Weidtmann (Orgelbauerfamilie)

Orgelbauerfamilie

Die Familie Weidtmann aus Ratingen war eine Orgelbauerfamilie, die von 1675 bis 1760 in drei Generationen im Rheinland, in Westfalen und in den Niederlanden Orgeln baute und renovierte. Sie waren die ersten evangelischen Orgelbauer im Rheinland und, neben der Familie Alberti aus Hattingen und ab 1640 Dortmund,[1] die wichtigste Orgelbauerfamilie ihrer Zeit im rechtsrheinischen Land und im Ruhrgebiet.

Peter Weidtmann d. Ä. wurde am 15. Mai 1647 in Doveren am Niederrhein geboren. Er kam 1675 nach Ratingen, wo er heiratete, und wurde dort 1679 als Bürger aufgenommen und später auch Ratsmitglied. Er betrieb dort seine Werkstatt, die vor allem für die reformierten und lutherischen Kirchen am Niederrhein und im Bergischen Land, aber auch in den Niederlanden arbeitete, und starb dort am 23. Mai 1715.

Sein Sohn Thomas Weidtmann (1675–1745), der im Alter von 18 Jahren Organist an der von seinem Vater 1694 erbauten Orgel der Neanderkirche in Düsseldorf geworden war, führte den Betrieb weiter.

Thomas Weidtmanns Söhne Peter Weidtmann d. J. (1698–1753) und Johann Wilhelm Weidtmann (1705–1760) bildeten die dritte Generation von Weidtmann-Orgelbauern.[2]

Die Weidtmanns waren weithin bekannt und nahmen auch andere angehende Orgelbauer als Lehrlinge und Gesellen an; so erlernte u. a. Johann Henrich Kleine den Beruf in den Jahren 1713 bis 1721 bei Peter Weidtmann d. Ä. und Thomas Weidtmann.[3]

Werke (Auswahl)

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Kursivschreibung gibt an, dass die Orgel nicht oder nur noch das historische Gehäuse erhalten ist. In der fünften Spalte bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal. Die arabische Zahl gibt die Anzahl der klingenden Register an. Die letzte Spalte bietet Angaben zum Erhaltungszustand oder zu Besonderheiten.

Jahr Ort Gebäude Bild Manuale Register Bemerkungen
1680 Orsoy evangelische Kirche
 
Die Weidtmann-Orgel in Orsoy
I/p 5 Peter Weidtmann d. Ä.; 1855 erweitert; ursprünglicher Holzprospekt bis heute erhalten.[4]
1680 Zoutelande (seit 1951) Catharinakerk   I/p 7 Peter Weidtmann d. Ä.; vermutlich um 1680 für eine Klosterkirche in Limburg erbaut, 1718 nach Heerlen versetzt, dort 1722 und 1838 repariert. Als die Kirche in Heerlen 1932 geschlossen wurde, kaufte der Orgelbauer D. Hendrikse aus Haarlem die Orgel, ließ sie reparieren und verkaufte sie 1950 nach Zoutelande, wo sie 1951 aufgestellt wurde. 2015 erfolgte ihr Verkauf an Orgelbauer Anton Škrabl/Slowenien.[5]
1683 Krefeld-Hüls Konventskirche des Frauenklosters St. Cäcilia I 8 Peter Weidtmann d. Ä.; nicht erhalten[6]
1688 Langenberg (Rheinland) Alte Kirche Peter Weidtmann d. Ä.; nicht erhalten[7]
1694 Düsseldorf Neanderkirche I/p 11 Peter Weidtmann d. Ä.; 1853 Neubau durch Adolph Ibach[8]
1696 Düsseldorf Berger Kirche Peter Weidtmann d. Ä.; 1765/1766 verkauft[9]
1696 Volberg Evangelische Kirche Volberg (seit 1798)   I 8 Peter Weidtmann d. Ä.; 1696 gebaut, 1789 hier eingebaut[10]
Um 1700 Paderborn Kapuzinerkirche
 
Peter Weidtmann d. Ä.; Gehäuse erhalten[11]
Um 1700 Hilversum lutherische Kirche I/p 7 Peter Weidtmann d. Ä.; Vorgeschichte teilweise im Dunkeln, um 1850 in Roermund ‘t Sand, 1906 versetzt in die Kapelle St. Aloysiusgesticht in Amsterdam, 1942 in die Kirche der Vrijzinnig Hervormden in Hilversum, 1970 verkauft an die lutherische Gemeinde Hilversum, in den 1980er Jahren restauriert.[12]
1703 Dinslaken katholische Pfarrkirche Sankt Vincentius Peter Weidtmann d. Ä.; 1927 ersetzt[13]
1705/1706 Wülfrath evangelische Stadtkirche I/p Peter Weidtmann d. Ä.; Gehäuse und Windkanalwerk erhalten[14]
1710 Buer Propsteikirche St. Urbanus Peter Weidtmann d. Ä.; 1877 nach Thenhoven verkauft, Prospekt dort in der 1866 erbauten Kirche St. Johann Baptist eingebaut.[15]
um 1713 Wermelskirchen evangelische Stadtkirche
 
