Kategorie I: Wikipedia-Artikel des Jahres

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Laudatio von Aileen Oeberst auf den Gewinnerartikel Nuklearkatastrophe von Fukushima

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Es ist mir eine besondere Freude, dass dieser Artikel den Preis gewonnen hat. Und es ist mir eine ganz besondere Ehre, diese Lauda zu halten. Weil meine Kollegen und ich nämlich selbst diesen Artikel über die ersten neun Tage hinweg intensivst unter die Lupe genommen und analysiert haben.

Und was wir dabei gesehen haben – in aller Kürze – war nicht nur der unermüdliche Einsatz vieler Autoren, sondern vor allem auch, dass Wikipedias Prinzipien in der überragenden Mehrheit befolgt wurden. Fast alle Information wurden mit Belegen versehen, und das nicht nur aus den deutschen Medien, sondern aus internationalen und sogar auch japanisch-sprachigen Quellen. Zudem wurde fast ausschließlich in einer neutralen und sachlichen Art und Weise beigetragen. Die Experten, die wir befragt haben, bescheinigten uns genau das – eine ausgewogene Darstellung und eine hohe Qualität – die in der Anfangszeit deutlich über den konventionellen Medien lagen. Und diese Leistung muss besonders gewürdigt werden vor dem Hintergrund, dass die Katastrophe ein Ereignis war, das mit viel Unklarheit darüber, was eigentlich wirklich passiert war, einherging, gerade in den ersten Tagen, und es zudem natürlich ein Thema ist, das nicht nur eine gewisse Expertise voraussetzt, sondern zudem emotional und ideologisch sehr stark aufgeladen ist.

Dass sich unsere Beobachtungen nicht nur auf den Zeitraum dieser ersten paar Tage beschränken, zeigt die Wahl der Jury. Die Jury hat den Artikel zum Sieger gekürt, weil der ausführlich und umsichtig recherchierte Text unter Verwertung unzähliger Quellen eigenständig, umfassend und verlässlich die Katastrophe in Fukushima für den Leser nachzeichnet. Der Artikel, der unmittelbar nach dem Unglück erstellt wurde und noch bis heute immer wieder ergänzt und fortgeschrieben wird, bietet eine fast minutiöse Chronologie der Ereignisse und hat es dennoch gleichzeitig geschafft, dieses Wissen immer wieder zu integrieren und über die Tagesaktualität hinweg einen detaillierten Überblicksartikel zu kreieren. Daneben ist herauszustellen, dass der Artikel neben dem ausführlichen Hergang auch die wirtschaftlichen, politischen und globalen Auswirkungen bis heute skizziert. Und das in einer sehr neutralen Art und Weise.

Der Artikel steht damit in den Augen der Jury prototypisch für den Anspruch der Wikipedia, ein breites Publikum zeitnah, umfassend und sachlich zu informieren. Er macht sich die Möglichkeiten, die Wikipedia als Medium bietet, in exzellenter Weise zunutze und die Jury ist überzeugt, dass der Artikel nicht nur für die interessierte Allgemeinheit, sondern auch für Journalisten und Fachleute im vergangenen Jahr eines der wichtigsten Informationsmedien für einen Überblick und Einstieg in die Thematik geboten hat.

Kategorie II: Community-Projekt des Jahres

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Laudatio von Martin Haase auf das Gewinnerprojekt österreichisches Portal Denkmallisten

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„Denkmale haben außer der Eigenschaft, daß man nicht weiß, ob man Denkmale oder Denkmäler sagen soll, noch allerhand Eigenheiten. Die wichtigste davon ist ein wenig widerspruchsvoll; das Auffallendste an Denkmälern ist nämlich, daß man sie nicht bemerkt. Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler.“ Robert Musil „Denkmale“ 1927

