Taylorreihe

approximierende Potenzreihe einer Funktion an einer Stelle
(Weitergeleitet von Taylorkoeffizient)

Die Taylorreihe wird in der Analysis verwendet, um eine analytische Funktion in der Umgebung einer Stelle durch eine Potenzreihe darzustellen, die der Grenzwert der Taylor-Polynome ist. Diese Reihenentwicklung wird Taylor-Entwicklung genannt. Reihe und Entwicklung sind nach dem britischen Mathematiker Brook Taylor benannt.

Approximation von ln(x) durch Taylorpolynome der Grade 1, 2, 3 bzw. 10 um die Entwicklungsstelle 1. Die Polynome konvergieren nur im Intervall (0, 2]. Der Konvergenzradius ist also 1.
Animation zur Approximation ln(1+x) an der Stelle x=0

Definition

Bearbeiten

Ist   ein offenes Intervall,   eine glatte Funktion und   ein Element von  , so heißt die unendliche Reihe


 

die Taylorreihe von   mit Entwicklungsstelle  . Hierbei bezeichnet   die Fakultät von   und   die  -te Ableitung von  , wobei man   setzt.

Die Reihe ist hier zunächst nur „formal“ zu verstehen. Das heißt, dass die Konvergenz der Reihe nicht vorausgesetzt ist. In der Tat gibt es Taylorreihen, die nicht überall konvergieren (für   siehe obige Abbildung). Auch gibt es Taylorreihen, die zwar konvergieren, aber nicht gegen die Funktion, aus der die Taylorreihe gebildet wird – zum Beispiel   für  

Im Spezialfall   wird die Taylorreihe auch Maclaurin-Reihe genannt.

Die Summe der ersten beiden Terme der Taylorreihe

 

nennt man auch Linearisierung von   an der Stelle  . Allgemeiner nennt man die Partialsumme

 

die für festes   ein Polynom in der Variablen   darstellt, das  -te Taylorpolynom.

Die Taylorformel mit Restglied macht Aussagen darüber, wie dieses Polynom von der Funktion   abweicht. Aufgrund der Einfachheit der Polynomdarstellung sowie der guten Anwendbarkeit der Restgliedformeln sind Taylorpolynome ein häufig angewandtes Hilfsmittel der Analysis, der Numerik, der Physik und der Ingenieurwissenschaften.

Eigenschaften

Bearbeiten

Die Taylorreihe   zur Funktion   ist eine Potenzreihe mit den Ableitungen

 

und somit folgt durch vollständige Induktion:

 

Übereinstimmung an der Entwicklungsstelle

Bearbeiten

Wegen

 

stimmen an der Entwicklungsstelle   die Taylorreihe   und ihre Ableitungen mit der Funktion   und deren Ableitungen überein:

 

Gleichheit mit der Funktion

Bearbeiten

Im Fall einer analytischen Funktion   stimmt die Taylorreihe mit dieser Potenzreihe überein, denn es gilt

 

und somit  .

Wichtige Taylorreihen

Bearbeiten

Exponentialfunktionen und Logarithmen

Bearbeiten
 
Animation zur Taylorreihenentwicklung der Exponentialfunktion an der Stelle x=0

Die natürliche Exponentialfunktion wird auf ganz   durch ihre Taylorreihe mit Entwicklungsstelle 0 dargestellt:

 

Beim natürlichen Logarithmus hat die Taylorreihe mit Entwicklungsstelle 1 den Konvergenzradius 1, d. h., für   wird die Logarithmusfunktion durch ihre Taylorreihe dargestellt (vgl. Abb. oben):

 

Schneller konvergiert die Reihe

 

und daher ist sie geeigneter für praktische Anwendungen.

Wählt man   für ein  , so ist   und  .

Trigonometrische Funktionen

Bearbeiten
 
Approximation von sin(x) durch Taylorpolynome T vom Grad 1, 3, 5 und 7
 
Animation: Die Kosinusfunktion um die Stelle 0 entwickelt, in sukzessiver Näherung

Für die Entwicklungsstelle   (Maclaurin-Reihen) gilt:

 

Hierbei ist   die  -te Bernoulli-Zahl und   die  -te Eulersche Zahl.

 

Produkt von Taylorreihen

Bearbeiten

Die Taylorreihe eines Produkts zweier reeller Funktionen   und   kann berechnet werden, wenn die Ableitungen dieser Funktionen an derselben Entwicklungsstelle   bekannt sind:

 

Mit Hilfe der Produktregel ergibt sich dann:

 

Sind die Taylorreihen der beiden Funktionen explizit gegeben:

 

so gilt

 

mit

 

Dies entspricht der Cauchy-Produktformel der beiden Potenzreihen.

