Wilfried Schreiber (Militärökonom)
Wilfried Schreiber (* 1937 in Dresden;[1] † 19. November 2024 in Berlin)[2] war ein deutscher Militärökonom und ehemaliger Oberst der Nationalen Volksarmee. Er war Professor für Ökonomie an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“ der NVA der DDR in Berlin-Grünau und davor Hochschullehrer an der Offiziershochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung „Franz Mehring“ in Kamenz.[3]
Leben
BearbeitenHerkunft und Ausbildung
BearbeitenSchreiber wurde 1937 in Dresden geboren. Nach dem Abitur (1955) trat er in die Kasernierte Volkspolizei (KVP) der DDR ein. Er wurde Anfang 1956 in die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR übernommen und wurde 1959 zum ersten Offiziersdienstgrad ernannt.
Laufbahn
BearbeitenIm Dezember 1960 begann er seinen Truppendienst im Kommando der Luftstreitkräfte/ Luftverteidigung (LSK/LV) der DDR, wo er auf allen Führungsebenen tätig war. Berufsbegleitend absolvierte Schreiber von 1963 bis 1968 ein Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig, das er als Diplomlehrer abschloss.
Schreiber wurde 1975 zum Doktor der Philosophie (Dr. phil.) promoviert. Im gleichen Jahr begann seine wissenschaftliche und Hochschullehrer-Laufbahn an der Offiziershochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung „Franz Mehring“ in Kamenz, die er ab 1978 an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“ (MPHS)[4] in Berlin-Grünau fortsetzte.
Eine externe außerplanmäßige Aspirantur an der Militärakademie „Friedrich Engels“ in Dresden führte 1985 mit der Promotion B zum Doktor der Ökonomischen Wissenschaften (Dr. sc. oec.). An der Militärpolitischen Hochschule wurde Schreiber im Lehrstuhl Politische Ökonomie und Militärökonomie zum (Hochschul-)Dozenten (1987) sowie zum außerordentlichen Professor (1988) berufen.[5]
Schreiber wurde im Zuge der Herstellung der Einheit Deutschlands vorläufig in der Bundeswehr weiterverwendet und am 31. Dezember 1990 aus dem Dienstverhältnis entlassen. Er war von 1991 bis 2002 in einem größeren deutschen Consultingunternehmen tätig.[1]
Schreiber starb im November 2024. Sein Grab befindet sich auf dem St. Pius-St. Hedwig-Friedhof in Berlin-Alt-Hohenschönhausen.[2]
Wirken in Friedensforschung und Friedensbewegung
BearbeitenAnfang der 1980er Jahre begann Schreibers Mitarbeit im Redaktionsbeirat der außenpolitischen Zeitschrift IPW-Berichte sowie im DDR-Komitee für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit. Schreiber war Mitglied im Beirat für Weltraumfragen des Friedensrates der DDR und arbeitete in der Sektion Raumfahrt beim Präsidium der URANIA der DDR sowie in der Gesellschaft für Weltraumforschung und Raumfahrt der DDR (GWR) als Leiter der Arbeitsgruppe „Militärische Aspekte der Raumfahrt“.[6]
Schreiber war seit 1987 Teilnehmer am deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog zwischen der SPD und SED.[7]
Er wurde 1988 als Mitglied in den Wissenschaftlichen Rat für Friedensforschung (WRF) an der Akademie der Wissenschaften der DDR berufen.[8] Er war 1989/90 Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung einer neuen Militärdoktrin der DDR und an der Ausarbeitung der verteidigungspolitischen Leitlinien am Runden Tisch beim Verteidigungsminister der DDR beteiligt.[9]
Schreiber war seit 1990[6] im Arbeitskreis Darmstädter Signal (Ak-DS)[10] und im Vorstand dessen Förderkreises (FöK-DS)[11] tätig.[12]
Er arbeitete im Verband für Internationale Politik und Völkerrecht (VIP)[13] sowie im Gesprächskreis Frieden und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Schreiber war an zahlreichen Workshops (2002–2013) des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr (MGFA) zur Militärgeschichte der NVA und der Bündnisstreitkräfte beteiligt.
Schreiber wurde 2002 reguläres Mitglied der Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS), war Vorstandsmitglied (2005–2016)[14] und publizierte eine Vielzahl eigener Beiträge für die DSS-Arbeitspapiere.[15]
Schreiber publizierte zu aktuellen friedens- und sicherheitspolitischen Problemen beim außenpolitischen Journal „WeltTrends“, war in dessen wissenschaftlichem Beirat[16] und publizierte dort[17] als berufener Senior Research Fellow im WeltTrends-Institut für Internationale Politik (IIP).[18] Er schrieb für Das Blättchen.[19] Er kommentierte (2019–2024) in zahlreichen Ausgaben der DGKSP-Diskussionspapiere[20][21] sicherheitspolitische Beiträge und Dokumente aus dem Ausland.
