Verschränkungszeuge

Begriff aus der Quanteninformationstheorie

Als Verschränkungszeuge (englisch entanglement witness) werden in der Quanteninformationstheorie bestimmte Observablen bezeichnet, durch deren Messung man nachweisen kann, dass der Zustand des gemessenen Systems verschränkt ist. Konkret haben die Verschränktheitszeugen die Eigenschaft, dass ihr Erwartungswert für alle nicht verschränkten Zustände positiv () ist, für mindestens einen verschränkten Zustand aber negativ. Ein negativer Erwartungswert ist somit Nachweis für die Verschränkung des Zustands, ein positiver Erwartungswert erlaubt dagegen keine Rückschlüsse auf die Verschränkung. Für jeden verschränkten Zustand gibt es einen Verschränkungszeugen, der ihn nachweist.

Definition

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Ein selbstadjungierter Operator   auf einem Hilbertraum   ist ein Verschränkungszeuge, wenn für alle separablen Zustände   gilt, dass der Erwartungswert von   im Zustand  ,   ist, es aber mindestens einen Zustand   gibt, sodass   negativ ist. Der Zustand   ist dann offensichtlich verschränkt und man sagt, dass die Verschränkung von   durch   bezeugt, nachgewiesen oder detektiert wird.

Hier und im Folgenden werden Zustände durch Dichtematrizen auf   dargestellt, da Verschränkungszeugen vor allem für gemischte Zustände wichtig sind, für die es im Allgemeinen schwierig ist, zu entscheiden, ob sie verschränkt sind oder nicht („Separabilitätsproblem“). Die Menge aller Dichtematrizen auf   bezeichnen wir mit   und der Erwartungswert   wird mittels der Spur   berechnet.

Eigenschaften

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Um zu überprüfen, dass ein Operator   für alle separablen Zustände nicht-negative Erwartungswerte hat, genügt es zu zeigen, dass der Erwartungswert von   für alle reinen Produktzustände nicht-negativ ist:  .

Die Eigenzustände eines Verschränkungszeugen  , die zu den negativen Eigenwerten von   gehören, sind folglich verschränkte Zustände, die von   detektiert werden.

Wenn   ein Verschränkungszeuge ist, dann ist für alle positiven Zahlen   auch   ein Zeuge, der auch dieselben Zustände nachweist wie  . Daher kann man sich auf Zeugen beschränken, deren Spur gleich 1 ist:  .[1]

Für jeden verschränkten Zustand gibt es mindestens einen Verschränkungszeugen, der ihn nachweist. Dies folgt aus dem Satz von Hahn-Banach, genauer gesagt aus einem seiner Korollare, dem Trennungssatz. Dieser besagt —auf den vorliegenden Fall bezogen—, dass sich zwischen dem Punkt   und der konvexen Menge der separablen Zustände   (die   nicht enthält) immer eine trennende Hyperebene finden lässt. Im vorliegenden Fall definiert der Verschränkungszeuge   das lineare Funktional   und mittels diesem die trennende Hyperebene  . Alle separablen Zustände liegen dann „auf der einen Seite“ der Hyperebene (auf der gilt  ), während auf der anderen Seite nur verschränkte Zustände liegen und insbesondere auch der von   nachgewiesene Zustand  .

Optimierung von Verschränkungszeugen

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Ein Verschränkungszeuge   heißt optimal, wenn es keinen positiven Operator   gibt, so dass   auch ein Verschränkungszeuge ist. Denn wie man leicht nachrechnet detektiert   alle Zustände, die   detektiert, aber dazu noch weitere. Man sagt, der Zeuge   sei feiner als  , da er eine feinere Trennung zwischen verschränkten und den separablen Zuständen ermöglicht. Geometrisch liegt die durch   definierte Hyperebene näher an der konvexen Menge der separablen Zustände. Für einen optimalen Verschränkungszeugen tangiert die Hyperebene diese Menge. Verfahren zur Optimierung von   und zum Nachweis der Optimalität von   wurden von Lewenstein et al. abgeleitet.[2]