Die Laudatio gibt dem Laudator die Möglichkeit, abschließend zu klären, was nun richtig ist: Denkmale oder Denkmäler. – Beides ist richtig. So jedenfalls schreiben Wilhelm und Jakob Grimm im Deutschen Wörterbuch und verweisen unter anderem auf Goethe, bei dem der Gebrauch schwankt – genau wie bei Musil und heute in dieser Laudatio. Das andere Problem der Denkmale und Denkmäler ist – so schreibt Robert Musil, dass man sie nicht bemerkt. Umso wichtiger ist es, sich mit ihnen zu beschäftigen und eine Öffentlichkeit zu schaffen. Das geschieht in dem ausgezeichneten Projekt: In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Bundesdenkmalamt sind 227 Autorinnen und Autoren unterwegs, die ca. 36.000 Denkmäler in die Wikipedia und in Wikimedia Commons zu dokumentieren. Fast alle sind schon erfasst, zu zwei Dritteln gibt es Bilder und zu ungefähr 40 Prozent liegen Beschreibungen vor. Die Arbeit, die übrigens in der Wikipedia vorbildlich dokumentiert ist, geht weiter und zwischen 2013 und 2015 ist eine vorläufige Vollständigkeit erreichbar – natürlich nur vorläufig, denn die enzyklopädische Erfassung von Denkmalen kann immer fortgesetzt werden und ist in einem kollaborativen Projekt nachhaltig. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt ist dabei besonders hervorzuheben und wird auch fortgesetzt mit weiteren Tagungen, der Finanzierung eines Scanners (auch mit Mitteln von Wikimedia Deutschland und Österreich) und einem Wikipedian in Residence. Der Zedler-Preis soll das Denkmalprojekt noch bekannter machen und dazu beitragen, dass das vorbildliche Projekt noch intensiver fortgesetzt wird.

Kategorie III: Externes Wissensprojekt des Jahres

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Laudatio von John Weitzmann auf das Gewinnerprojekt VroniPlag Wiki

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(Englischsprachige Version hier)

Eine Laudatio, sagt die Wikipedia, ist eine Lobrede zu Ehren einer Person. Insofern müsste der Artikel mal überarbeitet werden, denn hier geht es ja offensichtlich nicht um eine Person, sondern ein Projekt. Außerdem mag das folgende Zitat zunächst nicht so recht zu einer Lobrede passen:

"Die Motivation der durchweg jüngeren Plagiatjäger vergleicht ein älterer Sachkenner mit dem 'Idealismus von Rentnern, die Falschparker aufschreiben' – statt das den offiziell Zuständigen zu überlassen."

Dies schrieb im August letzten Jahres der Journalist und VroniPlag-Kritiker Hermann Horstkotte in einem Artikel bei Zeit-online. Nähern wir uns der Thematik also doch einmal von der Seite der Kritiker. Die Kritiker von VroniPlag monieren vor allem, dass die dort erhobene Vorwürfe teilweise anonym erhoben werden. Solche “Vorwerfer”, heißt es, diskreditierten sich gewissermaßen selbst. Da wird dann häufig davon gesprochen, man dürfe nur “mit offenem Visier” kritisieren, alles andere sei feige und irgendwie unwert. Darum ist erstmal die Frage zu stellen: Wann bzw. ab wann ist es überhaupt erlaubt, Menschen öffentlich zu beurteilen und Vorwürfe zu erheben? Solange sie im Privaten handeln, ist das sicherlich noch nicht ohne Weiteres der Fall. Aber wie wäre es beispielsweise mit dem Moment, in dem die beurteilten Menschen selbst ins Licht der Öffentlichkeit getreten sind? Mit Kritik und Auseinandersetzung ist – teils sogar in formalisierter Weise – jedenfalls ab Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit ganz einfach zu rechnen. Und diese Veröffentlichung ist nicht von ungefähr verpflichtend. Sie bildet seit jeher das Gegenstück dazu, dass man einen bestimmten Titel anschließend auch öffentlich führen darf. Ein "geheimer Doktortitel" ergibt wenig Sinn, widerspräche das doch schon dem Bedeutungsgehalt des Wortes “Titel”.

