Teukros von Babylon
Teukros von Babylon (altgriechisch Τεῦκρος ὁ Βαβυλώνιος, gelegentlich auch Teucer von Babylon) war ein hellenistischer Astrologe. Von seinen Schriften sind drei Fragmente überliefert, in denen er sich vor allem mit Paranatellonta befasst. Er wirkte stark auf die astrologische Überlieferung ägyptisch-hellenistischer Konzepte in der Spätantike, der arabischen und persischen Astrologie und auf die astrologische Ikonografie des Mittelalters bis in die Neuzeit.
Über seine Lebensdaten ist nichts Genaues bekannt. Er wird von Porphyrios zitiert[1], lebte also spätestens im 3. Jahrhundert, sofern das Porphyrios-Zitat authentisch ist. Seine Schriften wurden von Teukros sowohl von Vettius Valens als auch von Rhetorios verwendet, wodurch Teukros spätestens ins 1. Jahrhundert zu datieren wäre.[2] Teukros war aber schon eine der Quellen für die Astronomica des Marcus Manilius, womit Teukros spätestens in das 1. Jahrhundert v. Chr. zu datieren wäre.[3] Eines seiner Sternbilder (Minerva = Πάλλας) kannte schon Vergil. Teukros stammte vermutlich nicht aus der mesopotamischen Stadt Babylon, sondern aus dem bei Heliopolis gelegenen Babylon in Ägypten.[4] Teukros erfand einen neuen Sternhimmel, der von dem hellenistischen, durch Eratosthenes und Hipparch begründeten abweicht. Zwischen den Tierkreiszeichen und den extrazodiakalen Sternbildern (Paranatellonten) stellte er hochspekulative Bezüge her.
Drei Fragmente seiner Schrift über die Paranatellonta sind überliefert:
Paranatellonta der 36 Dekane
- Dieser erste von Franz Boll publizierte Teukros-Text ist von dem spätantiken Astrologen Rhetorios überliefert und in Dekane gegliedert, also in Abschnitte der Tierkreiszeichen zu je 10°. Reflexe dieses Textes finden sich bei Rhetorios und in einem byzantinischen Lehrgedicht des 12. Jahrhunderts von Johannes Kamateros, in einer Oxforder Handschrift (Excerptum Baroccianum II[5]) und in der Großen Einführung in die Astronomie des Albumasar (siehe unten).[3]
- Der von Boll als TR bezeichnete Text ist überliefert als eine Wiener astrologische Sammelhandschrift T[6], sowie als eine Berliner Handschrift R.[7]
- Publiziert in: Franz Boll: Sphaera. Teubner, 1903, S. 16–21. Auch in: Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum VII (1908), S. 156–214. Kritische Ausgabe: Wolfgang Hübner: Grade und Gradbezirke. Teubner, 1995, Bd. I, S. 126f. (zusammen mit einer lateinischen Übersetzung des 10. Jahrhunderts) und Bd. II, S. 94–103 (Kommentar).
- Paranatellonta zu verschiedenen Graden des Tierkreises
- Der zweite von Boll publizierte Text ist nicht nach Dekanen, sondern nach kleineren Bereichen von meist 2° oder 5° gegliedert. Dadurch erhöht sich die Zahl der entsprechenden Sternbilder erheblich von den 48 des Ptolemäus auf 140.
- Überliefert ist der von Boll so genannte Zweite Text in drei Handschriften, nämlich einem Pariser Text P[8], einer Handschrift der Laurenziana L[9] und einem vatikanischen Manuskript V.[10] Spuren dieses Textes finden sich in der Oxforder Handschrift (Excerptum Baroccianum I).
- Publiziert in: Franz Boll: Sphaera. Teubner, 1903, S. 41–52. Kritische Ausgabe: Wolfgang Hübner: Grade und Gradbezirke. Teubner, 1995, Bd. I, S. 108–127 (zusammen mit einer lateinischen Übersetzung des 10. Jahrhunderts) und Bd. II, S. 1–93 (Kommentar).
- Paranatellonta der Dekane
- Das dritte Teukros-Fragment ist wieder nach Dekanen gegliedert: Er geht die 36 Dekane jeweils nach den sieben Planeten durch und enthielt ursprünglich 252 Abschnitte. Erhalten sind nur Fragmente des ersten Widder-Dekans und des dritten Stier-Dekans.
- Publiziert wurde er von Stefan Weinstock in Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum IX 2 (1953), S. 180–186.
