Wertstoffgesetz
Das sich im Ausarbeitungsprozess befindende geplante deutsche Wertstoffgesetz ist ein Gesetzentwurf, mit dem auf Grundlage des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2013 „rechtliche Grundlagen zur Einführung der gemeinsamen haushaltsnahen Wertstofferfassung für Verpackungen und andere Wertstoffe“[1] geschaffen werden sollen. Der Ende Juli 2016 vom Bundesumweltministerium vorgelegte Entwurf sah an Stelle eines Wertstoffgesetzes die Verabschiedung des am 5. Juli 2017 erlassenen Verpackungsgesetzes vor, da zwischen Kommunen und privaten Entsorgungsunternehmen keine Einigung hergestellt werden konnte.[2][3]
Wissenschaftliche Grundlagen für das Gesetz
BearbeitenWissenschaftliche Untersuchungen zeigen die Potentiale eines Wertstoffgesetzes für Abfallvermeidung, Recycling, Klimaschutz, Rohstoffeinsparung und die Verringerung des Energieverbrauchs. Aktuell produziert jeder Deutsche im Jahr rund 450 Kilogramm Haushaltsabfälle.[4] 57 % davon sind Wertstoffe und Bioabfälle. Laut einem Gutachten von INFA[5] können durch ein neues Wertstoffgesetz ca. 8 Millionen Tonnen Wertstoffe zusätzlich recycelt werden. Das entspricht etwa 100 Kilogramm pro Person. Einer Studie von CUTEC und Fraunhofer UMSICHT[6] zufolge können durch ein Wertstoffgesetz 6,5 Millionen Tonnen Rest- und Sperrabfälle vermieden und 4,7 Millionen Tonnen Rohstoffe eingespart werden. Der Ausstoß von schädlichen Treibhausgasen kann um 2 Millionen Tonnen und der Einsatz von Energie um 10.000 GWh pro Jahr reduziert werden. Das entspricht dem Energieverbrauch von über 500.000 Haushalten.[7]
Eckpunkte des neuen Wertstoffgesetzes
BearbeitenIm Juni 2015 hat die Große Koalition die Eckpunkte[8] des Wertstoffgesetzes vorgestellt. Sie sehen vor, die Produktverantwortung der Hersteller für Verpackungen auf die stoffgleichen Nichtverpackungen[Anm. 1] aus Kunststoff, Metall und Verbunden auszuweiten. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sollen Einflussmöglichkeiten gewinnen und über die Art der Wertstoffsammlung (Wertstofftonne, Größe der Behälter, Abholintervalle) entscheiden. Als Kontrollorgan soll eine Zentrale Stelle eingerichtet werden.
Der Bundestagsabgeordnete Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte am 16. Juni 2015 das Eckpunktepapier der Großen Koalition.[9] Den Kommunen müsse mehr Verantwortung zugesprochen und die dualen Systeme müssten abgeschafft werden. Zudem komme die Produktverantwortung zu kurz und das Eckpunktepapier des Wertstoffgesetzes beinhalte keine Aussagen zu selbstlernenden Recyclingquoten. Kritik am Gesetzentwurf wurde auch auf Seiten der Regierungsparteien geäußert. Michael Thews, Bundestagsabgeordneter der SPD und Sprecher seiner Fraktion für das Thema Kreislaufwirtschaft, forderte im Juni 2015, dass die Organisationsverantwortung für die Sammlung der Wertstoffe die Kommunen und nicht die Privatwirtschaft tragen sollten.[10] Ingbert Liebing, kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion äußerte dieselbe Meinung.[11]
Eckpunkte des neuen Verpackungsgesetzes
BearbeitenDer Entwurf von Ende Juli 2016 umfasst die stoffgleichen Nicht-Verpackungen nicht mehr.[12] In der Wertstofftonne sollen wie bisher nur die gesetzlich bei einem Dualen System lizenzierten Verkaufsverpackungen entsorgt werden.[2] An die Stelle der Verpackungsverordnung wird mit Wirkung vom 1. Januar 2019 das Verpackungsgesetz treten.[13] Mit dem Gesetz wird eine „Zentrale Stelle“ geschaffen.[13]
Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestquote für im gelben Sack gesammelte Kunststoffverpackungen soll von bisher 36 % auf 63 % steigen.[14] Die Mindestquote für Mehrweg- und ökologische vorteilhafte Getränkeverpackungen von bisher 80 % soll ganz entfallen.[12]
Positionen
BearbeitenParteien, Verbände und Organisationen haben sich zu den Inhalten des Wertstoffgesetzes positioniert. Bündnis 90/Die Grünen fordern eine Kommunalisierung der Abfallentsorgung[15] und die Abschaffung der dualen Systeme[16]. Zudem fordert Bündnis 90/Die Grünen – und ebenso die Deutsche Umwelthilfe (DUH)[17] eine öffentlich-rechtliche zentrale Stelle[18] auf Bundesebene, die für Kontrolle und Transparenz sorgen soll.
