. Lik og del“ (deutsch: „Die Ap meint, dass die Rechte von Terroristen wichtiger als die Sicherheit der Nation sind. Likt und teilt.“)[12] Zuvor hatten die Oppositionsparteien einen Gesetzesvorschlag der beiden Regierungsparteien FrP und Høyre abgelehnt. Das Gesetz hätte es dem Justizministerium erlaubt, Personen, die als Bedrohung für die Sicherheit Norwegens eingestuft werden, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.[1]
Ministerin für Senioren und Volksgesundheit (2019)
BearbeitenAm 3. Mai 2019 kehrte Listhaug als Ministerin für Senioren und Volksgesundheit in die Regierung Solberg zurück. Sie übernahm das Amt von ihrer Parteikollegin Åse Michaelsen. Listhaugs Posten war neben dem des Ministers für Gesundheit und Pflege im Gesundheits- und Pflegeministerium (Helse- og omsorgsdepartementet) angesiedelt. Listhaug hatte den Posten bis zum 18. Dezember 2019 inne.[8][13]
Ministerin für Erdöl und Energie (2019–2020)
BearbeitenAm 18. Dezember 2019 wurde Listhaug als Nachfolgerin von Kjell-Børge Freiberg zur neuen Erdöl- und Energieministerin ernannt.[14] Ihr neues Amt wurde in den norwegischen Medien als bedeutender eingeordnet.[15] Rund ein Monat später, am 24. Januar 2020, schied sie wieder aus dem Amt aus, da die Fremskrittspartiet aus der Regierung Solberg austrat.[8][16]
Stortingsabgeordnete (seit 2017)
BearbeitenBei der Parlamentswahl 2017 zog Listhaug erstmals in das Storting, das norwegische Nationalparlament, ein. Sie vertritt dort den Wahlkreis Møre og Romsdal. Aufgrund ihrer Regierungsmitgliedschaft wurde sie in den ersten Monaten durch ihren Parteikollegen Jan Steinar Engeli Johansen vertreten. Nach ihrem Rücktritt als Ministerin wurde sie im April 2018 Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Pflege. Diesem Ausschuss gehörte sie bis Mai 2019 an, bevor sie aufgrund ihrer erneuten Regierungsmitgliedschaft wieder von Johansen vertreten wurde. Zudem fungierte sie von Oktober 2018 bis Mai 2019 als zweite stellvertretende Fraktionsvorsitzende.[17]
Nach dem Ausscheiden der Fremskrittspartiet aus der Regierung Solberg im Januar 2020 kehrte Listhaug ins Storting zurück. Dort übernahm sie den Posten als zweite stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses und als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden im Mai 2021 wurde Listhaug neue Fraktionsvorsitzende der FrP und sie setzte die restliche Legislaturperiode als einfaches Mitglied des Finanzausschusses fort. Nach der Stortingswahl 2021 wurde Listhaug Mitglied im Außen- und Verteidigungsausschuss. Zudem übernahm sie erneut den Posten als FrP-Fraktionsvorsitzende.[17]
Positionen
BearbeitenSylvi Listhaug gehört zum rechten Flügel der rechtspopulistischen Fremskrittspartiet. Im Herbst 2018 gab sie das Buch Der andre tier heraus, in dem sie sich über Ungleichbehandlung durch „die Medien“, moralisierende „Meinungspolizei“ und die „linke Kulturelite“ des Landes beschwerte.[18]
Klimawandel
BearbeitenNach ihrer Ernennung zur Landwirtschaftsministerin weigerte sie sich, eine Antwort auf die Frage zu geben, ob sie weiter der Überzeugung sei, dass der Klimawandel nicht menschengemacht sei.[19] Hintergrund war ein Interview aus dem Jahr 2011 mit der Zeitung Verdens Gang (VG), in dem sie sagte, dass es nicht bewiesen sei, dass der menschliche CO2-Ausstoß zur Veränderung des Klimas führe.[20] Im Dezember 2019 gab sie nach ihrer Ernennung zur Erdöl- und Energieministerin an, dass der Klimawandel auch durch die Menschen verschuldet werde, aber es uninteressant sei, wie groß die Schuld der Menschheit daran ist.[21]
Schwedische Zustände
