Galoppierender Treibhauseffekt

Prozess eines nicht aufzuhaltenden und sich selbst verstärkenden Treibhauseffektes
(Weitergeleitet von Venussyndrom)

Ein galoppierender Treibhauseffekt (englisch runaway greenhouse effect) ist ein nicht aufzuhaltender und sich selbst verstärkender Treibhauseffekt, der schließlich zur Verdampfung von allem flüssigen Wasser eines Planeten führt.[1] Der Effekt hat mit dem Klima auf der Venus ein bekanntes Beispiel. Er wird daher gelegentlich auch Venus-Syndrom genannt.[2]

Galoppierender Treibhauseffekt auf der Venus

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Die einstigen Wasserozeane der Venus sind vermutlich durch einen galoppierenden Treibhauseffekt verdampft

Es wird allgemein davon ausgegangen, dass auf der Venus ein galoppierender Treibhauseffekt stattfand, der in der planetaren Frühzeit eventuell zur Verdampfung der damals existierenden Wasserozeane führte.[3] Erde und Venus sind in vielerlei Hinsicht vergleichbare Planeten. So haben sie in etwa den gleichen Durchmesser und die gleiche Masse. Rasool und De Bergh haben bereits 1970 gezeigt, dass durch die größere Nähe der Venus zur Sonne ein galoppierender Treibhauseffekt ausgelöst wurde.[1] Ein Verdampfen von gewissen Mengen von Wasser durch diese Nähe (und damit Hitze) stellt für sich genommen keinen Treibhauseffekt dar. Wasserdampf wirkt jedoch – ähnlich wie CO2 – als Treibhausgas. Der Wasserdampf bewirkt eine weitere Aufwärmung, welche wiederum ein weiteres Verdampfen von flüssigem Wasser verursacht. Das „Galoppierende“ hierbei ist der sich selbst verstärkende Effekt, der letztlich zu einer vollständigen Verdampfung der Wasserozeane geführt hat. Heute ist der Atmosphärendruck auf der Venus etwa 90-mal stärker als auf der Erde; die Gleichgewichtstemperatur ohne Atmosphäre würde im Durchschnitt auf der Tag- und Nachtseite −46 °C betragen, liegt durch den Treibhauseffekt jedoch bei 464 °C.[4] Zum Vergleich: Der Treibhauseffekt auf der Erde hebt die Temperatur von theoretischen −18 °C ohne Atmosphäre auf im Durchschnitt ca. 14 °C (vorindustriell) und derzeit ca. 15 °C an.[5]

Möglichkeit auf der Erde

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Die Möglichkeit eines galoppierenden Treibhauseffekts auf der Erde wird immer wieder diskutiert, wobei inzwischen davon ausgegangen wird, dass die Schwelle für eine solche vollständig destabilisierende Selbstverstärkung knapp nicht überschritten wird.[6] 1970 wurde von Rasool und De Bergh berechnet, dass auf der Erde ein galoppierender Treibhauseffekt einträte, wenn sie sich etwa 7 % näher an der Sonne befände.[1]

Dennoch kann bereits ein geringer Anstieg der Treibhausgase durch die globale Erwärmung gefährliche Kippelemente im Erdsystem auslösen, die weitere Erwärmungsprozesse nach sich ziehen. Dies würde zu einem als Treibhaus Erde bezeichneten Zustand führen, einem Warmzeitalter.[7] Steffen et al. (2018) können nicht ausschließen, dass dies bereits bei dem im Übereinkommen von Paris vereinbarten Zwei-Grad-Ziel der Fall sein wird.[7] In diesem Fall werden bereits bei Erreichen der Zwei-Grad-Grenze Prozesse angestoßen, welche die Erde sehr stark erwärmen, selbst wenn die Menschheit alle Treibhausgasemissionen vollständig einstellte. Ein solcher Zustand stellt zwar für die meisten Lebewesen nicht verkraftbare Temperaturbedingungen dar und ließe den Meeresspiegel um etwa 60 Meter ansteigen, ist für sich genommen jedoch stabil und nicht wie auf der Venus galoppierend.

