Weiberspeck

Teil historischer Frauenkleidung

Der Begriff Weiberspeck, auch Vertugadin,[1] im Deutschen Wörterbuch (DWB) nur als Speck,[2] stammt aus dem späten 16. bis frühen 17. Jahrhundert[2] und bezeichnet einen ringartigen Wulst, den sich Frauen unter dem Rock um die Hüften banden.[3]

Darstellung von Weiberspeck (um 1600)

Der Weiberspeck war mit durch die Spanische Kleidermode bedingt, die in der ausgehenden Renaissance und des spanischen Barocks, der Zeit zwischen 1500 und dem Dreißigjährigen Krieg, stilbildend wurde. Die menschliche Figur wurde in geometrische – unter anderem kegelförmige –, auswattierte, enge Kleidung gehüllt, die weiblichen Formen verhüllt oder durch Korsetts geformt.

Der Weiberspeck war eine biegsame, leichte Röhre, die unter dem Oberrock angelegt wurde, um eine zylinderförmige Rocksilhouette zu erzielen.[4] In Frankreich wurde sie auch vertugadin en bourrelets (deutsch „Tugendwächterwulst“) genannt, da Frauen unter dem teilweise mit Werg ausgestopften Teil unter anderem eine Schwangerschaft lange verbergen konnten, zu der es z. B. infolge eines Seitensprungs gekommen war.[5]

Grundsätzlich war der Weiberspeck allerdings mehr im Bürgertum sowie in weniger wohlhabenden Teilen der Gesellschaft verbreitet, während der (deutschen) Adel den teureren Reifrock bevorzugte.[6] Das DWB betrachtete hingegen den Weiberspeck als Vorläufer des Reifrocks,[2] der Kunsthistoriker Paul Schubring gab Vertugadin als deutsches Synonym an.

Der Ausdruck gehört zu einer Reihe wenig systematisch erschlossener Bezeichnungen für Textilien, welche die Themenfelder Körper, Nahrung und Kleidung sprachlich verbinden; andere Beispiele dafür sind Begriffe wie z. B. „Schinken-“ oder „Keulenärmel“ sowie auch der englische Slangausdruck Muffin top (aufgrund der Ähnlichkeit zum über eine Muffinform hinausragenden Gebäckrand, auf deutsch in etwa „Hüftgold“ oder „Fettkragen“).[7] Der Weiberspeck war auch ein wesentliches Element, mit dem in der (damaligen) Mode mit dem räumlichen Potential von Kleidung experimentiert wurde,[8] erst in der Moderne wurde Kleidung wieder zunehmend körperbetonter.

Einzelnachweise

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  1. Paul Schubring: Hilfsbuch Zur Kunstgeschichte. 4. Auflage. Finckenstein & Salmuth, 1909, ISBN 978-3-95454-653-4 (google.com [abgerufen am 18. Oktober 2015]).
  2. a b c Speck, Bedeutung 6). In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 16: Seeleben–Sprechen – (X, 1. Abteilung). S. Hirzel, Leipzig 1905 (woerterbuchnetz.de).
  3. Mann im Korsett, Frau im Hühnerkorb. In: Mitteldeutsche Zeitung - Weißenfels. 16. März 2007, abgerufen am 26. August 2021.
  4. Annemarie Bönsch: Formengeschichte europäischer Kleidung. Böhlau Verlag, Wien 2011, ISBN 978-3-205-78610-8 (google.com).
  5. Alles klar? Warum Asiaten kein Deo brauchen und 500 andere Rätsel des Alltags – Best of ZDFtext „Die Frage des Tages“. Heyne Verlag, 2011, ISBN 978-3-641-06223-1 (google.com).
  6. Historische Schnitte nach M. Müller & Sohn. Ausgewählte Konstruktionsbeiträge der Rundschau für internationale Damenmode. Rundschau-Verlag Otto G. Königer, 2001, ISBN 978-3-929305-20-3 (google.com).
  7. Katrin Lindemann: Muster in Mode-Textil-Design: Festschrift für Prof. Dr. Jutta Beder. LIT Verlag Münster, 2013, ISBN 978-3-643-12184-4 (google.com [abgerufen am 18. Oktober 2015]).
  8. Gertrud Lehnert: Mode: Theorie, Geschichte und Ästhetik einer kulturellen Praxis. transcript Verlag, 2014, ISBN 978-3-8394-2195-6 (google.com [abgerufen am 18. Oktober 2015]).