VSEPR-Modell

Modell der Gestalt von Molekülen infolge Abstoßung von Elektronenpaaren
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Das VSEPR-Modell (Abkürzung für englisch valence shell electron pair repulsion, deutsch Valenzschalen-Elektronenpaar-Abstoßung), auch EPA-Modell (Elektronenpaarabstoßungs-Modell) oder ursprünglich VEPR-Theorie (englisch valence electron pair repulsion theory), führt die räumliche Gestalt eines Moleküls auf die abstoßenden Kräfte zwischen den Elektronenpaaren der Valenzschale zurück.

VSEPR-Modelle
für zwei und drei Elektronenpaare
Fünf gleich geladene Partikel bewegen sich (auf der neutralen Sphäre) von verschiedenen Startpositionen zu den optimalen Positionen mit maximalem Abstand voneinander.

Das Modell wird nach seinen Entwicklern auch Gillespie-Nyholm-Theorie genannt.

Die abgeleiteten Regeln

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Aus dem VSEPR-Modell ergeben sich folgende Regeln für Moleküle des Typs AXn:[1]

  • Die Elektronenpaare der Valenzschale des Zentralatoms (A), d. h. des Atoms im Zentrum des Moleküls, ordnen sich so an, dass der Abstand zwischen ihnen möglichst groß wird.
  • Die freien Elektronenpaare (hier mit E symbolisiert) in einem Molekül vom Typ AXnEm beanspruchen mehr Raum als die bindenden Elektronenpaare und führen somit zu einer Vergrößerung der Winkel X-A-E und einer Verkleinerung der Winkel X-A-X.
  • Einzelne freie Elektronen in Radikalen nehmen weniger Raum ein als freie Elektronenpaare.
  • Größere Elektronegativitäts­differenzen zwischen A und X vermindern damit den Raumbedarf der entsprechenden Bindung.
  • Mehrfachbindungen beanspruchen mehr Raum als Einfachbindungen, wobei der Platzbedarf mit der Bindungsordnung steigt.
Für die Bestimmung der groben Molekülstruktur werden jedoch nur die Sigma-Bindungen herangezogen, d. h., Mehrfachbindungen werden hier wie Einfachbindungen behandelt.
  • Kleinere Zentralatome bzw. größere negativ polarisierte Liganden bewirken eine starke sterische und elektronische Abstoßungskraft, die die eines freien Elektronenpaars übertreffen kann.

Vorhersagen bei freien Elektronenpaaren am Zentralatom

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Wenn keine freien Elektronenpaare am Zentralatom vorhanden sind, können Molekülstrukturen recht einfach durch Abzählen der „Reste“ vorhergesagt werden.

Dennoch lässt sich auch die Betrachtung von Verbindungen mit einem oder mehreren stereochemisch aktiven, freien Elektronenpaaren näherungsweise schematisieren. Dazu werden diese – ähnlich wie Bindungspartner – als Pseudoliganden behandelt und mit dem griechischen Buchstaben „ψ“ (Psi) gekennzeichnet. So gelangt man zur Pseudostruktur des jeweiligen Moleküls.

Beispiel: Das Sauerstoffatom des Wassermoleküls, an welches zwei Wasserstoffatome kovalent gebunden sind (X = 2), weist zwei freie Elektronenpaare auf (E = 2). Daraus ergibt sich eine Anzahl von # = 2 + 2 = 4 Pseudoliganden und somit eine tetraedrische Pseudostruktur (Strukturtyp), die als ψ2-Tetraeder beschrieben werden kann. Indem nun die freien Elektronenpaare „weggedacht“ werden, bleibt die in diesem Fall gewinkelte Realstruktur (Molekülstruktur) zurück, die nur durch die Atomkerne beschrieben wird.

Ein Beispiel für ein ψ1-Tetraeder, d. h. mit nur einem freien Elektronenpaar, ist das Ammoniak-Molekül NH3.

# Molekültypen a Beispiel Ψ – Struktur / Pseudostruktur b Realstruktur c Winkel d
1  
AX1
H2  
linear
 
linear
2  
AX2
BeCl2
CO2
 
linear
 
linear
180°
 
AX1E1
CO  
linear
 
linear
3  
AX3
BF3
NO3
CO32−
 
trigonal planar
 
trigonal planar
120°
 
AX2E
SO2
O3
NO2
 
trigonal planar
 
gewinkelt
ca. 115°
 
AX1E2
 
trigonal planar
 
linear
4  
AX4
CH4
SO42− PO43−
ClO4
 
tetraedrisch
 
tetraedrisch
109,5°
 
AX3E
NH3
PCl3
 
tetraedrisch
 
trigonal-pyramidal
ca. 107°
 
AX2E2
H2O  
tetraedrisch
 
gewinkelt
ca. 104°
 
AX1E3
HCl  
tetraedrisch
 
linear
5  
AX5
PCl5  
trigonal-bipyramidal
 
trigonal-bipyramidal
120° / 90°
 
AX4E
SF4, SCl4  
trigonal-bipyramidal
 
"Wippe", bisphenoidal
ca. 175° / 110°
 
AX3E2
ClF3  
trigonal-bipyramidal
 
T-förmig
ca. 87,5°
 
AX2E3
XeF2  
trigonal-bipyramidal
 
linear
180°
6  
AX6
SF6  
oktaedrisch (=quadratisch-bipyramidal,
trigonal-antiprismatisch)
 
oktaedrisch (=quadratisch-bipyramidal,
trigonal-antiprismatisch)
90°
 
AX5E
ClF5  
oktaedrisch (=quadratisch-bipyramidal,
trigonal-antiprismatisch)
 
quadratisch-pyramidal
ca. 85°
 
AX4E2
XeF4  
oktaedrisch (=quadratisch-bipyramidal,
trigonal-antiprismatisch)
 
quadratisch-planar
90°
7  
AX7
IF7  
pentagonal-bipyramidal
 
pentagonal-bipyramidal
90° / 72°
 
AX6E
[XeOF5]  
pentagonal-bipyramidal
 
pentagonal-pyramidal
ca. 90° / ca. 72°
 
AX5E2
XeF5  
pentagonal-bipyramidal
 
pentagonal-planar
72°
8 AX8 IF8  

tetragonal-antiprismatisch

 

tetragonal-antiprismatisch

78° / 73°

Anmerkungen:

a 
Keilstrichformel mit Zentralatom: A, Liganden: X und Elektronenpaar: E
b 
nicht gebundene Elektronenpaare (blass gelb) als gedachte Bindungspartner
c 
reale räumliche Anordnung der Atome
d 
Winkel zwischen Liganden und Zentralatom X–A–X


Grenzen der Anwendbarkeit

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Das VSEPR-Modell lässt sich auf Moleküle anwenden, bei denen die an das Zentralatom gebundenen Reste (Atome oder Atomgruppen) nicht allzu groß werden und keine spezifischen Wechselwirkungen aufeinander ausüben.

Nicht oder nur eingeschränkt anwendbar ist sie auf Übergangsmetall­verbindungen. Vielfach stimmen jedoch auch bei einfachen Molekülen die Bindungswinkel nicht mit dem Modell überein. Für Verbindungen mit delokalisierten Elektronen kann die Anwendung des Modells ebenfalls mit Schwierigkeiten verbunden sein, hier ist die Hinzuziehung der Molekülorbitaltheorie notwendig.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 101. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-012641-9, S. 136.