BearbeitenListhaug wurde des Öfteren für ihren Gebrauch des Ausdrucks „schwedische Zustände“ kritisiert. Sie verwendete ihn meist, um sich gegen eine liberalere Einwanderungspolitik in Norwegen auszusprechen, so wie sie in Schweden vorzufinden sei.[22] So etwa beschrieb sie etwa während ihrer Zeit als Einwanderungsministerin im Juni 2017 die Situation in Oslo mit diesem Begriff, nachdem dort Autos angezündet worden waren. Sowohl der damalige Justizminister und Parteikollege Per-Willy Amundsen als auch Ministerpräsidentin Erna Solberg widersprachen ihrer Aussage.[23]
Im August 2017 besuchte sie kurz vor den Parlamentswahlen 2017 den Stockholmer Stadtbezirk Rinkeby-Kista. Die schwedische Einwanderungsministerin Heléne Fritzon sagte das geplante Treffen mit Listhaug ab. Als Begründung gab Fritzon an, nicht Teil von Listhaugs Kampagne sein zu wollen.[24] Erna Solberg wies Listhaug während ihres Besuchs außerdem darauf hin, dass sie die Situation in Rinkeby-Kista nicht anders beschreiben solle, als die lokalen schwedischen Behörden.[25] Später sagte Solberg, dass sie nicht allem, was Listhaug während des Besuchs gesagt hatte, zustimme.[26]
Gesundheit
BearbeitenIm Mai 2019 erweckte sie wenige Tage nach ihrer Ernennung zur Ministerin für Senioren und Volksgesundheit sowohl national als auch international Aufsehen: Sie äußerte in einem Interview, dass Menschen so viel rauchen, trinken und rohes Fleisch essen sollen, wie sie wollen.[27][28]
Kritik
BearbeitenBei ihrer Ernennung zur Landwirtschafts- und Ernährungsministerin weigerte Listhaug sich, ihre Kundenliste aus der Zeit bei der Beratungsfirma First House, wo sie von 2012 bis 2013 arbeitete, offenzulegen. Sie legte stattdessen dem Generalsekretär ihres Ministeriums die Liste ihrer Kunden vor, um den Mitarbeitern des Ministeriums die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit auf eine potenzielle Befangenheit hin zu überprüfen.[1][29]
Zwei Berichte des parlamentarischen Kontrollorgans Riksrevisjonen beanstandeten im Sommer 2018 schwerwiegende Mängel in Listhaugs Regierungsarbeit zur Sicherung kritischer Infrastruktur und wichtiger Gebäude gegen Terrorangriffe.[30]
Weblinks
Bearbeiten- Sylvi Listhaug beim Storting (norwegisch)
- Sylvi Listhaug auf der Website der Regierung (norwegisch, englisch)
- Sylvi Listhaug im Store norske leksikon (norwegisch)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d Olav Garvik, Knut Are Tvedt: Sylvi Listhaug. In: Store norske leksikon. Abgerufen am 21. April 2023 (norwegisch).
- ↑ a b c d e Tidligere Landbruks- og matminister Sylvi Listhaug. In: regjeringen.no. 16. Oktober 2013, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Linn Blomkvist: Sylvi Listhaug konstituert som nestleder i Frp. In: NRK. 3. September 2018, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Listhaug og Søviknes nye nestledere. In: NRK. 5. Mai 2019, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Vilde Helljesen: Nå er Sylvi Listhaug Frp-leder. In: NRK. 8. Mai 2021, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Listhaug ny byråd i Oslo. In: NRK. 17. Januar 2006, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Byrådet. In: Oslo Byleksikon. Abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ a b c d e Sylvi Listhaug. In: regjeringen.no. Abgerufen am 30. Januar 2025 (englisch).
- ↑ Justis- og beredskapsdepartementet (2012–). In: regjeringen.no. Abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Listhaug overtar som justisminister. In: NRK. 17. Januar 2018, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Norwegens Justizministerin zurückgetreten. In: Deutsche Welle. 20. März 2018, abgerufen am 30. Januar 2025.
