Im deutschen Wissenschaftsprogramm TEXUS (Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit, engl. Technological Experiments in Zero Gravity) führen Wissenschaftler mit Forschungsraketen biologische, materialwissenschaftliche und physikalische Experimente unter Weltraumbedingungen, nämlich fast völliger Abwesenheit von sowohl Schwerewirkung („Mikrogravitation“) als auch Luftdruck durch.

Start der Texus 49 Mission (Nov. 2011) (Video 2:01 min)

Geschichte

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Das Programm wird seit 1976 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert. Heute ist es das weltweit erfolgreichste und am längsten bestehende Raketenprogramm für wissenschaftliche Versuche und Technologieerprobungen in Schwerelosigkeit. Eine wichtige Rolle spielt TEXUS auch bei der Vorbereitung von Experimenten, die für die Internationale Raumstation ISS bestimmt sind.

In jedem Jahr finden ein bis zwei Kampagnen statt. Seit 2005 werden hierfür brasilianische zweistufige Raketen vom Typ VSB-30 eingesetzt (vorher meist britische Höhenforschungsraketen vom Typ Skylark 7), die von Esrange bei Kiruna in Nordschweden starten. Sie erreichen in ballistischem Flug eine Gipfelhöhe von etwa 250 Kilometern. Dabei wird für sechs Minuten eine annähernde Schwerelosigkeit erreicht, die nur etwa ein Zehntausendstel der normalen Erdanziehung beträgt. Die Nutzlast der Raketen landet anschließend am Fallschirm und wird mit einem Hubschrauber geborgen.[1]

Nutzlasten

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Die Experimente befinden sich während des Fluges in übereinander liegenden, autonomen Modulen innerhalb der Rakete. Die Wissenschaftler steuern und überwachen vom Boden aus ihre Versuche durch „Telecommanding“ und Videoübertragung. Die Daten der Experimente werden während des Fluges per Telemetrie übertragen oder nach Bergung der wissenschaftlichen Nutzlasten ausgewertet.

Das TEXUS-Programm zeichnet sich aus durch:

  • eine weitgehende Wiederverwendbarkeit der Nutzlasten
  • relativ kurze Vorbereitungs- und Zugriffszeiten
  • eine regelmäßige Möglichkeit, unter Schwerelosigkeit zu forschen
  • geringere Sicherheitsanforderungen als bei astronautischen Missionen
  • eine relativ kostengünstige Durchführung

Industrieller Hauptauftragnehmer für den Bau der TEXUS-Nutzlasten und die Missionen ist die Firma Airbus Defense and Space in Bremen. Unterauftragnehmer sind OHB System AG (München) und DLR MORABA (Oberpfaffenhofen). Das DLR stellt Wissenschaftlern von deutschen Forschungsinstitutionen TEXUS für ausgewählte Experimente zur Verfügung.[2] Dazu gehören Themen aus dem Bereich der Gravitationsbiologie, Flüssigkeitsphysik und Strömungsforschung in Kapillarkanälen.

Texus-Missionen

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Für Missionen des Typs TEXUS dauert die Gesamtflugzeit etwa 15 Minuten. Mittels Radar wird der Pfad der Rakete ermittelt. Mit der Rakete und den mitfliegenden Experimenten können dabei Daten, Bilder, Videos und Steuerbefehle via Funk ausgetauscht werden.

Diese Liste ist unvollständig, jedoch sind fast alle seit dem 1993 erfolgten Starts aufgeführt.