Würdigung
BearbeitenDie Chefredaktion der Zweiwochenschrift „Das Blättchen“ würdigte in einem Nachruf ihren langjährigen Autor Wilfried Schreiber als einen „maßgeblichen Protagonisten einer wissenschaftlichen und publizistischen, auch über die Systemgrenze hinweg geführten Debatte um die Kriegsuntauglichkeit moderner Industriegesellschaften“.[22]
Literatur
Bearbeiten- Wilfried Schreiber: Als Offizier und Wissenschaftler der NVA im deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog 1987–1990. Ein Zeitzeugenbericht. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 75, Dresden 2005, 129 S. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340232
- Wilfried Schreiber: Von einer Militärdoktrin der Abschreckung zu Leitsätzen entmilitarisierter Sicherheit (1987–1990). Ein Zeitzeugenbericht. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 86, Dresden 2007, 114 S. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340248
Veröffentlichungen (Auswahl)
Bearbeiten- Schriften von Wilfried Schreiber im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Schriften von Wilfried Schreiber im Katalog der Sächsische Landesbibliothek — Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden.
- Schriften von Wilfried Schreiber in der Sächsischen Bibliografie – SAXORUM Sächsische Landeskunde digital.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Siehe biographische Daten von Wilfried Schreiber als Vorbemerkung. In: Wilfried Schreiber: Von einer Militärdoktrin der Abschreckung zu Leitsätzen entmilitarisierter Sicherheit (1987–1990). Ein Zeitzeugenbericht. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 86, Dresden 2007, S. 5–8. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340248
- ↑ a b Trauerportal Berliner Zeitung, 23. November 2024.
- ↑ Siehe biographische Daten von Wilfried Schreiber: Die Mitglieder der Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. In: Für Entmilitarisierung der Sicherheit. 25 Jahre Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. Ein Resümee. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 115, Dresden 2015, S. 160. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-321465
- ↑ Abkürzung in: ZMSBw: Standortdatenbank NVA und GT/DDR. [1]
- ↑ In der DDR gehörten seit der Hochschulreform von 1968 (Hochschul-)Dozenten und Professoren zur Gruppe der vom Minister für das Hoch- und Fachschulwesen berufenen Hochschullehrer. Siehe: Hochschullehrerberufungsverordnung (HBVO) vom 6. November 1968, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil II, S. 997–1003.
- ↑ a b Siehe biographische Angaben aus dem Interview mit Wilfried Schreiber am 18. Mai 2020.
- ↑ Siehe Treffen mit Egon Bahr und dem IFSH. In: Wilfried Schreiber: Als Offizier und Wissenschaftler der NVA im deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog 1987–1990. Ein Zeitzeugenbericht. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 75, Dresden 2005, S. 24–26. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340232
- ↑ Wilfried Schreiber: Als Offizier und Wissenschaftler der NVA im deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog. Ausgangssituation und Rahmenbedingungen. In: Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (Hrsg.): DSS-Arbeitspapiere, Heft 75, Dresden 2005. S. 8–19. [2]
- ↑ Der Runde Tisch beim Verteidigungsminister – Die Erarbeitung von Militärpolitischen Leitsätzen der DDR (Dezember 1989 bis März 1990). In: Wilfried Schreiber: Von einer Militärdoktrin der Abschreckung zu Leitsätzen entmilitarisierter Sicherheit (1987–1990). Ein Zeitzeugenbericht. DSS-Arbeitspapiere, Heft 86, Dresden 2007, S. 31–61. [3]
- ↑ Arbeitskreis Darmstädter Signal. Satzung in: Abruf 14. Oktober 2021. [4]
- ↑ Der Förderkreis DS mit mehr als 200 zum Teil prominenten Mitgliedern unterstützt seit 1986 den Ak-DS ideell und materiell. In: Ak-DS Über uns. Struktur und Arbeitsabläufe. Abruf am 14. Oktober 2021. [5]
- ↑ Vorstand des Förderkreises. Stellvertretender Vorsitzender Prof. Dr. Wilfried Schreiber. In: Ak-DS Der Förderkreis. Abruf 14. Oktober 2021. [6]
- ↑ Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e. V. (VIP). In: Abruf 14. Oktober 2021. [7]
- ↑ Die Mitglieder der Studiengemeinschaft. Schreiber, Wilfried. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V., DSS-Arbeitspapiere, Dresden 2010, Heft 100, S. 147–149 und S. 160. [8]
- ↑ Autoren der DSS-Arbeitspapiere. Schreiber, Wilfried. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V., DSS-Arbeitspapiere, Dresden 2010, Heft 100, S. 302.[9]
- ↑ WeltTrends, wissenschaftlicher Beirat [10]
- ↑ WeltTrends Institut für Internationale Politik (IIP), Beiträge (online) [11]
- ↑ Fellows im IIP. http://welttrends.de/institut/fellows/
- ↑ Beiträge von Wilfried Schreiber in: Das Blättchen. Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. Zum Beispiel Nummer 18, August 2021. [12]
- ↑ Wilfried Schreiber, Rainer Böhme: Kommentar Dialog und Abschreckung aus der Sicht Russlands. In: DGKSP-Diskussionspapiere, Nr. 4, Dresden Oktober 2019, ISSN 2627-3470. S. 4–9. (slub.qucosa.de)
- ↑ Wilfried Schreiber, Rainer Böhme (Hrsg.): Global Governance im Diskurs (XVI). Vorbemerkungen & Kommentare zum Thema (I-XV). In: Sammelband der ‘dgksp-diskussionspapiere’ (2021–2023), Dresden Mai 2023, ISSN 2627-3470. 87 S. (slub.qucosa.de)
- ↑ Nachruf Abruf am 16. Dezember 2024.
Personendaten | |
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NAME | Schreiber, Wilfried |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Militärökonom und Oberst der Nationalen Volksarmee |
GEBURTSDATUM | 1937 |
GEBURTSORT | Dresden |