Vollständiger Raum

Begriff aus der Topologie
(Weitergeleitet von Vollständiger uniformer Raum)

Ein vollständiger Raum ist in der Analysis ein metrischer Raum, in dem jede Cauchy-Folge von Elementen des Raums konvergiert. Zum Beispiel ist der Raum der rationalen Zahlen mit der Betragsmetrik nicht vollständig, weil etwa die Zahl nicht rational ist, es jedoch Cauchy-Folgen rationaler Zahlen gibt, die bei Einbettung der rationalen Zahlen in die reellen Zahlen gegen und somit gegen keine rationale Zahl konvergieren. Es ist aber stets möglich, die Löcher auszufüllen, also einen unvollständigen metrischen Raum zu vervollständigen. Im Fall der rationalen Zahlen erhält man dadurch den Raum der reellen Zahlen.

Definition

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Eine Folge   von Elementen eines metrischen Raums   heißt Cauchy-Folge, falls gilt:

 

Weiter konvergiert eine Folge   gegen ein Element  , falls gilt:

 

Ein metrischer Raum heißt vollständig, wenn in ihm jede Cauchy-Folge konvergiert.[1]

Anmerkungen

  • Zwar ist eine konvergente Folge stets eine Cauchy-Folge, aber die umgekehrte Richtung muss nicht notwendigerweise wahr sein. In einem vollständigen Raum besitzt nun eine Folge genau dann einen Grenzwert, wenn sie eine Cauchy-Folge ist; die beiden Begriffe fallen also zusammen.[1]
  • Oftmals fordert man in der Definition der Vollständigkeit, dass jede Cauchy-Folge gegen ein Element „in  “ konvergiere. Der Zusatz „in  “ ist nicht unbedingt notwendig, da für Folgen in   schon gemäß der Definition der Konvergenz nur Elemente aus   als Grenzwerte in Frage kommen. Lediglich wenn mehrere metrische Räume betrachtet werden, zwischen denen es Schnittmengen gibt, werden üblicherweise Grenzwerte aus einem anderen Raum in Betracht gezogen. Ein typisches Beispiel dafür ist, dass ein Teilraum eines metrischen Raums behandelt wird.

Beispiele

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nicht vollständig, denn die Folge rationaler Zahlen   ist eine Cauchy-Folge, deren Grenzwert (siehe Heron-Verfahren) die irrationale Zahl   ist, die nicht in   liegt.
  • Das abgeschlossene reelle Intervall  , die Menge der reellen Zahlen   und die Menge der komplexen Zahlen   sind mit der reellen bzw. komplexen Betragsmetrik jeweils vollständig.
  • Das offene reelle Intervall   ist mit der Betragsmetrik nicht vollständig, denn der Grenzwert   der harmonischen Folge   liegt nicht in dem Intervall. Es gibt allerdings vollständige Metriken auf  , die dieselbe Topologie wie die Betragsmetrik erzeugen, zum Beispiel
 
  • Der Raum   der p-adischen Zahlen ist vollständig für jede Primzahl  . Dieser Raum ist die Vervollständigung von   bezüglich der Metrik des p-adischen Betrags
 ,
ebenso wie   die Vervollständigung von   für die Metrik des Absolutbetrags ist.
 
vollständig. Einen vollständigen Skalarproduktraum nennt man Hilbertraum.
  • Jeder endlichdimensionale normierte Raum, beispielsweise der Raum der reellen oder komplexen Matrizen   bzw.   mit einer Matrixnorm, ist mit der von der Norm abgeleiteten Metrik
 
vollständig. Einen vollständigen normierten Raum nennt man Banachraum.
  • Ist   eine beliebige nichtleere Menge, dann kann man die Menge   aller Folgen in   zu einem vollständigen metrischen Raum machen, indem man den Abstand zweier Folgen   auf
 
setzt, wobei   der kleinste Index ist, für den   verschieden von   ist, und wobei der Abstand einer Folge zu sich selbst   ist.
  • Für weitere Beispiele vollständiger Räume unendlicher Dimension siehe die Artikel Banachraum und Hilbertraum.

Einige Sätze

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Jeder kompakte metrische Raum ist vollständig. Ein metrischer Raum ist genau dann kompakt, wenn er vollständig und totalbeschränkt ist.

Eine Teilmenge eines vollständigen Raumes ist selbst genau dann vollständig, wenn sie abgeschlossen ist.

