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Kommentar

Wer schreibt, der bleibt

Normalerweise gilt: Man muss die Manifeste feiern, wie sie fallen. Nur in der anhaltenden Urheberrechtsdebatte wird es langsam schwer, dabei die Contenance zu wahren. Von Jan Engelmann

Wer sich heutzutage an etwas stört, seine persönliche Sorge um das kriselnde Gemeinwesen zum Ausdruck bringen will oder einfach nur schlecht geschlafen hat, schreibt ein Manifest. Darunter geht es nicht. Ob nun der Klimawandel, die verwahrloste Jugend oder der berühmte Sack Reis irgendwo in Asien - immer findet sich ein Thema, bei dem man von Null auf Hundert in den Angriffsmodus schalten kann. Einzig Günter Grass beteiligte sich zuletzt nicht mehr an der grassierenden Manifestitis - lieber löste er den Nahostkonflikt und die Griechenlandkrise mal eben en passent in Reimform.

Ungelöst bleibt hingegen die gesellschaftlich brisante Frage, wie man damit umgehen soll, dass das verlustfreie digitale Kopieren von Daten Tauschhandlungen ermöglicht, die nicht bei den zuständigen Kulturaufsichtsbehörden angemeldet sind. Dass etwa Blogger ohne Zeilenbegrenzung (und meist ohne Vergütung), Remixer ohne offizielle Erlaubnis seitens der ursprünglichen Urheber und Wikipedianer mit der Lizenz zum Löten (von Texten) zu Werke gehen, scheint in manchen Kreisen ernsthaft für Weltuntergangsstimmung zu sorgen. Denn anders ist nicht zu erklären, dass sich kluge Köpfe wie Julia Franck, Feridun Zaimoglu oder Hanns Zischler für eine Kampagne hergegeben haben, die wortreich und sinnfrei “den profanen Diebstahl geistigen Eigentums” anprangert.

Im Vergleich zum rechtschaffenden Furor der Kulturschaffenden nimmt sich der Blick der Politik auf den Status Quo des Urheberrechts wesentlich besonnener aus. Im Nachgang des Aufrufs “Wir sind die Urheber” veröffentlichten die SPD, die Linke und die Piratenpartei Positionspapiere, die auf die blinden Flecken der Schriftstellergilde weisen: Nötig ist eine Stärkung der Verhandlungsposition von Kreativen im Urhebervertragsrecht, eine Eindämmung des Abmahnunwesens über eine moderate Streitwertbegrenzung sowie neue Bestimmungen für den Bildungsbereich, wo immer mehr rechtliche Grauzonen zwischen erlaubten und unerlaubten Nutzungshandlungen im Alltag hingenommen werden müssen. Gerade hierzu hätte man sich vom Bildungsbürgertum mal ein Manifest erhofft, das seine Wirkung nicht verfehlt.