Der Begriff Weltära beschreibt eine Zeitrechnung, bei der die Jahre der Welt von ihrer Erschaffung an gezählt werden.[1]

Geschichte

Bearbeiten

Christliche Weltären wurden seit dem 3. Jh. berechnet, zuerst wahrscheinlich durch Sextus Iulius Africanus, und später besonders im byzantinischen Kulturkreis verwendet.

Grundlagen

Bearbeiten

Die Grundlage dazu bilden die Ideen des christlichen Chiliasmus, der auf folgenden Prämissen beruht:

  • Die Welt ist in sieben Tagen erschaffen worden, also dauert sie auch sieben Tage.
  • Weil es in der Bibel heißt „tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag“ (Psalm 90,4 EU), dauert die Welt siebentausend Jahre.
  • Davon ist der letzte Tag ab dem Jahr 6001 Gottes Reich, entsprechend dem letzten Tag der Schöpfung, dem Sabbat, aber vorher kommt im Jahr 6000 der Antichrist und das Ende unserer Welt.
  • Christus kommt einen halben Tag zuvor im Jahr 5500 auf die Welt.

Synchronisierung

Bearbeiten

Auf dieser Grundlage wurde mit den unklaren und oft widersprüchlichen Zahlenangaben des Alten Testaments solange gerechnet, bis die Geburt Christi ins Jahr 5500 fiel. Hauptproblem ist dabei die Synchronisierung mit den anderen Elementen der (christlichen) Zeitrechnung:

  • Das Osterdatum wiederholt sich im julianischen (nicht im gregorianischen) Kalender nach dem Produkt von Woche × Schaltjahr × Mondzyklus (der Wiederkehr des Vollmonds zum selben Datum nach 235 Mondmonaten), also alle 7 × 4 × 19 = 532 Jahre. Der Beginn einer Ära soll möglichst mit dem Beginn eines solchen Zyklus zusammenfallen, auch wenn es Ostern vor Christus gar nicht geben kann.
  • Der Beginn einer Ära soll möglichst auch mit dem Beginn des Indiktionenzyklus von 15 Jahren zusammenfallen.

Diese Vorgaben waren jedoch gleichzeitig nicht zu erfüllen. Für die Weltären gab es zunächst folgende konkurrierende Ansetzungen:

Einige Chroniken, wie die des Johannes Malalas, verwenden auch weitere, sonst nicht bezeugte Ären.

Verwendung

Bearbeiten

Die byzantinische Ära setzte sich ab dem späten 7. Jh. allgemein durch, doch wird noch in den Weltchroniken des Georgios Synkellos und des Theophanes die alexandrinische Ära verwendet, die 16 Jahre von der byzantinischen und 17 Jahre von der protobyzantinischen Ära abweicht.

In Chroniken, zur Datierung von Urkunden usw. wird später durchweg die byzantinische Ära benutzt. Die parallele Verwendung mehrerer Ären führt aber dazu, dass Nachrichten bei der Übernahme aus älteren Chroniken manchmal ins falsche Jahr eingeordnet oder in verschiedenen Jahren mehrfach gebracht werden.

Die Weltären wurden erst zu einem Zeitpunkt wirklich üblich, als das Ende der Welt nach ihrer Rechnung schon hätte eingetreten sein müssen. Die heftigen Unruhen besonders in der Regierungszeit des Kaisers Anastasios I. (491–518) sind unter anderem dadurch erklärlich, dass ihr Beginn ins Jahr 6000 der protobyzantinischen Ära fiel und er deshalb vielfach mit dem Antichrist identifiziert wurde.[2]

In den slawischen orthodoxen Ländern blieb die byzantinische Weltära noch über das Ende des byzantinischen Reichs 1453 hinaus üblich und wurde in Russland erst durch Zar Peter den Großen abgeschafft.

Literatur

Bearbeiten
  • William Adler: Time immemorial: archaic history and its sources in Christian chronography from Julius Africanus to George Syncellus. Dumbarton Oaks Research Library and Collection, Washington, DC 1989, ISBN 0-88402-176-9 (Dumbarton Oaks Studies, 26)
  • Alden A. Mosshammer: The Easter computus and the origins of the Christian era. Oxford University Press, Oxford 2009, ISBN 978-0-19-954312-0.
  • Venance Grumel: La chronologie. Presses Univ. de France, Paris 1958 (Traité d’études byzantines, 1).
  • Hans Lietzmann und Kurt Aland: Zeitrechnung der römischen Kaiserzeit, des Mittelalters und der Neuzeit für die Jahre 1–2000 n. Chr. 4. Auflage, Berlin, de Gruyter 1984, ISBN 3-11-010049-5.

Anmerkungen

Bearbeiten
  1. http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/%C3%84ra?hl=weltara
  2. Wolfram Brandes: Anastasios ho dikoros. Endzeiterwartung und Kaiserkritik in Byzanz um 500 n. Chr. In: Byzantinische Zeitschrift 90, 1997, S. 24–63.