Beispiel

Bearbeiten

Seien  ,   und  . Dann gilt

 

und wir erhalten

 

in beiden Fällen also

 

und somit

 

Diese Taylorentwicklung wäre allerdings auch direkt über die Berechnung der Ableitungen von   möglich:

 

Taylorreihen nichtanalytischer Funktionen

Bearbeiten

Dass die Taylorreihe an jeder Entwicklungsstelle   einen positiven Konvergenzradius hat und in ihrem Konvergenzbereich mit   übereinstimmt, gilt nicht für jede beliebig oft differenzierbare Funktion. Aber auch in den folgenden Fällen nichtanalytischer Funktionen wird die zugehörige Potenzreihe als Taylorreihe bezeichnet.

Konvergenzradius 0

Bearbeiten

Die Funktion

 

ist auf ganz   beliebig oft differenzierbar, aber ihre Taylorreihe in   ist

 

und somit nur für   konvergent (nämlich gegen bzw. gleich 1).[1]

Eine Funktion, die in einer Entwicklungsstelle nicht in eine Taylorreihe entwickelt werden kann

Bearbeiten

Die Taylorreihe einer Funktion konvergiert nicht immer gegen die Funktion. Im folgenden Beispiel stimmt die Taylorreihe auf keiner Umgebung um die Entwicklungsstelle   mit der Ausgangsfunktion überein:

 

Als reelle Funktion ist   beliebig oft stetig differenzierbar, wobei die Ableitungen in jedem Punkt   (insbesondere für  ) ausnahmslos 0 sind. Die Taylorreihe um den Nullpunkt ist also die Nullfunktion und stimmt in keiner Umgebung der 0 mit   überein. Daher ist   nicht analytisch. Die Taylorreihe um eine Entwicklungsstelle   konvergiert zwischen   und   gegen  . Auch mit einer Laurentreihe lässt sich diese Funktion nicht approximieren, weil die Laurentreihe, die die Funktion für   korrekt wiedergibt, für   nicht konstant 0 ergibt.

Mehrdimensionale Taylorreihe

Bearbeiten

Sei nun im Folgenden   eine beliebig oft stetig differenzierbare Funktion mit Entwicklungsstelle  .

Dann kann man zur Funktionsauswertung   eine mit   und   parametrisierte Familie von Funktionen   einführen, die man so definiert:

 

  ist dann, wie man durch Einsetzen von   feststellt, gleich  .

Berechnet man nun von   die Taylorentwicklung am Entwicklungspunkt   und wertet sie bei   aus, so erhält man die mehrdimensionale Taylorentwicklung von  :

 

Mit der mehrdimensionalen Kettenregel und den Multiindex-Notationen für  

 

erhält man ferner:

 

Mit der Schreibweise   erhält man für die mehrdimensionale Taylorreihe bzgl. des Entwicklungspunktes  

 

in Übereinstimmung zum eindimensionalen Fall, falls man die Multiindex-Notation verwendet.

Ausgeschrieben sieht die mehrdimensionale Taylorreihe wie folgt aus:

 

Beispiel

Bearbeiten

Zum Beispiel gilt nach dem Satz von Schwarz für die Taylorreihe einer Funktion  , die von   abhängt, an der Entwicklungsstelle  :

 

Operatorform

Bearbeiten

Die Taylorreihe lässt sich auch in der Form   darstellen, wobei mit   der gewöhnliche Ableitungsoperator gemeint ist. Der Operator   mit   wird als Translationsoperator bezeichnet. Beschränkt man sich auf Funktionen, die global durch ihre Taylorreihe darstellbar sind, so gilt  . In diesem Fall gilt also

 

Für Funktionen von mehreren Variablen lässt sich   durch die Richtungsableitung   austauschen. Es ergibt sich

 

Man gelangt von links nach rechts, indem man zunächst die Exponentialreihe einsetzt, dann den Gradienten in kartesischen Koordinaten sowie das Standardskalarprodukt und schließlich das Multinomialtheorem verwendet.

Für die Taylorreihe lässt sich auch ein diskretes Analogon finden. Man definiert dazu den Differenzenoperator   durch  . Offensichtlich gilt nun  , wobei mit   der Identitätsoperator gemeint ist. Potenziert man nun auf beiden Seiten mit   und verwendet die binomische Reihe, so ergibt sich

 

Man gelangt zur Formel

 

wobei mit   die absteigende Faktorielle gemeint ist. Diese Formel ist als newtonsche Formel zur Polynominterpolation bei äquidistanten Stützstellen bekannt. Sie stimmt für alle Polynomfunktionen, braucht aber für andere Funktionen nicht unbedingt korrekt zu sein.

Verallgemeinerung

Bearbeiten

Die koordinatenfreie Verallgemeinerung der Taylorreihe ist das Konzept des Jets.

Siehe auch

Bearbeiten
Bearbeiten
Wikibooks: Taylorreihe mit Konvergenzradius Null – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Taylor-Reihe mit Konvergenzradius Null (Wikibooks).