Beziehung zu positiven Abbildungen

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Verschränkungszeugen stehen in einem engen Zusammenhang mit positiven Abbildungen, die nicht vollständig positiv sind. Der Choi-Jamiołkowski-Isomorphismus stellt eine generelle Beziehung zwischen linearen Abbildungen von einem Hilbertraum   und Operatoren auf dem Hilbertraum   her. Die Beziehung wird über den Operator   konstruiert.[3] Jeder linearen Abbildung   wird der Operator   zugeordnet. (Hier und im Folgenden bezeichnet   den Raum der   Matrizen); umgekehrt wird jedem Operator   die durch   definierte Abbildung von   nach   zugeordnet (  bezeichnet die partielle Spur über das zweite System). Nun lässt sich zeigen, dass   genau dann gilt, wenn die Abbildung   vollständig positiv ist und dass der Operator   genau dann ein Verschränkungszeuge ist, wenn die Abbildung   positiv, aber nicht vollständig positiv ist.[2][4]

Zerlegbare und Nicht-Zerlegbare Verschränkungszeugen

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Ein Verschränkungszeuge   wird als zerlegbar (engl.: decomposable)[2] bezeichnet, wenn er sich als Summe von zwei Operatoren schreiben lässt, von denen der erste positiv und der zweite die partielle Transposition[5] eines positiven Operators ist:  , andernfalls ist   als nicht-zerlegbar (engl.: non-decomposable). Nicht-zerlegbare Zeugen sind von besonderem Interesse, da sie erlauben, verschränkte Zustände, deren partielle Transposition positiv ist („PPT-verschränkte Zustände“) und die daher durch das Peres-Horodecki-Kriterium nicht erkannt werden, als verschränkt nachzuweisen.

Beispiel

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Ein einfacher zerlegbarer Verschränkungszeuge für Zwei-Qubit-Zustände ist die partielle Transposition des Projektors  , wobei   einer der Bellzustände ist. Man findet

 

Dieser Zeuge ist sogar optimal, denn (dem in[2] bewiesenen Kriterium folgend)   ist die partielle Transposition eines positiven Operators, der keine Produktvektoren im Bild enthält (denn das Bild von   ist ja der eindimensionale, vom maximal verschränkten Vektor   aufgespannte Unterraum). Er detektiert den Singulett-Zustand   sowie alle Zustände deren Fidelität mit dem Singulett

 

größer als 1/2 ist. Er wurde für die erste experimentelle Messung eines Verschränkungszeugen verwendet.[6]

Verallgemeinerungen

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Das Konzept des Zeugen verwendet nur, dass die Menge der nicht-verschränkten Zustände konvex ist und deswegen jeder Zustand außerhalb dieser Menge durch eine Hyperebene davon getrennt ist. Es lässt sich somit leicht zum Nachweis des Nicht-Enthaltenseins in anderen konvexen Mengen mit Verschränkungsbezug verallgemeinern, wie z. B. die Menge der  -separablen Zustände in einem  -teiligen Quantensystem oder die Zustände mit Verschränkungsmaß   (wenn das Verschränkungsmaß   eine konvexe Funktion ist).

Nichtlineare Verschränkungszeugen: Man kann allgemeinere Funktionen auf dem Raum von Zuständen definieren, die die Eigenschaft haben, auf allen separablen Zuständen positiv und auf manchen verschränkten Zuständen negative Werte anzunehmen. Diese können dann ebenfalls verwendet werden, um Verschränkung nachzuweisen.[7] Geometrisch kann man sie sich als eine Verbiegung der trennenden Hyperebene vorstellen, die sich dann besser an die Menge der separablen Zustände anschmiegt und somit mehr verschränkte Zustände detektieren kann. Bekannte Beispiele sind die in der Bell'schen Ungleichung und ihren Varianten verwendeten Korrelationen oder die „lokalen Unschärferelationen“,[8] die in ausnutzen, das die Heisenbergsche Unschärferelationen für Paare von nichtlokalen Observablen (z. B. den Abstand zweier Teilchen voneinander und den Gesamtimpuls der beiden) für separable Zustände strengeren Schranken unterliegen als für beliebige verschränkte Zustände.[9][10]