Aus Sicht des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE) muss das Wertstoffgesetz vor allem den Vorrang des Recyclings weiter stärken, das Prinzip der Produktverantwortung durchsetzen und die bewährten gewerblichen Sammelstrukturen erhalten und ausbauen.[19] Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) fordert eine Ausweitung der Produktverantwortung der Hersteller. Es sollen selbstlernende Recyclingquoten[20] eingeführt werden. Das heißt: Wird die Recyclingquote für einen Wertstoff übererfüllt, gilt der erreichte Wert im darauffolgenden Jahr als neuer Zielwert. Auch die Gemeinschaftsinitiative zur Abschaffung der Dualen Systeme (GemIni) fordert eine hochwertige Verwertung der Wertstoffe durch ambitionierte Erfassungsmengen und Recyclingquoten, die einheitliche Erfassung der Abfälle aus Verpackungen und stoffgleichen Nicht-Verpackungen als Wertstoffe sowie die Erweiterung der Produktverantwortung.[21]
Literatur
Bearbeiten- Für die Tonne. Ein neues Wertstoffgesetz soll das Mülltrennen erleichtern. Wird damit auch etwas besser? Von Dirk Asendorpf, in: DIE ZEIT, Nr. 23/2015 vom 3. Juni 2015.
- Wolfgang Durner (Hrsg.): Auf dem Weg zum Wertstoffgesetz. Umweltrechtstag Nordrhein-Westfalen am 10. Dezember 2013 in Bonn. Köln 2014.
Weblinks
Bearbeiten- FAQ Wertstoffgesetz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
- Wertstoffgesetzfakten
- Entwurf des Verpackungsgesetzes, 19. Juli 2016
Anmerkung
Bearbeiten- ↑ Bei den stoffgleichen Nichtverpackungen handelt es sich um Produkte (also Nicht-Verpackungen), die vor Gültigkeit des Wertstoffgesetzes über die Restmülltonne gesammelt und häufig thermisch entsorgt werden. (Quelle: Wertstoffgesetz, DBS-Team)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Deutschlands Zukunft gestalten: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 18. Legislaturperiode.
- ↑ a b Einheitliche Wertstofftonne beerdigt, von Bärbel Krauß, Süddeutsche Zeitung, 23. Juli 2016
- ↑ Wertstoffgesetz wird zum Verpackungsgesetz, NABU, 1. August 2016
- ↑ DESTATIS – Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 025 vom 18. Januar 2013: Leichter Anstieg an Haushaltsabfällen je Einwohner 2011.
- ↑ INFA-Gutachten (Dokumentation) Erarbeitung von Erfassungsmengen und Recyclingquoten. INFA-Gutachten (Kurzfassung): Erarbeitung von Erfassungsmengen und Recyclingquoten.
- ↑ CUTEC und Fraunhofer UMSICHT: Treibhausgas- und Ressourceneinsparpotenziale gesteigerter Erfassungsmengen und Verwertungsquoten im Auftrag der REMONDIS Assets & Services GmbH & Co. KG.
- ↑ Recycling – von Geld und Gold und Klimaschutz. Veröffentlicht auf Wertstoffblog.
- ↑ Eckpunkte für ein modernes Wertstoffgesetz: Nachhaltige, kommunalfreundliche und verbrauchernahe Produktverantwortung.
- ↑ Einigung zum Wertstoffgesetz zementiert Fehlsteuerungen im Dualen System. Von Peter Meiwald.
- ↑ wertstoffgesetz-fakten.de: Aktuelles Statement von Michael Thews MdB zum Wertstoffgesetz.
- ↑ wertstoffgesetz-fakten.de: Statement von Ingbert Liebing MdB zur Organisationshoheit der Kommunen über die Wertstoffsammlung.
- ↑ a b Entwurf für Verpackungsgesetz liegt vor, Euwid, 21. Juli 2016
- ↑ a b Deutsche Umwelthilfe bewertet Entwurf des Verpackungsgesetzes als Bruch des Koalitionsvertrages und Bankrotterklärung an den Umweltschutz ( des vom 2. August 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Deutsche Umwelthilfe (DuH), 22. Juli 2016
- ↑ Erklärt: Das neue Verpackungsgesetz ( des vom 2. August 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Deutsche Umwelthilfe (DuH), o. J.
- ↑ Da kann man doch noch was draus machen! Eckpunkte für ein Wertstoffgesetz - ökologisch, praktisch und transparent. Von Peter Meiwald MdB; Britta Haßelmann MdB; Franz Untersteller MdL, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg.
- ↑ Bündnis 90/Die Grünen: Fehlsteuerungen im Dualen System zementiert.
- ↑ Mehr Kreislauf bitte! Kernpunkte zur Einführung eines Wertstoffgesetzes.
- ↑ Wertstoffgesetz – Streitpunkt Zentrale Stelle. Veröffentlicht aus Wertstoffblog.
- ↑ Interview mit Peter Kurth, geschäftsführender Präsident Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE).
- ↑ Was ist eine Recyclingquote? Veröffentlicht auf Wertstoffblog.
- ↑ GemIni Resolution: 5 Grundpositionen für ein zukünftiges Wertstoffgesetz