Ist   eine nichtleere Menge und   ein vollständiger metrischer Raum, dann ist der Raum   der beschränkten Funktionen von   nach   mit der Metrik

 

ein vollständiger metrischer Raum.

Ist   ein topologischer Raum und   ein vollständiger metrischer Raum, dann ist die Menge   der beschränkten stetigen Funktionen von   nach   eine abgeschlossene Teilmenge von   und als solche mit der obigen Metrik vollständig.

In der riemannschen Geometrie ist die Aussage metrischer Vollständigkeit äquivalent zu der geodätischer Vollständigkeit (Satz von Hopf-Rinow).


Vervollständigung

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Jeder metrische Raum   mit einer Metrik   kann vervollständigt werden, das heißt, es gibt einen vollständigen metrischen Raum   mit einer Metrik   und einer Isometrie  , so dass   dicht in   liegt. Der Raum   heißt Vervollständigung von  . Da alle Vervollständigungen von   isometrisch isomorph sind, spricht man auch von der Vervollständigung von  .

Konstruktion

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Die Vervollständigung von   kann man als Menge von Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen in   konstruieren.

Sei dazu zunächst   die Menge der Cauchy-Folgen   in  , und sei der Abstand   zweier Cauchy-Folgen   durch

 

definiert. Dieser Abstand ist wohldefiniert und eine Pseudometrik auf  . Die Eigenschaft

 

definiert eine Äquivalenzrelation auf  . Der Abstand   lässt sich folgendermaßen auf die Quotientenmenge   übertragen:

Sind   zwei Äquivalenzklassen und   und   zwei (beliebige) Repräsentanten, dann definiert man
 
als Abstand in  . Er ist wohldefiniert, und   ist genau dann, wenn   äquivalent sind.

Damit ist   ein metrischer Raum.

Man kann jedem Element   die stationäre Folge   zuordnen, denn sie ist eine Cauchy-Folge. Die Äquivalenzklasse   liegt in  . Auf diese Weise lässt sich der ursprüngliche metrische Raum   in   einbetten.

Da die Elemente   alle Cauchy-Folgen aus   sind, gibt es zu jedem   ein approximierendes   mit

  .

Das Bild   liegt also dicht in  , und das lässt sich auf   übertragen.

Im Folgenden sei der Kürze halber der Funktionsname   weggelassen.

  ist überdies vollständig.

Beweis  

Sei   eine Cauchy-Folge von Elementen aus  . Zu zeigen ist:

  besitzt in   einen Limes.[2]

Im Folgenden wird an Stelle der Äquivalenzklasse   einer ihrer Repräsentanten   genommen. Das geht, weil   und   sich unter der Metrik äquivalent verhalten.

Der einfacheren Darlegung halber sei vorausgesetzt, dass zwei aufeinanderfolgende Repräsentanten   nicht zueinander äquivalent sind. (Ist das nämlich nicht der Fall, dann bildet man die duplikatfreie Teilfolge, deren Konvergenz die der Ausgangsfolge nach sich zieht; oder die Folge wird stationär  , dann ist  .)

Setzung:   .

Weil   eine Cauchy-Folge ist, ist   eine Nullfolge und  .

Da jedes   selbst eine Cauchy-Folge mit Gliedern aus   ist, kann zu jedem   ein approximierendes   mit der Eigenschaft

 

gewählt werden, analog zum Folgenglied   ein approximierendes   mit  . Und da   Cauchy ist, gibt es zu jedem   ein  , so dass

 .

Ferner gibt es ein   und ein  , so dass

    und    

ist. Mit   sind für   die drei Distanzen  ,   und   alle  , also

 

Somit ist   Cauchy und  . Seine Äquivalenzklasse sei  . Da genauso

 ,

ergibt sich

  .

Damit wird die aus dem Wort „vervollständigt“ resultierende Erwartung „vollständig“ tatsächlich eingelöst, und die Vervollständigung eines bereits vollständigen Raumes bringt nichts Neues.

Ist   ein normierter Raum, so kann man seine Vervollständigung auch einfacher bilden, indem man

 

als den Abschluss des Bildes von   im Bidualraum   unter der kanonischen Einbettung   wählt.

