Verdichtete Menge
Eine verdichtete Menge ist in der verdichteten Mathematik (englisch condensed mathematics, deutsch auch ‚kondensierte Mathematik‘ genannt[1]) eine Garbe auf einer Kategorie von Stone-Räumen. Die Grundidee ist, anstatt eine algebraische Struktur mit einer Topologie zu versehen, sie als verdichtete Menge aufzufassen. So lassen sich „verdichtete“ algebraische Strukturen definieren, die bessere kategorielle Eigenschaften besitzen als herkömmliche topologische algebraische Strukturen. Die Theorie wird seit 2018 von Dustin Clausen und Peter Scholze entwickelt. Unabhängig und zeitgleich entwickelten Clark Barwick und Peter Haine pyknotische Mengen (von altgriechisch πυκνός pyknos ‚dicht gedrängt‘).[2]
Definition
BearbeitenVereinfachte Definition
BearbeitenDer proétale Situs eines Punktes ist die Kategorie der Stone-Räume mit stetigen Abbildungen und der Grothendieck-(Prä)Topologie, die durch endliche und gemeinsam surjektive Familien stetiger Abbildungen gegeben ist. Eine verdichtete Menge ist eine Garbe von Mengen auf .[3]
Da keine kleine Kategorie ist, birgt diese Definition mengentheoretische Probleme.[4] Wir geben die richtige Definition im nächsten Abschnitt.
Vollständige Definition
BearbeitenFür jede überabzählbare starke Limes-Kardinalzahl sei die Kategorie von Stone-Räumen von Mächtigkeit . Die Grothendieck-Topologie ist wieder durch endliche und gemeinsam surjektive Familien stetiger Abbildungen gegeben. Eine -verdichtete Menge ist eine Garbe von Mengen auf . Wir bezeichnen die Kategorie der -verdichteten Mengen mit .
Ist eine weitere starke Limes-Kardinalzahl, so ist durch Einschränken von Garben ein Funktor definiert. Dieser besitzt einen volltreuen linksadjungierten .[5]
Die Kategorie verdichteter Mengen ist nun als Kolimes entlang definiert, wobei alle überabzählbaren starken Limes-Kardinalzahlen durchläuft.[6] Bei diesem Kolimes handelt es sich effektiv um eine Vereinigung, die durch eine echte Klasse indiziert ist. Das ist unproblematisch, weil die Übergangsfunktoren volltreu sind und die Klasse der starken Limes-Kardinalzahlen total geordnet ist.
Als Funktor auf extremal unzusammenhängenden Stone-Räumen
BearbeitenEinschränkung auf die Kategorie extremal unzusammenhängender Stone-Räume von Mächtigkeit definiert eine Kategorienäquivalenz zwischen und der Kategorie der Funktoren mit folgenden Eigenschaften:
- ist eine einelementige Menge.
- Für zwei Stone-Räume und ist die natürliche Abbildung bijektiv.
Topologische Räume als verdichtete Mengen
BearbeitenEine verdichtete Menge sollte als alternative Definition von topologischem Raum betrachtet werden. Ist ein beliebiger topologischer Raum, so ist durch eine verdichtete Menge definiert. Das definiert einen Funktor , der beispielsweise auf der Kategorie sequentieller Räume volltreu ist.
Kategorielle Eigenschaften
BearbeitenDie Kategorie verdichteter Mengen erfüllt die Axiome von Giraud mit einer einzigen Ausnahme: Sie hat keine kleine erzeugende Menge. Sie ist in diesem Sinne „fast“ ein Grothendieck-Topos.
Wie in jedem Grothendieck-Topos sind quasikompakte und quasiseparierte Objekte definiert. Sie können wie folgt charakterisiert werden:
- Eine verdichtete Menge ist genau dann quasikompakt, wenn es einen Stone-Raum und einen surjektiven Morphismus gibt.
- ist genau dann quasisepariert, wenn für je zwei Stone-Räume und Morphismen das Faserprodukt quasikompakt ist.[7]
Literatur
Bearbeiten- Dustin Clausen, Peter Scholze: Lectures on Condensed Mathematics, Uni Bonn, Mai 2019
- Dustin Clausen, Peter Scholze: Lectures on Analytic Geometry, Uni Bonn, Oktober 2019
- Clark Barwick, Peter Haine: Pyknotic objects, I
- nLab: Condensed set
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Davide Castelvecchi: Der Umbau der Mathematik mit Computerunterstützung, in: Spektrum Magazin, Oktober 2021, S. 21–22, online vom 15. September 2021
- ↑ Pyknotic objects, I: Def. 2.1.3
- ↑ Lectures on Condensed Mathematics: Def. 1.2
- ↑ Lectures on Condensed Mathematics: Rem. 1.3
- ↑ Lectures on Condensed Mathematics: Prop. 2.9
- ↑ Lectures on Condensed Mathematics: Def. 2.11
- ↑ Lectures on Analytic Geometry: §1