Verein St. Iddazell
Der Verein St. Iddazell (seit 2012 Verein Kloster Fischingen)[1][2] ist eine 1879 gegründete Institution «männlicher Katholiken» und Eigentümer des Klosters Fischingen mit Sitz im gleichnamigen Fischingen TG im Kanton Thurgau in der Schweiz. Der Präsident des Vereins ist Bruno A. Hubatka, der Leiter des Klosters und seiner Betriebe ist Walter Hugentobler.
Verein Kloster Fischingen | |
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Gründung | 1879 |
Sitz | Fischingen TG |
Vorsitz | Bruno A. Hubatka |
Website | www.klosterfischingen.ch |
Geschichte
BearbeitenNach der Aufhebung der Klöster im Kanton Thurgau kaufte der neu gegründete Verein 1879 die Liegenschaften des Klosters (exklusive der Klosterkirche, welche Eigentum der katholischen Kirchengemeinde Fischingen ist) von dem Thurgauer Regierungsrat August Wild. Dieser hatte davor im Kloster eher erfolglos eine internationale Handelsschule betrieben.[3] Das Vereinsziel war, das Kloster als Kulturgut zu erhalten und sich der Erziehung und der Bildung zu widmen.[4] In seiner über hundertjährigen Geschichte betrieb der Verein Waisenhäuser, Erziehungsanstalten und Sonderschulheime im Auftrag der Schweizer Kantone.[5]
Seit 1976 betreibt der Verein die Förderschule Fischingen im Auftrag des Kantons Thurgau, welche diese weitgehend finanziert. Die Schule bietet Platz für 80 Kinder beiderlei Geschlechts mit verschiedensten Lern- und Verhaltensproblemen. Die Förderschule hat neben dem Kloster weitere Standorte in Chilberg (Fischingen) und Sirnach. Der Verein betreibt weiterhin ein Seminarhotel und eine Schreinerei im Kloster.[6][4]
Missbrauchsfälle
BearbeitenIn die Kritik kam der Verein durch Verdächtigungen, Heimkinder seien von Erziehern des Vereins sexuell missbraucht worden.[7][8][9] Zeugen berichten von Gewaltexzessen, Waterboarding und sexuellen Übergriffen von den 1950er-Jahren bis in die 1970er-Jahre, während diese Vorkommnisse von ehemaligen Lehrern und Schülern teilweise bestritten werden.[10]
Das Kinderheim stand ab Herbst 1943 unter der Leitung von Engelberger Patres.[11] Der «Verein St. Iddazell» veranlasste die Untersuchung der Vorwürfe.[12][13][14]
Der Bericht wurde am 5. Mai 2014 vorgestellt und enthielt ein Eingeständnis von Fehlern sowie eine offizielle Entschuldigung.[15] Der Bericht spricht in klaren Worten von psychischen und physischen Misshandlungen, sexuellen Übergriffen und dem Versagen Verantwortlicher.[16] Er war die Basis für die historische Abhandlung Kinder im Klosterheim: Die Anstalt St. Iddazell Fischingen 1879–1978, publiziert durch den Historischen Verein des Kantons Thurgau im Jahr 2015.
Am 9. Oktober 2019 berichtete das St. Galler Tagblatt, ein ehemaliges Heimkind verklage den Kanton Thurgau wegen sexueller Übergriffe und wegen medizinischer Versuche auf 1,4 Millionen Franken. Der Kanton habe seine Aufsichtspflicht verletzt. Die Klage wurde von Walter Nowak angestrengt, der in den 1960er- und 1970er-Jahren im Heim untergebracht gewesen war.[17]
Literatur
Bearbeiten- St. Iddazell-Bericht 2014 auf der Website des Staatsarchivs Thurgau
- Martina Akermann, Sabine Jenzer, Thomas Meier, Janine Vollenweider: Kinderheim und Sekundarschule St. Iddazell. Historische Untersuchung (= Thurgauer Beiträge zur Geschichte. Band 153). Verlag des Historischen Vereins des Kantons Thurgau, Frauenfeld 2015, ISBN 978-3-9524186-2-8 (e-periodica).
- Marietta Meier, Mario König, Magaly Tornay. Testfall Münsterlingen. Klinische Versuche in der Psychiatrie, 1940–1980. 2. Aufl., Chronos Verlag, Zürich 2020, ISBN 978-3-0340-1545-5. (Rezension in H-Soz-Kult)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Verein «St. Iddazell» denkt über Namenänderung nach. In: www.pressebureau.ch.
- ↑ Das Kloster ersetzt die Idda. In: St. Galler Tagblatt. Abgerufen am 3. Mai 2021.
- ↑ Benno Schildknecht: Barockes Fischingen. Verein St. Iddazell, 1991, ISBN 3-9520157-0-9.
- ↑ a b Förderschule Fischingen. Abgerufen am 4. Mai 2021.
- ↑ Ida Sandl: St. Iddazell – der entzauberte Ort. Emotionale Kälte, strenge Regeln, Übergriffe. In: St. Galler Tagblatt. 4. September 2015, abgerufen am 3. Mai 2021.
- ↑ Förderschule Fischingen – Kloster Fischingen. Abgerufen am 4. Mai 2021.
- ↑ Jörg Krummenacher: Das Kloster als Hölle. In: Neue Zürcher Zeitung. 5. Mai 2014, abgerufen am 3. Mai 2021.
- ↑ (san): Verein St. Iddazell lehnt Schadenersatz ab. In: St. Galler Tagblatt. 17. Juli 2012, abgerufen am 3. Mai 2021.
- ↑ Die Experimente von Münsterlingen 20. November 2012. Tages-Anzeiger
- ↑ Missbrauch oder Rufmord? (PDF; 517 kB) In: St. Galler Tagblatt, 17. Juli 2012; abgerufen am 23. Oktober 2012.
- ↑ Geschichte des Klosters Fischingen. Abgerufen am 10. November 2017.
- ↑ In den Händen des Sadisten. In: Tages-Anzeiger, 26. Juni 2012, aktualisiert am 18. Juli 2012; abgerufen am 23. Oktober 2012.
- ↑ «Im Kloster lernte ich, auf Gewalt mit Gewalt zu antworten». In: Tages-Anzeiger, 18. Juli 2012; abgerufen am 23. Oktober 2012.
- ↑ Es war die Hölle auf Erden. In: Tages-Anzeiger, 23. Oktober 2012; abgerufen am 23. Oktober 2012.
- ↑ Kinderheim und Sekundarschule St. Iddazell. Historische Untersuchung. Medienkonferenz. Abgerufen am 3. Mai 2021.
- ↑ Martina Akermann, Sabine Jenzer, Thomas Meier, Janine Vollenweider: Kinderheim und Sekundarschule St. Iddazell. Historische Untersuchung. Abgerufen am 3. Mai 2021.
- ↑ Ida Sandl: Medikamententests in Münsterlingen und sexuelle Misshandlungen im Kloster Fischingen: Ehemaliges Heimkind verklagt den Kanton Thurgau auf 1,4 Millionen. In: St. Galler Tagblatt. 9. Oktober 2019, abgerufen am 3. Mai 2021.