Berechnungen von Hansen et al. (2013) legen nahe, dass die Verbrennung aller fossilen Brennstoffe (in Summe von 10.000 Gt C[Anm. 1] bzw. bei anderen Annahmen 5.000 Gt C) die Temperatur an Land durchschnittlich um 20 °C und an den Polen um 30 °C erhöht. Dies würde die Erde für die meisten heutigen Lebensformen praktisch unbewohnbar machen, aber es kann kein galoppierender Treibhauseffekt ausgelöst werden.[8]

Anmerkungen

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  1. Die BGR weist in der Energiestudie 2019 weltweite Reserven an fossilen Energieträgern in Höhe von 40.139 EJ (3.402 Gt CO2 = 928 Gt C) aus, das meiste davon Kohle. Reserven sind jene Vorkommen, die wirtschaftlich förderbar sind. Siehe auch: Kohlefördermaximum, Erdölkonstante

Einzelnachweise

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  1. a b c I. Rasool, C. De Bergh: The Runaway Greenhouse and the Accumulation of CO2 in the Venus Atmosphere. In: Nature. Band 226, Nr. 5250, 1970, S. 1037–1039, doi:10.1038/2261037a0
  2. Barry Brook: Venus syndrome – the Claron’s despair. In: Brave New Climate (bravenewclimate.com). 9. Mai 2010, abgerufen am 4. Februar 2019.
  3. M. J. Way, Anthony D. Del Genio: Venusian Habitable Climate Scenarios: Modeling Venus Through Time and Applications to Slowly Rotating Venus‐Like Exoplanets. In: JGR Planets. 125. Jahrgang, Nr. 5, Mai 2020, doi:10.1029/2019JE006276 (englisch, arxiv.org [PDF]).
  4. NASA, Venus Fact Sheet. In: nssdc.gsfc.nasa.gov. 23. Dezember 2016;.
  5. Venus and Earth: worlds apart. In: Transit of Venus blog. Europäische Weltraumorganisation (ESA), 31. Mai 2012, abgerufen am 4. Februar 2019 (Blog ist nach ESA-eigenen Angaben „an unofficial and in-depth source of information for the general public, media and anyone interested in the transit of Venus“ (Quelle)).
  6. Jérémy Leconte, Francois Forget, Benjamin Charnay, Robin Wordsworth, Alizée Pottier: Increased insolation threshold for runaway greenhouse processes on Earth-like planets. In: Nature. Band 504, 2013, S. 268–271, doi:10.1038/nature12827 (Darin heißt es, dass der Schwellwert für einen solchen Effekt bei 375 W/m² Einstrahlung läge, von denen die Sonne jedoch nur 341 W/m² erreicht.).
  7. a b Will Steffen, Johan Rockström, Katherine Richardson, Timothy Lenton, Carl Folke, Diana Liverman, Colin P. Summerhayes, Anthony D. Barnosky, Sarah E. Cornell, Michel Crucifix und 6 weitere Autoren: Trajectories of the Earth System in the Anthropocene. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 115, Nr. 33, 2018, S. 8252–8259, doi:10.1073/pnas.1810141115
  8. James Hansen, Makiko Sato, Gary Russell, Pushker Kharecha: Climate sensitivity, sea level and atmospheric carbon dioxide. In: Philosophical Transansactions of the Royal Society A. Band 371, 2013, 20120294, doi:10.1098/rsta.2012.0294: „The remaining 9 W m−2 forcing requires approximately 4.8 × CO2, corresponding to fossil fuel emissions as much as approximately 10,000 Gt C for a conservative assumption of a CO2 airborne fraction averaging one-third over the 1000 years following a peak emission [21,129]. Our calculated global warming in this case is 16◦C, with warming at the poles approximately 30 °C. Calculated warming over land areas averages approximately 20 °C. (S. 24)]“