In der Mathematik ist ein Wendepunkt ein Punkt auf einem Funktionsgraphen, an dem der Graph sein Krümmungsverhalten ändert: Der Graph wechselt hier entweder von einer Rechts- in eine Linkskurve oder umgekehrt. Dieser Wechsel wird auch Bogenwechsel genannt. Die Ermittlung von Wendepunkten ist Bestandteil einer Kurvendiskussion.

Wendepunkt mit Wendetangente
Krümmungsverhalten der Funktion sin(2x). Die Tangente ist blau gefärbt in konvexen Bereichen, grün gefärbt in konkaven Bereichen und rot gefärbt bei Wendepunkten.

Ein Wendepunkt an der Wendestelle liegt vor, wenn die Krümmung des Funktionsgraphen an der Stelle ihr Vorzeichen wechselt. Daraus lassen sich verschiedene hinreichende Kriterien zur Bestimmung von Wendepunkten ableiten. Ein Kriterium fordert, dass die zweite Ableitung der differenzierbaren Funktion an der Stelle ihr Vorzeichen wechselt. Andere Kriterien fordern nur, dass die zweite Ableitung der Funktion Null ist und dass bestimmte höhere Ableitungen ungleich Null sind.

Betrachtet man die zweite Ableitung einer Funktion als „Steigung ihrer Steigung“, lassen sich ihre Wendestellen auch als Extremstellen, das heißt lokale Maxima oder Minima, ihrer Steigung interpretieren.

Tangenten durch einen Wendepunkt (im Bild rot gezeichnet) heißen Wendetangenten. Wendepunkte, in denen diese Wendetangenten horizontal verlaufen, werden Sattel-, Terrassen- oder Horizontalwendepunkte genannt.

Analog zum Begriff Extremwert scheint der Begriff Wendewert für den entsprechenden Funktionswert intuitiv plausibel und wird auch in manchen Quellen verwendet. Allerdings wird dabei direkt oder indirekt (durch Nutzung von bspw. Anführungszeichen) darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine tendenziell unübliche Bezeichnung handelt.[1][2]

Definition

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Sei   ein offenes Intervall und   eine stetige Funktion. Man sagt,   habe in   einen Wendepunkt, wenn es Intervalle   und   gibt, so dass entweder

  •   in   strikt konvex und in   strikt konkav ist, oder dass
  •   in   strikt konkav und in   strikt konvex ist.

Anschaulich bedeutet dies, dass der Graph der Funktion   im Punkt   das Vorzeichen seiner Krümmung ändert.

Kriterien zur Bestimmung von Wendepunkten

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Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass die Funktion   hinreichend oft differenzierbar ist. Andernfalls sind die folgenden Kriterien bei der Suche nach Wendepunkten nicht anwendbar. Zuerst wird ein notwendiges Kriterium vorgestellt, das heißt jede zweimal stetig differenzierbare Funktion muss dieses Kriterium an einer Stelle   erfüllen, damit unter Umständen an diesem Punkt ein Wendepunkt vorliegt. Danach werden einige hinreichende Kriterien angegeben. Sind diese Kriterien erfüllt, so liegt sicher ein Wendepunkt vor, jedoch gibt es auch Wendepunkte, die diese hinreichenden Kriterien nicht erfüllen.

Notwendiges Kriterium

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Sei   eine zweimal stetig differenzierbare Funktion, dann beschreibt, wie in der Definition schon angemerkt, die zweite Ableitung die Krümmung des Funktionsgraphen. Da ein Wendepunkt ein Punkt ist, an dem sich das Vorzeichen der Krümmung ändert, muss die zweite Ableitung der Funktion   an diesem Punkt null sein. Es gilt also:

Ist   eine Wendestelle, so ist  .

Hinreichendes Kriterium ohne Verwendung der dritten Ableitung

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Bei Kurvendiskussionen wird in der Regel eine der beiden folgenden hinreichenden Bedingungen verwendet. In der ersten Bedingung kommt nur die zweite Ableitung vor; dafür muss das Vorzeichen von   für   und für   untersucht werden.

 

Wechselt   vom Negativen ins Positive, so ist   Rechts-links-Wendestelle. Wenn   an   vom Positiven ins Negative wechselt, so ist   eine Links-rechts-Wendestelle.