Peter Weidtmann d. Ä. oder Thomas Weidtmann; Prospekt erhalten
1715 Radevormwald reformierte Kirche Thomas Weidtmann; beim Stadtbrand 1802 zerstört[16]
1726/1727 Lindlar katholische Kirche I 13 Thomas Weidtmann[17]
1731/1732 Hoerstgen Evangelische Kirche I/p 11 Thomas Weidtmann; 1854 Umbau durch Bernhard Tibus; 1971 Restaurierung und Rückbau durch Ahrend & Brunzema; erhalten[18][19]
1732 Menzelen katholische Pfarrkirche St. Walburgis I 6 Thomas Weidtmann; Gehäuse erhalten[20][21]
1735/1736 Ratingen evangelische Stadtkirche[22] I 12 Thomas und Peter Weidtmann d. J.; 1972 verbrannt und 1973 rekonstruiert
1738 Düsseldorf-Angermund katholische Kirche St. Agnes Thomas Weidtman; 1933 ersetzt[23]
1743 Maastricht Wallonische Kirche
 
I/p 11 Thomas Weidtman, im Gehäuse von 1664; 1964 Restaurierung durch Van Vulpen aus Utrecht[24]
1744 Nieuwdorp (seit 1943) ehem. Reformierte Kirche I 8 Peter Weidtmann d. J; 1943 nach Nieuwdorp versetzt, 1953/1954 repariert, 1979 restauriert; zuvor seit 1929 in der kath. Kirche von Lewedorp, davor in der Protestantse Kerk (Aagtekerke) in Aagtekerke und ursprünglich möglicherweise in Middelburg.[25][26][27][28]
1744 Meliskerke Odulphuskerk
 
I 8 Peter Weidtmann d. J.; 1744 als Hausorgel erbaut, zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Meliskerke verkauft.
1746/1747 Vluyn evangelische Dorfkirche I 11 Peter Weidtmann d. J.; 1863 an die katholische Pfarrei St. Thomas in Stenden verkauft, dort noch heute nach Umsetzung 1903 in die neuerbaute St.-Thomas-Kirche („Stendener Dom“) erhalten.[29][30]
1749/1754 Kettwig Marktkirche
 
I 7 Peter Weidtmann d. J. und Johann Wilhelm Weidtmann; Rokokogehäuse im Originalzustand erhalten[31]

Einzelnachweise

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  1. Peter Alberti († 1670), dessen Sohn Albertus Alberti (1614–1670) und der Enkel Johann Georg Alberti (1644–1722).
  2. Germes: Die Ratinger Orgelbaufamilie Weidtmann. 1966.
  3. Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 40). Band 4: Regierungsbezirke Koblenz und Trier, Kreise Altenkirchen und Neuwied. Schott, Mainz 2005, ISBN 978-3-7957-1342-3, S. 39.
  4. Geschichte der Orgel (Memento des Originals vom 22. Dezember 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kirche-orsoy.de
  5. Orgel in Zoutelande.
  6. Orgel in Krefeld-Hüls.
  7. 1725 wurden der Turm und das Kirchenschiff, bis auf den später gebauten Chor, abgerissen. Die Orgel wurde dabei zerstört (Evangelische Kirchengemeinde Langenberg: Über die Orgeln in der Alten Kirche).
  8. Orgel in Düsseldorf, Neanderkirche.
  9. Orgel in Düsseldorf, Berger Kirche.
  10. Rösrath erleben, Winter 2012/2013, S. 7.
  11. Orgel in Paderborn.
  12. Evangelisch-Lutherse Gemeente Het Gooi: Kerkorgel Hilversum - Het Weidtmanorgel in Hilversum.
  13. Orgelsammlung Gabriel Isenberg.
  14. Wülfrath: Fünf Zeitzeugen aus Zinn, bei RP online, 24. September 2012.
  15. St. Johann Baptist, Thenhoven.
  16. Orgelklang soll Herzen erheben, bei: Geschichte & Heimat, Nr. 11, 68. Jahrgang, November 2001.
  17. Orgelauskunft.
  18. Orgel in Hoerstgen.
  19. Moers:Weidtmann-Orgel ist Hoerstgens Kleinod, RP online, 6. Januar 2017.
  20. Orgel_1732 Orgel in Alpen-Menzelen.
  21. Orgel in Menzelen.
  22. Orgel in Ratingen.
  23. Düsseldorf/Angermund, St. Agnes.
  24. Kerkgebouwen in Limburg: Waalse kerk (Voormalige)/ Nederlands Gereformeerde kerk.
  25. Gemeente Niewdorp bestaat 100 jahr.
  26. Nieuwdorp, (voormalig) Gereformeerde Kerk.
  27. Orgel in Lewedorp.
  28. Historisch orgel Nieuwdorp.
  29. Zur Geschichte der Orgel in der Dorfkirche zu Vluyn.
  30. St. Thomas Stenden: Gemeindekirche der Pfarrei St. Dionysius Kerken.
  31. Orgel in Kettwig.

Literatur

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  • Jakob Germes: Die Ratinger Orgelbaufamilie Weidtmann (1675–1760). A. Henn, Düsseldorf 1966.
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