Weiskirchen (Rodgau)

Stadtteil von Rodgau im Landkreis Offenbach

Weiskirchen ist ein Stadtteil von Rodgau im südhessischen Landkreis Offenbach.

Weiskirchen
Stadt Rodgau
Wappen von Weiskirchen
Koordinaten: 50° 3′ N, 8° 53′ OKoordinaten: 50° 3′ 11″ N, 8° 53′ 29″ O
Höhe: 120 m ü. NHN
Fläche: 9,11 km²[1]
Einwohner: 6873 (Juni 2024)[2]
Bevölkerungsdichte: 754 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1977
Postleitzahl: 63110
Vorwahl: 06106
Luftbild, vorne Weiskirchen, im Hintergrund Frankfurt
Weiskirchen von oben, Blick von Osten.

Geographische Lage

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Weiskirchen liegt an der Rodau in der Rhein-Main-Ebene auf 122 m über NN, ca. 6 km westlich von Seligenstadt.

Geschichte

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Mittelalter

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Rund um die Kirche entstand in fränkischer Zeit ein Straßendorf. Die älteste erhaltene Erwähnung stammt von 1215. Der Ort befand sich im Besitz der Herren von Hagenhausen/Eppstein. 1305 verkaufte Äbtissin und Konvent des Klosters Marienborn ihren Hof und Einkünfte in Weiskirchen an das Kloster Seligenstadt.

Weiskirchen gehörte zur Auheimer Mark und lag im Amt Steinheim, das zunächst den Herren von Hagenhausen/Eppstein gehörte. Diese verpfändeten es ab 1371 je zur Hälfte den Grafen von Katzenelnbogen und den Herren von Hanau. 1393 gelangte das Pfand insgesamt an die Herren von Cronberg. 1425 verkaufte Gottfried von Eppstein das Amt Steinheim an das Kurfürstentum Mainz.

1397 ist eine Mühle belegt, 1473 bereits zwei. Die Meckelsmühle befand sich am Nordrand des Ortes an der Rodau und war Mitte des 20. Jahrhunderts noch in Betrieb.

Historische Namensformen

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Mühlrad in Weiskirchen

In erhaltenen Urkunden wurde Weiskirchen unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]

  • Wichenkirhen (1287)
  • Wizzinkirchin (1305)
  • Wyzenkirchen (1339)
  • Wyzinkirchen (1357)
  • Wizsenkirchen (1371)
  • Wyßinkirchin (1407)
  • Wyßenkirchen (1421)
  • Wissenkirchen (1473)
  • Weiß Kirchen (1527)
  • Wyßkirchen (1535)
  • Weißkirchen (1542)
  • Weyßkirchen (1642)

Kirchengeschichte

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Die Kirche mit dem Patrozinium St. Peter ad Vincula entstand schon in fränkischer Zeit. Weiskirchen war im Mittelalter Mutterkirche für die Dörfer Hainhausen und Rembrücken. Jügesheim war ab 1477 eine Filiale. Zunächst waren die Herren von Hagen-Münzenberg, nach der Münzenberger Erbschaft, ab 1256, die Herren von Hanau Patronatsherren. 1440 übertrug Graf Reinhard II. von Hanau das Patronatsrecht auf die von ihm sehr geförderte Maria-Magdalena-Kirche in Hanau. Kirchliche Mittelbehörde war in der Frühen Neuzeit das Archidiakonat St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, Landkapitel Rodgau.

1576 werden als Grundherren in Weiskirchen u. a. das Kloster Arnsburg, der Deutsche Orden in Frankfurt, das Kloster Seligenstadt, das Kloster Patershausen, die Grafen von Isenburg und die Pfarrei Lämmerspiel genannt.

In den Jahren 1631–1634, während des Dreißigjährigen Kriegs, beschlagnahmte König Gustav II. Adolf das Amt als Kriegsbeute und stattete die nachgeborenen Hanauer Grafen Heinrich Ludwig von Hanau-Münzenberg (1609–1632) und Jakob Johann von Hanau-Münzenberg (1612–1636), die mit ihm verbündet waren, damit aus.[3] Da beide Grafen schon bald starben und der Westfälische Friede auf das Normaljahr 1624 abstellte, kam Weiskirchen wieder an Kurmainz.

Bei der Aufteilung der Auheimer Mark 1786 erhielt Weiskirchen einen Anteil des ehemals gemeinsamen Waldes.