Hinreichendes Kriterium unter Verwendung der dritten Ableitung

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Für die Funktion f(x)=x4-x ist die zweite Ableitung bei x=0 gleich Null; aber (0,0) ist kein Wendepunkt, da auch die dritte Ableitung gleich Null und die vierte Ableitung ungleich Null ist.

In der zweiten für einen Wendepunkt hinreichenden Bedingung wird auch die dritte Ableitung benötigt, allerdings nur an der Stelle   selbst. Diese Bedingung wird vor allem dann verwendet, wenn die dritte Ableitung leicht zu ermitteln ist. Der Hauptnachteil gegenüber der schon erläuterten Bedingung liegt darin, dass im Falle   keine Entscheidung getroffen werden kann.

 

Genauer folgt aus   und  , dass   bei   ein Minimum des Anstiegs, also eine Rechts-links-Wendestelle besitzt, während sie umgekehrt für   und   bei   ein Maximum des Anstiegs, also eine Links-rechts-Wendestelle aufweist.

Hinreichendes Kriterium unter Verwendung weiterer Ableitungen

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Ist die Funktion   hinreichend oft differenzierbar, kann auch im Falle   eine Entscheidung getroffen werden. Dies basiert auf der Entwicklung von   an der Stelle   mittels der Taylor-Formel:[3]

 

Diese allgemeinere Formulierung enthält damit auch schon den vorangegangenen Fall: Beginnend mit der dritten Ableitung wird die nächste von Null verschiedene Ableitung gesucht, und falls dies eine Ableitung ungerader Ordnung ist, handelt es sich um eine Wendestelle.

Oder ganz allgemein formuliert: Ist die erste von Null verschiedene Ableitung   der Funktion   an der Stelle  , an der   ist, eine Ableitung ungerader Ordnung > 2, besitzt   damit an dieser Stelle einen Wendepunkt.

Beispiel

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Dann ist die zweite Ableitung der Funktion gegeben durch:

 .

Eine Wendestelle   muss die Bedingung

  bzw.
 

erfüllen. Daraus folgt  . Um zu klären, ob an dieser Stelle tatsächlich ein Wendepunkt vorliegt, untersucht man nun auch die dritte Ableitung:

 

Aus   ist zu schließen, dass es sich um einen Wendepunkt handelt. Diese Tatsache ist auch ohne Verwendung der dritten Ableitung zu erkennen: Wegen   für   und   für   ändert sich das Krümmungsverhalten; daher muss ein Wendepunkt vorliegen.

Die  -Koordinate dieses Wendepunkts erhält man durch Einsetzen von   in die Funktionsgleichung.

 

Die Gleichung der Wendetangente kann bestimmt werden, indem man die x-Koordinate des Wendepunktes (2) in die erste Ableitung einsetzt. Somit erhält man die Steigung (m). Danach setzt man in die Funktionsbestimmung (y = mx + b) die ermittelte x- & y-Koordinate des Wendepunkts und den m- (Steigungs-)Wert ein. Man erhält dann den Schnittpunkt mit der y-Achse (b) und somit die komplette Gleichung der Wendetangente.

 
 
Wendetangente:  

Besondere Fälle

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Der Graph der Funktion   ändert bei   sein Krümmungsverhalten (Übergang von Rechts- in Linkskrümmung). Die erste Ableitung an der Stelle   existiert nicht, der obige Formalismus ist damit nicht anwendbar. Dennoch hat die Funktion bei   einen Wendepunkt.

Der Graph der Funktion mit der Gleichung   im positiven und   im negativen Bereich und bei  , d. h.  , hat zwar eine erste, aber keine zweite Ableitung an der Stelle  , gleichwohl liegt ein Wendepunkt vor.

Siehe auch

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  • Flachpunkt, ein Punkt an dem   ist (bzw. an dem   ist, aber sich das Krümmungsverhalten nicht ändert – je nach Definition)

Literatur

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Wiktionary: Wendepunkt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Österreichisches Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Hg.): Wissenschaftliche Nachrichten; Nr. 122, Juli/August 2003, S. 40.
  2. Gunter Heim: Wendewert. In: Rhetos Lexikon der spekulativen Philosophie. 6. Januar 2024, abgerufen am 14. Januar 2024.
  3. W. Gellert, H. Küstner, M. Hellwich, H. Kästner: Kleine Enzyklopädie Mathematik; Leipzig 1970, S. 433–434.