So weit, so gut. Und wie ist das nun mit dem nicht “offenen Visier”, das bei VroniPlag angeblich die teils heftige Gegenkritik rechtfertigt? Ein offenes Visier kann dabei helfen, von der Person und Qualifikation des Kritikers auf die Fundiertheit der Kritik zu schließen, das ist klar. Und es soll davon abschrecken, Schmähkritik zu üben, die keine wirkliche Grundlage hat. Für so etwas soll man später gerade stehen müssen. Klar ist dann aber auch, dass das "offene Visier" kein Selbstzweck ist. Wenn Kritik für jeden nachvollziehbar vorgebracht wird, wenn wissenschaftliche Fehler klar identifiziert und belegt sind, werden diese Vorwürfe dann weniger substantiell, nur weil man nicht alle Personen kennt, die drauf gekommen sind? Die Jury meint: nein. Ist ein Plagiat kein Plagiat mehr, wenn man nicht den zweiten Vornamen und die Anschrift dessen kennt, der es entdeckt hat? Reicht es nicht auch, dass in einer Gruppe ein Teil der Mitarbeiter unter ihrer realen Existenz bekannt ist? Ist es nicht verständlich, dass gerade Akademiker, die noch keine feste Position haben aber ihren Berufsstand als Akademiker in der Gesamtheit gegen Fehlentwicklungen schützen wollen, dies lieber als virtuelle, der Öffentlichkeit unbekannte Inkarnation ihrer Selbst, tun? Ist dies nicht besser als zu schweigen? Die Jury meint: oh ja, das ist besser. Und erst recht zeigt die Teilnahme einer schon viel länger ausgewiesenen Plagiatsjägerin, nämlich von Frau Weber-Wulff, dass die Kritik an VroniPlag eher fadenscheinig, fast schon hilflos genannt werden muss.

Die VroniPlag-Kritiker monieren weiter, dass die Ambitionen der Mitwirkenden von VroniPlag nicht eindeutig - oder schlimmer noch - dass politische Motivationen gegen bestimmte Parteien erkennbar seien. Fakt ist, dass auffallend viele Politiker der FDP und der CDU in den Verdacht des Plagiierens geraten sind. Fakt ist aber auch, dass die Selbstreinigungskräfte von VroniPlag immens sind. So wurden Mitwirkende des Projektes von der weiteren Mitarbeit ausgeschlossen, soweit sie sich den Gepflogenheiten des Projektes nicht anpassen wollten und in der Tat politische Tendenz erkennbar wurden. Und ebenfalls Fakt ist, dass von VroniPlag auch Qualifikationsarbeiten untersucht werden, die gar nicht von Politikern stammen. So geraten mittlerweile immer öfter Personen aus der Wirtschaft oder auch aus der Medizin in das Blickfeld der Plagiatsjäger. Somit blieb für die Jury die zweite Frage - ist die nicht bekannte Motivation der zum Teil eben anonymen "VroniPlag'ianer" von größerer Bedeutung als die offensichtlichen Fehler der wissenschaftlichen Qualifikanten? Die Jury war sich einig: nein. Nicht der Bote der schlechten Nachricht sollte bestraft werden. Nicht die Finder der Plagiate haben diese Plagiate zustande gebracht. Der Jury lag ein Katalog von verschiedenen Fragen und Grundlagen vor, anhand derer die Auswahl des Preisträgerprojekts zu treffen war:

  • Erreicht das Projekt das Ziel freies Wissen zu erstellen?
  • Sind die Inhalte wirklich frei und nachhaltig verfügbar?
  • Widmet es sich einem Thema, das in Wikimedia-Projekten nicht angegangen werden kann?
  • Erreicht es eine nennenswerte Öffentlichkeit?
  • Ist die Möglichkeit der freien und möglichst einfachen Partizipation von weiteren Mitwirkenden gegeben?
  • usw. ...

VroniPlag gehörte zu den Projekten, bei denen nur sehr wenige Abstriche bei all diesen Ansprüchen zu machen waren. Für die Jury war am Ende klar, dass VroniPlag von allen auszeichnungswürdigen Projekten - und alle heute hier nominierten Projekte sind wirklich gut - 2011 den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hat. Es war in der öffentlichen Wahrnehmung am präsentesten, es widmet sich einem wichtigen Thema und geht dieses seinen Kritikern zum Trotz auf angemessene und faire Weise an.

In diesem Sinne, der Zedler-Preis für Freies Wissen in der Kategorie "Externes Wissensprojekt des Jahres 2011" geht an das Projekt "VroniPlag". Herzlichen Glückwunsch!!!