Trauminkubation

Technik, bei der durch einen Traum eine Antwort oder Lösung durch eine Fragestellung vor dem Schlafengehen inkubiert wird

Trauminkubation ist eine Technik, bei der durch einen Traum eine Antwort oder Lösung auf eine persönliche Frage oder ein Problem durch eine Fragestellung vor dem Schlafengehen inkubiert (lat. incubare „liegen auf“, „ausbrüten“) wird. Die Methode ist eine moderne Version des Tempelschlafs (Enkoimesis) und wird in der Neuzeit therapeutisch, spirituell oder hedonistisch zur Problemlösung eingesetzt.[1]

Geschichte

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Die Trauminkubation hat eine lange Vorgeschichte in den Ritualen der Schamanen der Indianer Nordamerikas in Form der Visionssuche.[2] Bei den Anishinabe (Ojibwa) aus der Region rund um die Großen Seen (USA, Kanada) wurde die Trauminkubation nicht ausschließlich zur Heilung eingesetzt, sondern auch als männliches Übergangsritual vom Kind zum Erwachsensein. Der initiierte Junge baute allein in der Wildnis ein rituelles Nest, wo er blieb und fastete, bis er im Traum durch die Geisterwelt Geschenke oder Fähigkeiten erwarb.[2]

 
Asklepios mit zeus­ähnlichen Gesichts­zügen (Kopiezeichnung)

Auch in den religiösen Kulten des antiken Griechenlands finden sich Elemente der Trauminkubation.[2] Kranke besuchten damals Tempel oder Heiligtümer, um im Schlaf Krankheitsdiagnosen oder Heilung durch Asklepios (Äskulap), den Gott der Heilkunst, oder andere Götter der griechischen Mythologie zu erfahren.[3]

Die Praxis der Inkubation findet sich auch bei islamischen Heiligtümern in Form der Istichāra (istiḫāra). Hierbei spricht ein Muslim bestimmte Bittgebete (Duʿā'), bevor er sich in dem betreffenden Heiligtum schlafen legt. Während des Schlafes soll er dann göttliche Rechtleitung erhalten (رُؤْيَا / ru'ya, ein von Allah geschickter Traum).[4] Viele Muslime greifen auf diese Methode zurück, wenn sie wichtige Lebensentscheidungen treffen, zum Beispiel einen Ehepartner aussuchen oder sich für einen Beruf entscheiden. Auch knüpft sich an den Ritus die Erwartung, dass er für die betreffende Person heilvolle Wirkungen hat.[5]

Praxis in der Neuzeit

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Heute findet die Trauminkubation Anwendung in der Schlafforschung sowie in der Psychotherapie.[6][7][8] Verschiedene Therapietechniken und Induktionsmethoden sind beschrieben.[9][1][10][11]

Deirdre Barrett untersuchte 1993 in einer Studie an der Harvard Medical School die Methode von William C. Dement,[12] vor dem Schlafengehen für 15 Minuten über ein spezielles Problem nachzudenken. Sie ließ ihre Studenten eine Woche lang über eine ungelöste Hausaufgabe oder ein anderes objektives Problem nachdenken, bevor sie zu Bett gingen. Barrett fand, dass es möglich war, neue Lösungen während des Träumens zu entwickeln, die für den Träumer zufriedenstellend wie auch durch einen außenstehenden Beobachter objektiv bewertbar waren. In ihrer Studie hatten zwei Drittel der Teilnehmer Träume, die gewählte Probleme beinhalteten, wobei ein Drittel eine Lösung durch die Träume fand. Dabei wurden eher Lösungen für persönliche Probleme gefunden als für Probleme akademischer oder generell objektiver Natur.[13]

96 Teilnehmer einer Trauminkubationsstudie von 2003 berichteten häufig von reduzierter Problembedrängnis, größerer Problemlösbarkeit und Verbesserung des Fokus auf ihr Problem. Die Studie beschreibt auch die Schwierigkeiten, Trauminkubation qualitativ zu messen.[1] Gayle Delaney schreibt in Dream Incubation (2015), dass es einfach sei, einen Traum zu inkubieren, jedoch die Interpretation für den Therapeuten mühsam und zeitaufwändig sei.[8]