Historisches

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Der Begriff des Verschränkungszeugen wurde von Michał, Paweł und Ryszard Horodecki 1996 eingeführt.[11]

Der erste Nachweis von Verschränkung mittels Messung eines Verschränkungszeugen wurde 2003 in einem Experiment mit Photonen durchgeführt.[6]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Man beachte, dass für Verschränkungszeugen   die Spur   ist. Nichtpositive Spur ist unvereinbar mit der Bedingung, dass   auf allen separablen Zuständen positiven Erwartungswert hat, denn   sind (für   und  ) separable Dichtematrizen, für die   einen negativen Erwartungswert hätte, wenn   und die Zustände   so gewählt werden, dass  .
  2. a b c d M. Lewenstein, B. Kraus, J. I. Cirac & P. Horodecki: Optimization of entanglement witnesses. In: Phys. Rev. A. Band 62, 2000, S. 052310, doi:10.1103/PhysRevA.62.052310, arxiv:quant-ph/0005014.
  3. der (bis auf die Normierung) dem Projektor auf den maximal verschränkten Zustand   entspricht
  4. M. M. Wolf: Quantum Channels & Operations: A Guided Tour. (PDF) 2012, abgerufen am 29. Januar 2020 (englisch).
  5. Als partielle Transposition einer Matrix   auf   bezeichnet man die Matrix, bei der die Transposition nur bezüglich eines der beiden Teilsysteme   gebildet wird. Seien   und   Orthonormalbasen von   bzw.   und seien   die Matrixelemente in der Basis  , dann gilt für die bezüglich   partiell transponierte Matrix  , dass  . Die lineare Abbildung   wird oft auch als partielle Transposition bezeichnet. Sie ist positiv, aber nicht vollständig positiv. Die Definition von   ist basisabhängig, aber das Spektrum der partiell transponierten Matrix hängt nicht von der gewählten Basis ab.
  6. a b M. Barbieri, F. de Martini, G. di Nepi, P. Mataloni, C. Macchiavello & G. M. D'Ariano: Experimental detection of entanglement with polarized photons. In: Phys. Rev. Lett. Band 91, 2003, S. 227901, doi:10.1103/PhysRevLett.91.227901, arxiv:quant-ph/0307003.
  7. T. Moroder, O. Gühne, N. Lütkenhaus: Iterations of nonlinear entanglement witnesses. In: Phys. Rev. A. Band 78, 2008, S. 032326, doi:10.1103/PhysRevA.78.032326, arxiv:0806.0855.
  8. H.F. Hofmann und S. Takeuchi: Violation of local uncertainty relations as a signature of entanglement. In: Phys. Rev. A. Band 68, 2003, S. 043813, doi:10.1103/PhysRevA.68.032103, arxiv:quant-ph/0212090 (englisch).
  9. Paradebeispiel ist der Abstand   und der Gesamtimpuls   von zwei sich in einer Dimension bewegenden Teilchen. Hier kommutieren die Observablen   und   und es gibt folglich einen gemeinsamen Eigenzustand, d. h. einen Zustand in dem   können gleichzeitig scharfe Werte annehmen (Summe der Varianzen  ). Für separable Zustände folgt dagegen aus der Heisenbergschen Unschärferelation dass  .
  10. Otfried Gühne, Géza Tóth: Entanglement detection. In: Physics Reports. Band 474, 2009, S. 1–75, doi:10.1016/j.physrep.2009.02.004, arxiv:0811.2803.
  11. M. Horodecki, P Horodecki & R. Horodecki: Separability of mixed states: necessary and sufficient conditions. In: Phys. Lett. A. Band 223, 1996, S. 1, doi:10.1016/S0375-9601(96)00706-2, arxiv:quant-ph/9605038.