Mission Datum Startplatz Motor Apogäum Nutzlast Modul Kommentare Referenz Report
Texus 1 Dezember 1977 Esrange Skylark 7 (?) [3]
Texus 30 1. Mai 1993 Esrange Skylark 7 376 kg Moraba (Mobile Raketenbasis) Startliste[4]
Texus 31 26. Nov. 1993 Esrange Skylark 7 346 kg
Texus 32 5. Mai 1994 Esrange Skylark 7 390 kg
Texus 33 13. November 1994 Esrange Skylark 7 331 kg
Texus 34 2. März 1996 Esrange Skylark 7 232 km 392 kg 4/DLR Esrange EUK112-9613
Texus 35 24. November 1996 Esrange Skylark 7 267 km 331 kg 4/(DLR+ESA) Esrange EUK114-9704
Texus 36 7. Februar 1998 Esrange Skylark 7 238 km
Texus 37 27. März 2000 Esrange Skylark 7 245 km 369 kg Esrange EUK130-E2
Texus 38 2. April 2000 Esrange Skylark 7 250 km 369 kg Fallschirm defekt; wissenschaftliche Experimente erfolgreich Esrange EUK130-E2
Texus 39 8. Mai 2001 Esrange Skylark 7 248 km 362 kg 4/DLR Esrange EUK148-E11
Texus 40 7. April 2003 Esrange Skylark 7 246 km 364 kg 4/DLR Schwerewahrnehmung von Pflanzen; Bewegung von Einzellern; Spreading Depression in Retina; Erstarren einer transparenten Substanz[5] Esrange EUK154-E19
Texus 41 2. Dezember 2004 Esrange Skylark 7 230 km 402 kg 4/DLR Esrange EUK163-E21
Texus 42 1. Dezember 2005 Esrange VSB-30 263 km 372 kg 1/DLR, 1/ESA
Texus 43 11. Mai 2006 Esrange VSB-30 237 km 407 kg 3/ESA Esrange EUK170-E19
Texus 44 7. Februar 2008 Esrange VSB-30 264 km
>6 m
373 kg 3/ESA +2 Membranmoleküle; Metallschmelze; Nicht-Gleichgewichtserstarrung (NEQUISOL); Kupferlegierungsschmelze unterkühlen (COOLCOP); Follikularzellen Esrange EUK173-E42
Texus 45 21. Februar 2008 Esrange VSB-30 264 km 357 kg 2/DLR, 1/ESA Schweresteine im Innenohr + Anpassung von Fischen; Sprayaufprall auf heiße Oberfläche; Zweiphasenströmung in Kapillarkanälen Esrange EUK174-E17
Texus 46 22. November 2009 Esrange VSB-30 252,3 km
6:28 m
392,9 kg 2 (1 Japan, 1 ESA) Die Nutzlast bestand aus dem 1,2 m langen, 103 kg schweren, zylindrischen Japanese Combustion Module (JCM) zur Verbrennung von Stickoxiden unter Mikrogravitation und einem 1,8 m langen und 177,3 kg schweren electromagnetic levitator (EML), der ESA zur Untersuchung des Schmelzverhaltens von Legierungen: 1. Stahl, 2. Palladium-Silizium.[6]
Texus 47 29. November 2009 Esrange VSB-30 263,6 km 373,5 kg 4 Eine der 2 Missionen aus 2009 landete abweichend in Norwegen.[7]
Texus 48 29. März 2011 Esrange VSB-30
Texus 49 27. November 2011 Esrange VSB-30 263 km
ca. 6 m
1/DLR, 2/ESA Untersucht wurden in ca. 6 Minuten Schwerelosigkeit Technologien für eine verbesserte Treibstoffversorgung in Raketenoberstufen und das Orientierungsvermögen von Fischlarven[8]
Texus 50 12. April 2013 Esrange VSB-30 261 km 4/DLR Vier deutsche Experimente aus Biologie und Materialforschung[9]
Texus 51 23. April 2015 Esrange VSB-30 259 km 4/DLR Vier deutsche Experimente zu Qualität und Wirkungsgrad von Solarzellen, einem Frequenzkamm-Laser, Störungen des menschlichen Immunsystems und Erstarrung metallischer Legierungen[10]
Texus 52 27. April 2015 Esrange VSB-30 260 km 4/DLR
Texus 53 23. Januar 2016 Esrange VSB-30  km Moraba Startliste
Texus 54 3. Mai 2018 Esrange VSB-30  km Moraba Startliste
Texus 55 31. Mai 2018 Esrange VSB-30  km Moraba Startliste
Texus 56 15. November 2019 Esrange VSB-30  km Moraba Startliste
Texus 57 1. Oktober 2022
08.26 UTC+2
Esrange VSB-30  km Silikonöl unter elektrischer Hochspannung (5 kV) (TEKUS) Der Start wurde verzögert durch COVID-19-Pandemie, einen Brand im August 2021, der die Starteinrichtung in Esrange beschädigte, und – als die Rakete startbereit stand – den Russischen Überfall auf die Ukraine 2022.[11][3]
Texus 58 24. April 2023, 07.20 UTC+2[12] Esrange VSB-30 250 km Zweite Raketenstufe mit Nutzlast landete per Fallschirm abweichend in Norwegen.[13]
Texus 59 15. Februar 2024, 14:42 UTC[14] Esrange VSB-30 264,5 km 1/DLR, 2/ESA Das SaFari Experiment untersuchte die Kristallisation von flüssigem Silikon in der Schwerelosigkeit, um die Leistung von Solarzellen zu verbessern. TOPOFLAME beobachtete die Ausbreitung von Feuer in der Schwerelosigkeit um die Sicherheit der bemannten Raumfahrt zu erhöhen. T-REX untersuchte wie sich menschliche Zellen in der Schwerelosigkeit verhalten.[14]
Texus 60 24. März 2024, 09:45 UTC Esrange VSB-30 251,7 km 400 kg 3 ACCESS e.V. in Aachen startete das Experiment SIMONA (Space Investigation of MONotectic Alloys) eine Untersuchung von Legierungen, die Datenmodelle für das Verhalten von Metallen beim Schmelzen verbessern soll.