Territoriale Zugehörigkeit

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Bis 1821 nahm das Amt Seligenstadt Verwaltung und Rechtsprechung in Weiskirchen wahr. Mit der Verwaltungsreform im Großherzogtum Hessen in diesem Jahr wurden auch hier auf unterer Ebene Rechtsprechung und Verwaltung getrennt.[4]

Für die Verwaltung wurden Landratsbezirke geschaffen, die erstinstanzliche Rechtsprechung Landgerichten übertragen. Der Landratsbezirk Seligenstadt erhielt die Zuständigkeit für die Verwaltung unter anderem für das gleichzeitig aufgelöste Amt Seligenstadt. Durch verschiedene Verwaltungsreformen gehörte Weiskirchen dann ab

Zum 1. Januar 1977 wurde Weiskirchen im Rahmen der Gebietsreform in Hessen durch den Zusammenschluss von fünf bis dahin selbstständigen Gemeinden Teil der Großgemeinde Rodgau[6], seit 1979 Stadt Rodgau.[7]

Gerichtliche Zuständigkeit

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Bei der Reform 1821 übernahm das Landgericht Steinheim die erstinstanzliche Rechtsprechung in Weiskirchen, die zuvor das Amt wahrgenommenen hatte.[4] Der Sitz des Gerichts wurde zum 1. Juli 1835 nach Seligenstadt verlegt und die Bezeichnung in „Landgericht Seligenstadt“ geändert.[8] Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurden Organisation und Bezeichnungen der Gerichte reichsweit vereinheitlicht. Zum 1. Oktober 1879 hob das Großherzogtum Hessen deshalb die Landgerichte auf. Funktional ersetzt wurden sie durch Amtsgerichte.[9] So ersetzte das Amtsgericht Seligenstadt das Landgericht Seligenstadt.

Entwicklungen und Ereignisse

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Sprengung des ehemaligen Mittelwellensenders des HR

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wandelte sich Weiskirchen von einem Bauerndorf zu einer Arbeitergemeinde. Vom ursprünglichen Dorfkern sind heute nur noch wenige Fachwerkbauten erhalten. Während des Nationalsozialismus wurde die kleine jüdische Gemeinde ausgelöscht. Im März 2005 wurde die restaurierte kleine ehemalige Synagoge als Gedenkstätte wiedereröffnet.

Die evangelische Gustav-Adolf-Kirche besteht seit 1952.

Seit 1967 befand sich der Sender Weiskirchen, ein Mittelwellensender des Hessischen Rundfunks für die Frequenz 594 kHz am nordwestlichen Ortsrand von Weiskirchen. Der Betrieb der Anlage wurde zum 1. Januar 2010 aus Kostengründen eingestellt; im April 2012 wurden die Sendemasten gesprengt.

Einwohnerentwicklung

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Belegte Einwohnerzahlen sind:[1]

  • 1576: 37 Familien
  • 1961: 848 evangelische (= 24,66 %), 2495 katholische (= 72,55 %) Einwohner
Weiskirchen: Einwohnerzahlen von 1829 bis 1970
Jahr  Einwohner
1829
  
575
1834
  
655
1840
  
725
1846
  
716
1852
  
771
1858
  
785
1864
  
685
1871
  
695
1875
  
731
1885
  
782
1895
  
920
1905
  
1.157
1910
  
1.291
1925
  
1.474
1939
  
1.740
1946
  
2.238
1950
  
2.345
1956
  
2.781
1961
  
3.439
1967
  
4.474
1970
  
4.840
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1]

Bürgermeister

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Amtszeiten der Bürgermeister vor der Gründung der Stadt Rodgau
  • 1946–1947 Peter Josef Ott (SPD)[10][11]
  • 1919–1933 Peter Josef Ott (SPD)

Wappen und Flagge

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Wappen

 

Blasonierung: „Auf blauem Grund über goldenem Boden eine silberne Kirche mit rotem Dach und goldenem Turmkreuz, der Turm von vier goldenen Mühlrädern beseitet“[12]

Das Wappen wurde der Gemeinde Weiskirchen am 25. Februar 1958 durch den Hessischen Innenminister genehmigt. Gestaltet wurde es durch den Bad Nauheimer Heraldiker Heinz Ritt.

Das Wappen zeigt den redenden weißen Kirchturm der Kirche St. Petrus in Ketten. Die Mühlräder deuten auf die zahlreichen Mühlen entlang der Rodau hin.[13]

Flagge

Am 24. Januar 1959 wurde der Gemeinde durch den Hessischen Innenminister eine Flagge genehmigt, die wie folgt beschrieben wird:

„Auf der breiten weißen Mittelbahn des rot-weiß-roten Flaggentuches das Gemeindewappen.“[14]

Über die Kommune hinaus bekannt wurde durch die Teilnahme an der Trampolin-Bundesliga so wie der Deutschen Turnliga die Spielvereinigung Weiskirchen.

