Tybrind vig
Tybrind vig ist ein Fundplatz der Ertebølle-Kultur auf Fünen in Dänemark. Der Fundplatz datiert zwischen 5600 und 4000 v. Chr.[1]
Lage
BearbeitenTybrind vig liegt 13 km südöstlich von Middelfart, etwa 250 Meter vom Strand und drei Meter unter dem Meeresspiegel der Ostsee[2]. Der einst küstennahe Wohnplatz versank mit dem postglazialen Meeresspiegelanstieg und der Landsenkung unterhalb der „Kippachse Dänemarks“[3] im Meer. Mehr als 2500 steinzeitliche Siedlungen sind mittlerweile in Dänemark bekannt, die durch den Anstieg des Meeresspiegels heute unter Wasser liegen.
Die Siedlung von mesolithischen Jäger Sammlern und Fischern lag nahe einer Flussmündung in einer flachen Brackwasser-Bucht, die wegen einer vorgelagerten Insel nur schmale Verbindungen zum Kleinen Belt hatte. Die eigentliche Siedlung ist weitestgehen erodiert, erhalten hat sich eine Abfallschicht im Spülsaum der Ostsee[4].
Ausgrabung
BearbeitenTybrind vig wurde 1975 entdeckt. Es war der erste Fundort in Dänemark, der zwischen 1977 und 1987 als Unterwasserausgrabung unter der Leitung von Sören H. Andersen (geb. 1942) untersucht wurde. Die Siedlung weist zwei Schichten auf, die untere gehört zur akeramischen Phase der Ertebölle-Kultur und datiert 5600–4750 v. Chr. (cal). Die Ablagerungen bestehen aus sandiger Gyttja, die Muschelschalen, Steine und Baumstämme enthält. Die obere Schicht, eine dicke Lage brauner, homogener Gyttja mit vereinzelten Molluskenresten datiert in die späte Ertebölle-Kultur, 4750–4000 v. Chr. (cal.)[5] oder Dyrholmen II Phase.
Funde
BearbeitenDie Taucher fanden gut erhaltene Artefakte der Ertebølle-Kultur: Keramik, Feuersteingeräte, Werkzeuge aus Knochen, Horn und Holz.[6]
Zu den bemerkenswerten Funden gehören einige der ältesten Textilien Nordeuropas. Sie waren in einer Abart der Nadelbindung[7] aus Weidenbast[8] gefertigt.
In Tybrind vig wurden außerdem drei Einbäume aus Lindenholz und teilweise verzierte, herzförmige Paddel aus Eschenholz gefunden[9]. Von Einbaum I sind 9,5 m (95 %) erhalten, während von den Einbäumen II und III nur 3,2 bzw. 5,2 m erhalten sind. Im Heck von Einbaum I und II lagen auf einer Tonlinse von 60 × 35 cm und bis zu 3 cm Dicke, auf dem Boden des Bootes Herdstellen.[6]
Ernährung
BearbeitenReste von Fischzäunen, Angelhaken, Reusen und Fischspeeren belegen den Fischfang. Unter den Säugetierknochen überwiegen Rothirsch, Rehe und Wildschweine. Es wurden insgesamt etwa 5000 Knochen geborgen, von denen 4330 bestimmbar waren. Sie stammen überwiegend aus dem Zeitraum zwischen 5700 und 5200 BP[10]. Eine Untersuchung der Pflanzenreste ergab, dass Pflanzen in der Ernährung eine wichtige Rolle spielten[11]. Isotopenwerte (δC und δN) zeigen, dass Individuum F vor allem terrestrische Nahrungsmittel zu sich nahm[12]. Lipidanalysen von 46 Gefäßen zeigten vor allem marine Biomarker[13]. Nach einer Analyse der Rothirschknochen (26 Individuen) schloss Trolle-Lassen auf eine ganzjährige Nutzung der Siedlung[14]. Im Gegensatz dazu verweist Peter Rowlwy-Conwy (geb. 1951) darauf hin, dass fast alle Tiere zwischen Juli bis Oktober getötet wurden und hält die Siedlung daher für saisonal[15]. Um diese Annahmen zu überprüfen, analysierte Carter sieben Zähne von Rothirsch, nach deren Altersstruktur war die Siedlung ganzjährig in Benutzung[16]. Die Haupt-Jagdsaison für Rotwild war in der Tat Juli bis Oktober, im späten Winter wurde die Ernährung wohl durch Meerestiere ergänzt[17]. Tybrind vig wird als Beleg für eine vermehrte Sesshaftigkeit in der späten Ertebölle-Kultur angeführt[18].