Der persische Astronom und Astrologe Albumasar hat Material aus einer mittelpersischen Übersetzung von Teukros’ Schrift in seinem großen Werk über die Astronomie verwendet, das im Westen unter dem lateinischen Übersetzungstitel Introductorium in astronomiam (oder auch Introductorium maius, Bagdad 848, Erstdruck einer lateinischen Übersetzung Augsburg 1489) bekannt ist, Kritische Ausgabe von K. Yamamoto und Ch. Burnett, Boston 2019, vgl. die siebenbändige Ausgabe von R. Lemay, Neapel 1995–1996. Auf diesem Weg kamen die Konzepte des Teukros zurück in das Abendland und wurden rezipiert, so im Astrolabium planum des Pietro d’Abano, und wirkten auf Buchmalerei und Ikonografie, zum Beispiel in den astrologischen Fresken des Palazzo della Ragione in Padua (1425–1440) oder in den astrologisch inspirierten Monatsbildern des Salone dei Mesi des Palazzo Schifanoia in Ferrara (1469/1470).[11]
Von Bedeutung ist Teukros ferner dadurch, dass er neben den 48 klassischen Sternbildern des Ptolemäus, der Sphaera graeca, zahlreiche weitere Konstellationen aus nicht-griechischer Überlieferung benennt, wodurch er zu einer der wenigen Quellen zu den Konstellationen der Sphaera barbarica wird.[12]
Literatur
Bearbeiten- Franz Boll: Sphaera. Neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder. Teubner, Leipzig 1903 (Nachdruck Olms, Hildesheim 1967, Digitalisat ).
- Wilhelm Gundel: Teukros 5. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band V A,1, Stuttgart 1934, Sp. 1132–1134.
- Wolfgang Hübner: Manilius, Astronomica Buch V. Band 1: Einführung, Text und Übersetzung. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-020670-8, S. 16–20.
- Wolfgang Hübner: Grade und Gradbezirke der Tierkreiszeichen. Der anonyme Traktat De stellis fixis, in quibus gradibus oriuntur signorum. Quellenkritische Edition mit Kommentar. 2 Bde. Teubner, Stuttgart 1995.
- Wolfgang Hübner: Teukros im Spätmittelalter. In: International Journal of the Classical Tradition Bd. 1, Nr. 2 (Herbst, 1994), S. 45–57, JSTOR:30221823.
- Wolfgang Hübner: Teukros [4]. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 12/1, Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-01482-7, Sp. 205–206.
- Francesca Rochberg: Teukros of Egyptian Babylon. In: Paul T. Keyser, Georgia L. Irby-Massie (Hrsg.): The Encyclopedia of Ancient Natural Scientists. Routledge, 2008, ISBN 978-1-134-29802-0, S. 778.
- Tang-i laušā yā Ṣūwar-i daraǧ. Teheran 1978 (persische Übersetzung von Ta paranatellonta tois dekanois).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Porphyrios: Isagoge 47.
- ↑ David Pingree: The Yavanajātaka of Sphujidhvaja. Bd. 2. Harvard University Press, 1978, S. 442.
- ↑ a b Wolfgang Hübner: Manilius, Astronomica Buch V. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-020670-8, Band 1, S. 17.
- ↑ Chris Brennan: Hellenistic Astrology : The Study of Fate and Fortune. Amor Fati Publications, 2017, ISBN 978-0-9985889-0-2, S. 78.
- ↑ Oxford Codex Baroccianus 94 (6. XV—XVI) f. 113r.
- ↑ Codex Vindobonensis philos. 108 f. 249v.
- ↑ Codex Berolinensis gr. 173 (Phillipp. 1577) f. 139.
- ↑ Zwei Varianten in Codex Parisinus graecus gr. 2506 f. 119v (= P1) und 2424 s. XIV f. 134v (= P2).
- ↑ Codex Laurentianus XXVIII 34 (saec. X—X1) f. 134v–136v
- ↑ Codex Vaticanus graecus 1056 f. 28.
- ↑ Teukros of Babylon (1) ( vom 30. April 2017 im Internet Archive), Artikel in The Melammu Project.
- ↑ Franz Boll: Sphaera. Teubner, 1903, S. V f.
Personendaten | |
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NAME | Teukros von Babylon |
ALTERNATIVNAMEN | Teucer von Babylon; Tangalūšā; Tangalaušā; Tangalūshā; Tangalūshāh |
KURZBESCHREIBUNG | hellenistischer Astrologe |
GEBURTSDATUM | zwischen 1. Jahrhundert v. Chr. und 3. Jahrhundert |
STERBEDATUM | zwischen 1. Jahrhundert v. Chr. und 3. Jahrhundert |