Weiterhin wird die Trauminkubation für das Einleiten von Klarträumen genutzt.[14] Stephen LaBerge, Pionier der klinischen Klartraumforschung, beschreibt in seinem Buch Exploring the World of Lucid Dreaming (1990) zwei Techniken, bei denen sich ein Klarträumer einen Ort oder eine Person vorstellt, die er besuchen will, um mit seiner Absicht einen Klartraum zu induzieren. Mit dieser Absicht legt sich der Klarträumer sofort in sein Bett und erhält die Absicht, ohne dabei andere Gedanken zuzulassen, so lange aufrecht, bis er einschläft.[14] Diese Methoden erinnern an die sogenannten dream induced lucid dreaming-, kurz DILD-Techniken. Intentionstechniken zur Einleitung von Klarträumen stellten sich in einer Übersichtsarbeit von Stumbrys et al. (2012) als erfolgreich heraus.[15]

Literatur

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Wikibooks: Klartraum-Techniken: Traum-Inkubation – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

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  1. a b c Gregory L. White, Laurel Taytroe: Personal Problem-Solving Using Dream Incubation: Dreaming, Relaxation, or Waking Cognition?. In: Dreaming. 13, 2003, S. 193, doi:10.1023/B:DREM.0000003143.00133.1c.
  2. a b c Henry Reed: Dream Incubation: a Reconstruction of a Ritual in Contemporary Form. In: Journal of Humanistic Psychology. 16, 1976, S. 53, doi:10.1177/002216787601600405.
  3. Ludwig Edelstein mit Emma J. Edelstein: Asclepius: Collection and Interpretation of the Testimonies (1945)
  4. Elizabeth Sirriyeh: Dreams and Visions in the World of Islam. A History of Muslim Dreaming and Foreknowing. I.B. Tauris, London 2015. S. 1.
  5. Elizabeth Sirriyeh: Dreams and Visions in the World of Islam. A History of Muslim Dreaming and Foreknowing. I.B. Tauris, London 2015. S. 159, 176f.
  6. L. K. Flowers: The use of presleep instructions and dreams in psychosomatic disorders. In: Psychotherapy and psychosomatics. Band 64, Nummer 3–4, 1995, S. 173–177, PMID 8657849.
  7. Mark Blagrove: Dreams as the reflection of our waking concerns and abilities: A critique of the problem-solving paradigm in dream research. In: Dreaming. 2, 1992, S. 205, doi:10.1037/h0094361.
  8. a b Gayle Delaney: Dream Incubation in Milton Kramer, Myron L. Glucksman (Hrsg.): Dream Research: Contributions to Clinical Practice. 2015, ISBN 978-1-317-64580-1 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  9. Stanley Krippner: Access to Hidden Reserves of the Unconscious Through Dreams in Creative Problem Solving. In: The Journal of Creative Behavior. 15, 1981, S. 11, doi:10.1002/j.2162-6057.1981.tb00270.x.
  10. Roberto Saredi, George W. Baylor, Barbara Meier, Inge Strauch: Current concerns and REM-dreams: A laboratory study of dream incubation. In: Dreaming. 7, 1997, S. 195, doi:10.1037/h0094474.
  11. John C. Houtz, Alan D. Frankel: Effects of incubation and imagery training on creativity. In: Creativity Research Journal. 5, 1992, S. 183, doi:10.1080/10400419209534432.
  12. William C. Dement, Christopher C. Vaughan: The Promise of Sleep: A Pioneer in Sleep Medicine Explores the Vital Connection Between Health, Happiness, and a Good Night’s Sleep. Dell Trade Paperback, 2000, ISBN 978-0-440-50901-1. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  13. Deirdre Barrett: The "committee of sleep": A study of dream incubation for problem solving. In: Dreaming. 3, 1993, S. 115, doi:10.1037/h0094375.
  14. a b Stephen LaBerge, Howard Rheingold: Träume, was du träumen willst – die Kunst des luziden Träumens. MVG Verlag, 2014, ISBN 978-3-86415-663-2 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  15. T. Stumbrys, D. Erlacher, M. Schädlich, M. Schredl: Induction of lucid dreams: A systematic review of evidence. (Memento vom 23. Juni 2015 im Internet Archive) In: Consciousness and cognition. Band 21, Nummer 3, September 2012, S. 1456–1475, doi:10.1016/j.concog.2012.07.003, PMID 22841958 (Review).