Urgicht
Als Urgicht oder gichtiger Mund („geständiger Mund“) bezeichnet man das Geständnis als Verfahrenselement der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsbarkeit.
Die Urgicht im engeren Sinn war die Wiederholung eines zunächst nur unter Folter hervorgebrachten Geständnisses durch den Angeklagten. Erst nach der Urgicht konnte das Gericht sein Endurteil fällen. Blieb die Urgicht jedoch aus, obwohl dringender Tatverdacht beim Angeklagten bestand, konnte der Angeklagte einer erneuten „peinlichen Befragung“ (Folter) unterworfen werden, um danach eine Urgicht herbeizuführen.
Die Trias hebende Hand (ertappen auf frischer Tat), blickender Schein (Augenschein-Beweis) und gichtiger Mund, bildeten die drei wesentlichen Elemente der Beweisaufnahme in mittelalterlichen Verfahren. So findet sich in den Dokumenten des westfälischen Femgerichts der folgende Rechtsspruch verzeichnet:
„Man spricht, man soll niemand ohne Urteil töten, das ist wahr, es sind aber Sachen, die von Natur aus ihr Urteil eingeschlossen in sich tragen als hebende Hand, gichtiger Mund und blickender Schein.“[1]
Wortherkunft
BearbeitenUrgicht kommt von altdeutsch gichten, jehen mit den Bedeutungen sagen, gestehen oder bekennen.
Der mittelhochdeutsche Begriff urgiht bedeutet Aussage oder Bekenntnis.
Literatur
Bearbeiten- Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft. Bd. 202, Hildesheim 1773–1858, S. 145f. (Online-Version)
- Gichtiger Mund. In Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 828.
- Nabil Osman: Kleines Lexikon untergegangener Wörter: Wortuntergang seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. 16. Auflage C.H. Beck 2007, ISBN 978-3-406-56004-0, S. 210 (eingeschränkte Online-Version in der Google-Buchsuche)
- Urgicht. In Pierer’s Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 284.
- Heinrich Zoepfl: Geschichte der deutschen Rechtsquellen. A. Krabbe 1844, S. 409–413 (§131) (vollständige Online-Version in der Google-Buchsuche)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Paul Wigand: Das Femgerichts Westphalens. Schulz und Wundermann 1825, S. 406 (vollständige Online-Version in der Google-Buchsuche)