Pelztiere wurden gejagt oder in Fallen gefangen, aber nicht unbedingt gegessen. Belegt sind Baummarder, Dachs, Frettchen, Fuchs, Otter und Wildkatze.[19] So wurden zum Beispiel 658 Baummarderknochen gefunden, meist in Form kompletter Skelette, bis zu sechs Individuen zusammen[20]. Die Skelette haben Schnittspuren am Schädel, den Unterkiefer, dem Pelvis und den Extremitäten[21].
Menschliche Überreste
BearbeitenDie Toten der Ertebølle-Wohnplätze von Vedbæk und Skateholm (Schweden) wurden in unmittelbarer Nähe des Wohnplatzes begraben. Ähnlich war es an der Tybrind vig. Das Grab einer 13 bis 14 Jahre alten Frau und eines drei Monate alten Kindes und die Knochen und Knochenfragmente von mindestens zwei weiteren Personen wurden geborgen. Eines der Schädelfragmente stammt wahrscheinlich von einem Mann und trägt die Spuren von zwei verheilten Läsionen. Grabbeigaben wurden nicht gefunden, aber das Wasser hatte das Grab so sanft „ausgegraben“, dass selbst die Knochen des Kindes noch in situ lagen. Eine C14-Datierung ordnet sie der frühesten Phase der Ertebølle-Kultur zu. Bestattung F lieferte ein Datum von 6750±80 BP (K-3558)[22].
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Svend Erik Albrethsen, Erik Brinch Petersen: Excavation of a Mesolithic Cemetery at Vedbæk, Denmark. In: Acta Archaeologica. Band 47, 1976, ISSN 0065-101X, S. 1–28.
- Søren H. Andersen: Tybrind vig. Foreløbig meddelelse om en undersøisk stenalderboplads ved Lillebælt. In: Antikvariske Studier. Bd. 4, 1980, ZDB-ID 227200-3, S. 7–22.
- Søren H. Andersen: Tybrind vig. Submerged Mesolithic settlements in Denmark (= Jutland Archaeological Society Publications. 77). Moesgaard Museum, Højbjerg 2013, ISBN 978-87-88415-78-0.
- Karsten Kjer Michaelsen: Politikens bog om Danmarks oldtid. Gyldendals Bogklubber i samarbejde med Danmarks Naturfredningsforening, Kopenhagen 2002. ISBN 87-567-6458-8, S. 166.
Weblinks
Bearbeiten- [1] Lageplan (engl.)
- Beschreibung, Bilder und Skizzen auf abc.se (englisch)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Lucyna Kubiak-Martens: The plant food component of the diet at the late Mesolithic (Ertebølle) settlement at Tybrind Vig, Denmark. In: Vegetation History and Archaeobotany Bd. 8, Nr. 1/2, 1999, S. 117–127ISSN 0939-6314, doi:10.1007/BF02042850.
- ↑ Lucyna Kubiak-Martens, The plant food component of the diet at the late Mesolithic (Ertebølle) settlement at Tybrind Vig, Denmark. Vegetation History and Archaeobotany 8, 1/2, 1999, 118, doi:10.1007/BF02042850.
- ↑ In Dänemark und Großbritannien, wo aufgrund einer zentralen Kippachse der nördliche Teil einer Landhebung unterliegt, verursacht diese eine Senkung im südlichen Teil.
- ↑ Richard J. Carter, Dental indicators of seasonal human presence at the Danish Boreal sites of Holmegaard I, IV and V and Mullerup and the Atlantic sites of Tybrind Vig and Ringkloster. Holocene 11/3, 2001, 360
- ↑ Lucyna Kubiak-Martens, The plant food component of the diet at the late Mesolithic (Ertebølle) settlement at Tybrind Vig, Denmark. Vegetation History and Archaeobotany 8, 1/2, 1999, 118, doi:10.1007/BF02042850
- ↑ a b Jan Harff, Wolfram Lemke, Fritz Lüth, Thomas Terberger, Harald Lübke, Ulrich Schmölcke, Dirk Heinrich, Versunkene Siedlungen. Archäologie in Deutschland (Sonderheft Tauchgang in die Vergangenheit:Unterwasserarchäologie in Nord- und Ostsee) 2004, 30, Stable URL: JSTOR:26315318.