Eigenschaften

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Cantors Konstruktion der reellen Zahlen aus den rationalen ist ein Spezialfall hiervon. Allerdings muss man dabei, da die Metrik   die Existenz der reellen Zahlen schon voraussetzt, die Äquivalenzrelation dadurch definieren, dass die Differenzfolge zweier Cauchy-Folgen eine Nullfolge ist.

Vervollständigt man einen normierten Vektorraum, so erhält man einen Banachraum, der den ursprünglichen Raum als dichten Teilraum enthält. Daher erhält man auch einen Hilbertraum, wenn man einen euklidischen Vektorraum vervollständigt, denn die Parallelogrammgleichung bleibt in der Vervollständigung als normierter Raum erfüllt und das vollständige Skalarprodukt ergibt sich dann über die Polarisationsformel.

Gleichmäßig stetige Abbildungen eines metrischen Raumes   in einen vollständigen metrischen Raum   lassen sich stets eindeutig zu (automatisch ebenfalls gleichmäßig) stetigen Abbildungen auf der Vervollständigung   mit Werten in   fortsetzen.

Vollständig metrisierbare Räume

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Vollständigkeit ist eine Eigenschaft der Metrik, nicht der Topologie, das heißt, ein vollständiger metrischer Raum kann homöomorph zu einem unvollständigen metrischen Raum sein. Zum Beispiel sind die reellen Zahlen vollständig, aber homöomorph zum offenen Intervall  , das nicht vollständig ist (zum Beispiel ist   ein Homöomorphismus von   nach  ). Ein anderes Beispiel sind die irrationalen Zahlen, die zwar nicht vollständig, aber homöomorph zum Raum der natürlichen Zahlenfolgen   (ein Spezialfall eines Beispiels von oben) sind.

In der Topologie betrachtet man vollständig metrisierbare Räume, das heißt Räume, für die mindestens eine vollständige Metrik existiert, die die vorhandene Topologie erzeugt.

Uniforme Räume

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Wie viele andere Begriffe aus der Theorie metrischer Räume lässt sich auch der Begriff der Vollständigkeit auf die Klasse der uniformen Räume verallgemeinern: Ein uniformer Raum   heißt vollständig, wenn jedes Cauchy-Netz konvergiert. Die meisten oben genannten Aussagen bleiben im Kontext uniformer Räume gültig, beispielsweise besitzt auch jeder uniforme Raum eine eindeutige Vervollständigung.

Topologische Vektorräume tragen eine natürliche uniforme Struktur und sie heißen vollständig, wenn sie bezüglich dieser uniformen Struktur vollständig sind. Sie heißen quasivollständig, wenn jedes beschränkte Cauchy-Netz konvergiert, das heißt, wenn jede beschränkte, abgeschlossene Menge vollständig ist.

Eine topologische Gruppe heißt vollständig, wenn sie bezüglich ihrer linken uniformen Struktur (oder äquivalent: zu ihrer rechten uniformen Struktur) vollständig ist.

Quasivollständiger Raum

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Eine Verallgemeinerung der vollständigen Räume sind die quasivollständigen Räume. Ein topologischer Vektorraum   heißt quasivollständig falls jede abgeschlossene und beschränkte Untermenge von   vollständig ist. Eine äquivalente Bedingung ist, dass jedes beschränkte Cauchy-Netz konvergiert.[3]

Jeder vollständige Raum ist quasivollständig, die Umkehrung gilt aber nicht. Beispielsweise sei   ein unendlichdimensionaler Banach-Raum und   der topologische Dualraum. Dann ist   quasivollständig in der schwachen Topologie, aber nicht schwach vollständig. Bei endlichdimensionalem   ist   aber schwach vollständig.[4]

Quasivollständige Räume sind sequentiell vollständig, die Umkehrung gilt nicht.[5]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b Dirk Werner: Funktionalanalysis. 2005, S. 2.
  2. B. L. van der Waerden Algebra I. 8. Auflage. Springer, 1971 S. 243f
  3. N. Bourbaki: Topological Vector Spaces: Chapters 1–5. Hrsg.: Springer Berlin Heidelberg. Deutschland 2013.
  4. S.M. Khaleelulla: Counterexamples in Topological Vector Spaces. Hrsg.: Springer Berlin Heidelberg. Deutschland 2006, S. 21–22.
  5. S.M. Khaleelulla: Counterexamples in Topological Vector Spaces. Hrsg.: Springer Berlin Heidelberg. Deutschland 2006, S. 21–22.