- ↑ Peter Svaar: Listhaug sletter omstridt Facebook-innlegg. In: NRK. 14. März 2018, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Ministry of Health and Care Services (2004–). In: regjeringen.no. Abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ David Vojislav Krekling: Olje- og energiminister Kjell-Børge Freiberg blir byttet ut. In: NRK. 18. Dezember 2019, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ Trond Lepperød, Heidi Schei Lilleås, Jørgen Berge: Listhaug inn som oljeminister - Søviknes gjør comeback. In: Nettavisen. 18. Dezember 2019, abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ David Vojislav Krekling: Her er Solberg-regjeringen 4.0. 24. Januar 2020, abgerufen am 24. Januar 2020 (norwegisch (Bokmål)).
- ↑ a b Biografi: Listhaug, Sylvi. In: Stortinget. Abgerufen am 30. Januar 2025 (norwegisch).
- ↑ NRK: Listhaug langer ut mot «eliten». In: Norwegischer Rundfunk. 23. Oktober 2018, abgerufen am 3. November 2018 (norwegisch).
- ↑ Paal Wergeland, Iram Ansari, Siv Sandvik: Vil ikke svare på klimaspørsmål. In: NRK. 17. Oktober 2013, abgerufen am 23. Dezember 2019 (norwegisch).
- ↑ Lars M. Glomnes: Ler av klimahysteri. In: Verdens Gang. 16. Mai 2011, abgerufen am 23. Dezember 2019 (norwegisch).
- ↑ Daniel Røed-Johansen: Listhaug pepret med spørsmål om klima: – Jeg hører at dere bare skal kjøre på med dette med klimaendringer. In: Aftenposten. 18. Dezember 2019, abgerufen am 23. Dezember 2019 (norwegisch).
- ↑ Johan B. Sættem: Listhaug: – Sjokkert over tilstandene i Sverige. 9. Mai 2016, abgerufen am 13. September 2019 (norwegisch (Bokmål)).
- ↑ Harald Stolt-Nielsen Caroline Enge: Frp-statsråd 1: Avviser «svenske tilstander». Frp-statsråd 2 og 3: Advarer mot «svenske tilstander». Abgerufen am 13. September 2019 (norwegisch (Bokmål)).
- ↑ Peter Svaar: Svensk statsråd vil ikke være en del av Frps valgkamp og avlyser møte med Listhaug. 29. August 2017, abgerufen am 13. September 2019 (norwegisch (Bokmål)).
- ↑ Thomas Olsen Harald Stolt-Nielsen: Listhaug til Rinkeby for å lære: – De kom for å male et dystert bilde. Abgerufen am 13. September 2019 (norwegisch (Bokmål)).
- ↑ Kristine Hirsti: Erna: Ikke enig med alt Listhaug sa i Rinkeby. 5. September 2017, abgerufen am 13. September 2019 (norwegisch (Bokmål)).
- ↑ Cato Husabø Fossen: Folkehelseminister Listhaug blåser i «moralpolitiet»: – La folk røyke, drikke og spise rødt kjøtt. 6. Mai 2019, abgerufen am 13. September 2019 (norwegisch (Bokmål)).
- ↑ Palko Karasz: Smoke, Drink and Eat What You Want, Norway’s Public Health Minister Says. In: New York Times. 10. Mai 2019, abgerufen am 13. September 2019 (englisch).
- ↑ Su Thet Mon: – Sylvi Listhaug er inhabil. In: NRK. 7. Januar 2014, abgerufen am 30. Januar 2024 (norwegisch).
- ↑ NTB: Kontrollkomiteen kaller inn regjeringstopper til terrorhøring. In: Verdens gang. 12. Juni 2018, abgerufen am 3. November 2018 (norwegisch).
Personendaten | |
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NAME | Listhaug, Sylvi |
KURZBESCHREIBUNG | norwegische Politikerin |
GEBURTSDATUM | 25. Dezember 1977 |
GEBURTSORT | Ålesund |