Strahlung
Der Begriff Strahlung bezeichnet die Ausbreitung von Teilchen oder Wellen. Im ersten Fall spricht man von Teilchen- oder Korpuskularstrahlung, im zweiten von Wellenstrahlung.
Die Unterscheidung zwischen Teilchen und Wellen ist historisch und hat als anschauliche Aussage nach wie vor Bedeutung. Jedoch hat nach heutiger Kenntnis jede Strahlung sowohl Teilchen- als auch Welleneigenschaften (siehe auch Welle-Teilchen-Dualismus)[1][2].
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Verwendung des Wortes
BearbeitenStrahlen, die Mehrzahl zu Strahl, wird manchmal gleichbedeutend mit dem Begriff Strahlung verwendet, auch in Zusammensetzungen wie etwa Alpha- oder Röntgenstrahlen. Eine Einzahl wie etwa Röntgenstrahl bezeichnet dagegen fast immer ein Strahlenbündel, das gerichtet ist und dabei Energie und Impuls transportiert. Wenn der Strahl aus Teilchen mit Masse, Ladung oder anderen Eigenschaften besteht, werden auch diese transportiert. Lichtstrahl kann allerdings beides, den idealisierten linienförmigen Strahl (siehe geometrische Optik) oder ein Strahlenbündel, bedeuten. Die Mehrdeutigkeit des deutschen Wortes Strahl zeigt sich auch darin, dass in anderen Sprachen jeweils mehrere verschiedene Ausdrücke dafür existieren. Im Englischen bezeichnet zum Beispiel ray einen gedachten, idealisierten Strahl, beam ein Strahlenbündel und jet einen Strahl aus makroskopischer Materie.
Die Ausbreitung von Schall und anderen mechanischen Wellen folgt ähnlichen Gesetzen wie die Ausbreitung von elektromagnetischer Strahlung. Sie werden dennoch kaum als Strahlung bezeichnet.
Grundlagen
BearbeitenTrifft die Strahlung auf ein Hindernis, wird sie entweder absorbiert (aufgenommen und umgewandelt), transmittiert (hindurchgelassen), gebeugt, gebrochen, gestreut oder reflektiert (zurückgeworfen).
Die historische Debatte, ob Lichtstrahlen aus Teilchen oder Wellen bestehen, wurde durch die Quantenphysik beendet. Danach besteht ein Lichtstrahl aus Photonen, deren Aufenthaltsort im Rahmen der Quantenmechanik durch eine Wahrscheinlichkeitswelle beschrieben wird. Diese Wahrscheinlichkeitswellen können miteinander interferieren (siehe Doppelspaltversuch). Louis de Broglie hat in seiner Theorie der Materiewellen gezeigt, dass jedem Teilchen eine Wellenlänge zugeordnet werden kann. Dies erklärt, warum zum Beispiel ein Elektronenstrahl auch Interferenzphänomene zeigt (siehe auch Welle-Teilchen-Dualismus).
Charakterisierung
BearbeitenMan unterscheidet Strahlung nach ihren Bestandteilen, nach ihrer Quelle oder nach ihrer Wirkung.
Bestandteile
BearbeitenElektromagnetische Wellen
BearbeitenElektromagnetische Wellen bestehen aus Photonen. Elektromagnetische Wellen mit kurzer Wellenlänge, also hoher Photonenenergie, werden im Sprachgebrauch häufig als elektromagnetische Strahlung bezeichnet: so z. B. Gammastrahlung, Röntgenstrahlung, Bremsstrahlung, UV-Strahlung, Wärmestrahlung oder Infrarotstrahlung. In einem anderen Bereich, in welchem die Photonenenergie nicht so hoch ist, spricht man eher von Wellen, etwa Radiowellen.
Teilchenstrahlung
BearbeitenDie Ausdrücke Teilchenstrahlung und Korpuskularstrahlung werden manchmal als Oberbegriffe für Strahlung verwendet, deren Bestandteile eine von Null verschiedene Masse haben.
Teilchenstrahlung unterscheidet man nach der Sorte der Teilchen, aus denen sie besteht, beispielsweise Alphastrahlung (α-Teilchen), Betastrahlung (Elektronen oder Positronen) oder Neutronenstrahlung. Handelt es sich um Ionen, d. h. geladene Teilchen, ist auch (gelegentlich) von Ionenstrahlung die Rede.
Weiterhin gibt es die sog. Molekularstrahlung[3]; siehe auch Otto Stern und Walther Gerlach.
Herkunft
BearbeitenStrahlung lässt sich nach Entstehungsmechanismus und nach -ort unterscheiden. Im Folgenden einige Beispiele:
Bei Strahlung aus dem Weltraum unterscheidet man beispielsweise Sonnenstrahlung, kosmische Strahlung, Hintergrundstrahlung und Hawking-Strahlung.
Strahlung, die von radioaktiven Stoffen ausgeht, wird häufig fälschlicherweise als radioaktive Strahlung bezeichnet, obwohl nicht die Strahlung radioaktiv ist, sondern der emittierende Stoff. Die Strahlung aufgrund der natürlichen Radioaktivität der Erde heißt terrestrische Strahlung.
Technisch erzeugte Strahlung kann auch eigenständige Bezeichnungen erhalten, etwa Kathodenstrahlung, Synchrotronstrahlung oder Tscherenkow-Strahlung.