- ↑ https://www.abc.se/~pa/publ/tybrind.htm
- ↑ Susanna Harris, Sensible Dress: the Sight, Sound, Smell and Touch of Late Ertebølle Mesolithic Cloth Types. Cambridge Archaeological Journal 24/1, 2014, 41
- ↑ Sören H. Andersen, Ertebølle canoes and paddles from the submerged habitation site of Tybrind Vig, Denmark. In: J. Benjamin et al. (Hrsg.), Submerged prehistory. Oxford, Oxbow 2011, 1–14.
- ↑ Jane Richter, Selective hunting of pine marten, Martes martes, in Late Mesolithic Denmark. Journal of Archaeological Science 32, 2005, 1224
- ↑ Lucyna Kubiak-Martens, The plant food component of the diet at the late Mesolithic (Ertebølle) settlement at Tybrind Vig, Denmark. Vegetation History and Archaeobotany 8, 1999, 117–127
- ↑ Michael P. Richards, T. Douglas Price, Eva Koch, Mesolithic and Neolithic Subsistence in Denmark: New Stable Isotope Data. Current Anthropology 44/2, 2003, 291. Stable URL: JSTOR:10.1086/367971291
- ↑ Oliver E. Craig, Val J. Steele, Anders Fischer, Sönke Hartz, Søren H. Andersen, Paul Donohoe, Aikaterini Glykou, Hayley Saul, D. Martin Jones, Eva Koch, Carl P. Heron, Ancient lipids reveal continuity in culinary practices across the transition to agriculture in Northern Europe. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 108/44, 2011, 17910–17915. Stable URL: JSTOR:41352626.
- ↑ Tine Trolle-Lassen, Butchering of red deer (Cervus elaphus L.), a case study from the Late Mesolithic settlement of Tybrind Vig, Denmark. Journal of Danish Archaeology 9, 1990, 7-37.
- ↑ Peter Roxwley-Conwy, Meat, furs and skins: Mesolithic animal bones from Ringkloster, a seasonal hunting camp in Jutland. Journal of Danish Archaeology 12, 1994/95, 87-98
- ↑ Richard J. Carter, Dental indicators of seasonal human presence at the Danish Boreal sites of Holmegaard I, IV and V and Mullerup and the Atlantic sites of Tybrind Vig and Ringkloster. Holocene 11/3, 2001, fig. 3
- ↑ Richard J. Carter, Dental indicators of seasonal human presence at the Danish Boreal sites of Holmegaard I, IV and V and Mullerup and the Atlantic sites of Tybrind Vig and Ringkloster. Holocene 11/3, 2001, 364
- ↑ Richard J. Carter, A Method to Estimate the Ages at Death of Red Deer (Cervus elaphus) and Roe Deer (Capreolus capreolus) from Developing Mandibular Dentition and its Application to Mesolithic NW Europe. In: Deborah Ruscillo (Hrsg.), 9th ICAZ Conference, Durham 2002, Recent Advances in Ageing and Sexing Animal Bones. Oxford, Oxbow Books 2015, 57
- ↑ Susanna Harris, Sensible Dress: the Sight, Sound, Smell and Touch of Late Ertebølle Mesolithic Cloth Types. Cambridge Archaeological Journal 24/1, 2014, 44
- ↑ T. Trolle-Lassen, Human exploitation of the pinemarten (Martes martes (L.)) at the Late Mesolithic settlement of Tybrind Vig in western Fünen. Striae 24, 1986, 121–23, zitiert nach Nick J. Overton, More than Skin Deep: Reconsidering isolated Remains of ‘Fur-Bearing Species’ in the British and European Mesolithic. Cambridge Archaeological Journal 26/4, 2016, 562
- ↑ Jane Richter, Selective hunting of pine marten, Martes martes, in Late Mesolithic Denmark. Journal of Archaeological Science 32, 2005, 1226.
- ↑ Henrik Tauber, 14C dating of human beings in relation to dietary habits. In: Mook and Waterbolk (Hrsg.), Proceedings of the First International Symposium 14C and Archaeology Groningen 1981, PACT 8, 1983, 365–375.
Koordinaten: 55° 23′ 3″ N, 9° 50′ 4″ O