Die Universität Frankfurt führte GECO (Gravity Elicited Calcium Oscillations) durch, ein Versuch, bei mit einem Mikroskop lebende Zellen in der Schwerelosigkeit beobachtet wurden und 3D-Bilder von Änderungen in der Kalziumkonzentration aufgenommen wurde.

Die Nihon-Universität in Tokio und die Universität Bremen untersuchten mit PHOENIX II Verbrennungsprozesse in der Schwerelosigkeit und wie sich Treibstofftropfen spontan entzünden. Dies soll bei der Erforschung von effizienteren Motoren.

Esrange Pressemitteilung vom 25. März 2024[15]

MiniTexus-Missionen

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Mission Datum Startplatz Motor Apogäum Nutzlast Modul Kommentare Referenz Report
MiniTexus 1 29. November 1993 Esrange Nike Orion
MiniTexus 2 3. Mai 1994 Esrange Nike Orion
MiniTexus 3 2. Mai 1995 Esrange Nike Orion 125 km 200 kg 1/DLR Erfolgreich Esrange EUK109-66
MiniTexus 4 29. April 1995 Esrange Nike Orion 148 km 162 kg 2/DLR Erfolgreich Esrange EUK109-66
MiniTexus 5 11. Februar 1998 Esrange Nike Orion
MiniTexus 6 3. Dezember 1998 Esrange Nike Orion

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. FlugRevue Juni 2008, S. 108–111, Raketen am Polarkreis
  2. DLR: TEXUS - Schwerelos in Schweden. Abgerufen am 13. Oktober 2023.
  3. a b Successful TEXUS 57 Launch – the weightless world above the Arctic Circle airbus.com, 6. Oktober 2022, abgerufen am 26. April 2023.
  4. Chronologische Liste von Raketen- und Ballon-Missionen mit Beteiligung der MORABA ("Moraba Startliste") moraba.de, ab 15. Mai 1966.
  5. Forschungsraketen-Kampagne des DLR - TEXUS 40 dlr.de, abgerufen am 26. April 2023.
  6. http://www.esa.int/esaHS/SEMMOW3VU1G_index_0.html
  7. Kritik nach Landung einer schwedischen Rakete in Norwegen orf.at, 26. April 2023, abgerufen am 26. April 2023.
  8. DLR Meldung zu Texus 48
  9. DLR Meldung zu Texus 50
  10. DLR Meldung zu Texus 51
  11. A beautiful launch of a beautiful rocket sscspace.com, 4. Oktober 2022, abgerufen am 26. April 2023.
  12. Anm. Kurz vor dem General Annual Meeting der SSC am 28. April 2023 in Solna, bei Stockholm, S.
  13. Kritik nach Landung einer schwedischen Rakete in Norwegen orf.at, 26. April 2023, abgerufen am 26. April 2023.
  14. a b Andrew Parsonson: TEXUS-59 Science Mission Successfully Launched from Esrange. In: European Spaceflight. 21. Februar 2024, abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch).
  15. Mattias Forsberg: TEXUS 60 successfully launched. 25. März 2024, abgerufen am 1. August 2024 (englisch).