Wirkung
BearbeitenIonisierende Strahlung
BearbeitenIst die Energie der Strahlungsteilchen so hoch, dass sie aus Atomen oder Molekülen Elektronen entfernen kann, wird die Strahlung als ionisierende Strahlung (englisch ionizing radiation)[4] bezeichnet. Elektromagnetische Wellen in diesem Energiebereich geben oft beim ersten Stoß einen Großteil ihrer Energie ab. Für die Energie- und Materialabhängigkeit siehe Massenschwächungskoeffizient. Geladene Teilchen mit hoher Energie geben diese beim Durchgang durch Materie in vielen kleinen Portionen ab. Für die Energie- und Materialabhängigkeit siehe Bremsvermögen. Ionisierende Strahlung ist zu unterscheiden von Strahlung mit ionisierten Teilchen, auch genannt Ionenstrahlung.
„Harte“ und „weiche“ Strahlung
BearbeitenBei verschiedenen Strahlenarten, zum Beispiel Röntgen-, Gamma- und auch Betastrahlung, wird manchmal von „harter“ (hier gleichbedeutend mit energiereicher, kurzwelliger) oder „weicher“ (energieärmerer, langwelligerer) Strahlung gesprochen. Genaue Abgrenzungen dieser Begriffe gibt es aber nicht. Von Harter Röntgenstrahlung wird beispielsweise in der Röntgenoptik gesprochen, wenn in etwa die Wellenlänge kürzer ist als der Abstand der Atome im Festkörper, also im Bereich 0,01 bis ca. 0,5 nm.
Siehe auch
Bearbeiten- Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)
- Strahlendosis / Dosimeter
- Strahlenschutz / Geschichte des Strahlenschutzes / Strahlenschaden / Strahlenexposition (Strahlenbelastung)
- Strahlenresistenz / Strahlentherapie / Strahlenkrankheit
Literatur
BearbeitenFachliteratur
Bearbeiten- Feynman-Vorlesungen über Physik – Band 2. Strahlung und Wärme; aktuelle Auflagen siehe dort.
- Haro Buttlar, Manfred Roth: Radioaktivität: Fakten, Ursachen, Wirkungen. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 1990, ISBN 978-3-642-75062-5, doi:10.1007/978-3-642-75062-5.
- Stephan Kabelac: Thermodynamik der Strahlung. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 1994, ISBN 978-3-663-12475-7, doi:10.1007/978-3-663-12474-0.
- Michael F. Modest: Radiative Heat Transfer. 3rd Auflage. Elsevier, 2013, ISBN 978-0-12-386944-9, doi:10.1016/C2010-0-65874-3 (englisch).
- Helmut Wiedemann: Particle Accelerator Physics (= Graduate Texts in Physics). 4. Auflage. Springer International Publishing, Cham 2015, ISBN 978-3-319-18316-9, doi:10.1007/978-3-319-18317-6 (englisch).
- Hans Dieter Baehr, Karl Stephan: Wärmestrahlung. In: Wärme- und Stoffübertragung. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-58440-8, S. 617–750, doi:10.1007/978-3-662-58441-5_5.
- Hanno Krieger: Strahlungsquellen für Physik, Technik und Medizin. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-66745-3, doi:10.1007/978-3-662-66746-0.
Klassiker
Bearbeiten- Max Planck: The Theory of Heat Radiation (= Dover Books on Physics). Dover Publications, Newburyport, MA 2013, ISBN 978-0-486-17328-3 (englisch, archive.org). Deutsch: Theorie der Wärmestrahlung oder Vorlesung über die Theorie der Wärmestrahlung (1923)
- E. Lax, M. Pirani: Temperaturstrahlung fester Körper (= Handbuch der Physik). Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 1929, ISBN 978-3-642-98454-9, doi:10.1007/978-3-642-99268-1.
- Archie G. Worthing, David Halliday: Heat. John Wiley & Sons, New York 1948 (archive.org).
- W. Heitler: The Quantum Theory of Radiation (= The International Series of Monographs on Physics). Oxford University Press ; Clarendon Press, Oxford ; Clarendon 1954 (archive.org). Nachfolger:
- E. R. Pike, S. Sarkar: The Quantum Theory of Radiation (= The International Series of Monographs on Physics). Oxford University Press ; Clarendon Press, Oxford ; Clarendon 1995.Quantenelektrodynamik (QED). Siehe auch
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ D. R. Hartree: The Wave Mechanics of an Atom with a Non-Coulomb Central Field. Part I. Theory and Methods. In: Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. Band 24, Nr. 1, Januar 1928, ISSN 0305-0041, S. 89–110, doi:10.1017/S0305004100011919 (englisch, cambridge.org [abgerufen am 17. Januar 2025] In vier Teilen (I-IV)).
- ↑ W. Heitler: Elementary Wave Mechanics. Hrsg.: Oxford University Press; Clarendon. Oxford 1956 (englisch, archive.org).
- ↑ Molecular Beams in Physics and Chemistry: From Otto Stern's Pioneering Exploits to Present-Day Feats. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-03063962-4, doi:10.1007/978-3-030-63963-1 (springer.com [abgerufen am 17. Januar 2025]).
- ↑ Ionizing radiation. U.S.NRC, abgerufen am 17. Januar 2025 (amerikanisches Englisch).