 
Ehemaliges Empfangsgebäude des Bahnhofs Weiskirchen, Bahnsteigseite

1896 erhielt Weiskirchen mit der Rodgaubahn Anschluss an die Eisenbahn und einen eigenen Bahnhof. Seit Ende 2003 ist es mit der S-Bahn-Linie S1 (Wiesbaden HauptbahnhofOber-Roden) an das Netz der S-Bahn Rhein-Main angeschlossen.

Linie Verlauf Takt
  Wiesbaden Hbf – Wiesbaden Ost – Mainz-Kastel – Hochheim (Main) – Flörsheim (Main) – Eddersheim – Hattersheim (Main) – Frankfurt-Sindlingen – Frankfurt-Höchst Farbwerke – Frankfurt-Höchst – Frankfurt-Nied – Frankfurt-Griesheim – Frankfurt (Main) Hbf tief – Frankfurt (Main) Taunusanlage – Frankfurt (Main) Hauptwache – Frankfurt (Main) Konstablerwache – Frankfurt (Main) Ostendstraße – Frankfurt (Main) Mühlberg – Offenbach-Kaiserlei – Offenbach Ledermuseum – Offenbach Marktplatz – Offenbach (Main) Ost – Offenbach-Bieber – Offenbach-Waldhof – Obertshausen – Rodgau-Weiskirchen – Rodgau-Hainhausen – Rodgau-Jügesheim – Rodgau-Dudenhofen – Rodgau-Nieder-Roden – Rodgau-Rollwald – Rödermark-Ober Roden 30 min
15 min (Hochheim–Rödermark zur HVZ)

Literatur

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  • Barbara Demandt: Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains = Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 29, S. 158.
  • Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch. Band 1: Starkenburg. 1937, S. 739f.
  • Hans Georg Ruppel (Bearb.): Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform = Darmstädter Archivschriften 2. 1976, S. 211.
  • Georg Schäfer: Kreis Offenbach. Teil von Rudolf Adamy: Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen – Provinz Starkenburg. 1885, 236ff.
  • Dagmar Söder: Kulturdenkmäler in Hessen, Kreis Offenbach. Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 268–269.
  • Helmut Trageser: Christen, wollt ihr Rochus ehren, 300 Jahre Rochusgelübde Weiskirchen. Weiskirchen 2002.
  • Helmut Trageser u. a.: Geschichte und Geschichten, 700 Jahre Weiskirchen. Weiskirchen 1986
  • Helmut Trageser: Weiskirchen in alten Ansichten, Weiskirchen 1984
  • Margarete Zilch und Arnold Haag: Mühlen an der mittleren Rodau. Weiskirchen 2008
  • Literatur über Weiskirchen nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie
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Einzelnachweise

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  1. a b c d Weiskirchen, Landkreis Offenbach. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 17. April 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Zahlen, Daten, Fakten / Rodgau. Abgerufen am 12. September 2024.
  3. Richard Wille: Hanau im Dreißigjährigen Krieg. Hanau 1886, S. 91, 593f.
  4. a b Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
  5. § 1 Abs. 3 Dritte Verordnung über den Neubau des Reichs. In: RGBl. I S. 1675.
  6. Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Offenbach (GVBl. II 330-33) vom 26. Juni 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 22, S. 316–318, § 6 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,5 MB]).
  7. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. 5. 1970 bis 31. 12. 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 375.
  8. Bekanntmachung, die Verlegung des Landgerichtssitzes von Steinheim nach Seligenstadt betreffend vom 12. Mai 1835. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 29 vom 21. Mai 1835, S. 277.
  9. §§ 1, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
  10. Geschichte Weiskirchens. Abgerufen am 20. April 2024.
  11. Zeitreise auf dem Friedhof. Abgerufen am 20. April 2024.
  12. Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Weiskirchen im Landkreis Offenbach,, Regierungsbezirk Darmstadt vom 25. Februar 1958. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1958 Nr. 10, S. 298, Punkt 255 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,5 MB]).
  13. Klemens Stadler: Deutsche Wappen, Band 3; Angelsachsen-Verlag, Bremen 1967, S. 92.
  14. Genehmigung zur Führung einer Flagge an die Gemeinde Weiskirchen im Landkreis Offenbach, Regierungsbezirk Darmstadt vom 24. Januar 1959. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1959 Nr. 6, S. 130, Punkt 132 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 7,0 MB]).