Die Texturperspektive (auch Texturgradient[1], abnehmende Detailschärfe, Strukturperspektive; englisch: texture gradient, texture perspective, structural perspective) beschreibt die Veränderung von detailreichen Texturen (Strukturen und Muster von Oberflächen) im Vordergrund zu weniger detailreichen Texturen im Hintergrund. Die einzelnen Elemente der Oberflächenstrukturen rücken mit zunehmender Entfernung dichter zusammen und werden kleiner, kontrastärmer und undeutlicher,[2] bis sie schließlich ununterscheidbar, einfarbig-flächig werden. Die Texturperspektive ist eine weit verbreitete Methode in Fotografie und Kunst.

Visuelle Wahrnehmung

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Bedingt durch das beschränkte (räumliche) Auflösungsvermögen des Auges, nimmt unser Sehapparat Objekte, die sich in der Nähe befinden, detailreicher, deutlicher, größer, klarer und kontrastreicher wahr als in der Ferne. Beispielsweise lassen sich die Rillen an unseren Fingerkuppen von Nahem erkennen, aber bereits bei ausgestrecktem Arm nicht mehr. Die Texturperspektive liefert für unser visuelles System wichtige Hinweise, um daraus Schlussfolgerungen auf Entfernung und räumliche Tiefe zu ziehen.[3]

Anwendung in der Kunst

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Die Linear-, Luft- oder Farbperspektive reichen nicht immer, um „in zweifelhaften Fällen Gewissheit über die wahren Raumverhältnisse zu verschaffen. … zum Wenigsten muss man Einsicht in die Bodenverhältnisse … haben …“[4] Die Texturperspektive verwenden Künstlerinnen und Künstler seit Jahrhunderten, um eine realistisch wirkende Raumdarstellung in einem zweidimensionalen Bild zu erzeugen. Strukturierte Flächen mit auffälligen Texturen erscheinen näher. Detaillierte Ansichten von Gras, Felsen, Blättern, Haaren oder Stoffmustern liegen im Vordergrund. Glatte, ruhige Flächen mit weniger auffälligen Texturen bilden den Hintergrund. Auch die Textur des Farbauftrags kann zur Tiefenwirkung beitragen. Eine lebhaft, pastos, dick und reliefhaft aufgetragene Farbe wird eher als nah empfunden als ein glatter, dünner, lasierender Farbauftrag.[5]

Anwendung in der Fotografie

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In der Fotografie entsteht die Texturperspektive automatisch, da beim Fotoapparat – wie beim menschlichen Auge auch – das Auflösungsvermögen begrenzt ist. Der Effekt lässt sich aber auch steuern durch die Wahl der Blende, der Fokuseinstellung oder der Distanz zum Motiv. Fotografinnen und Fotografen können beispielsweise Vordergrundelemente wie Felsen oder Pflanzen scharf und detailliert aufnehmen und den Hintergrund unscharf. Die Texturen im Hintergrund sind damit kontrastärmer und undeutlicher, was die Tiefenwirkung erhöht.

Einzelnachweise

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  1. Gerald Bühring verwendet den Begriff Texturperspektive in seinem Buch Perspektive. Unsere Weltsicht in Psychologie, Philosophie und Kunst, WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-26405-6, S. 39. Im Internet findet sich aber auch häufig der Begriff Texturgradient.
  2. Gerald Bühring: Perspektive. Unsere Weltsicht in Psychologie, Philosophie und Kunst. WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-26405-6, S. 39 und 40.
  3. Texturgradient. In: Lexikon der Psychologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2000, abgerufen am 18. September 2024 (deutsch).
  4. Lionardo da Vinci: Das Buch von der Malerei (Trattato della pittura). Deutsche Ausgabe nach dem Codex vaticanus (Urbinas) 1270. Übersetzt und übersichtlicher geordnet von Heinrich Ludwig. Hrsg.: Heinrich Ludwig. Wilhelm Braumüller Edition, Wien 1882, S. 189.
  5. Mitchell Albala: “Tactile Perspective” in Landscape Painting: Using Paint Texture to Help Suggest Depth. In: Landscape Theory. 29. März 2024, abgerufen am 20. September 2024 (englisch).